Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Gebirgs-Pässe und Alpen-Straßen. Bastionen eines Festungswerkes aus. Am Auffallendsten zeigt sichdiese Anordnung in dem jäh abfallenden Val Tremola, auf der südlichen Abdachung der Gotthardsstraße. Von Airolo hinaufstei¬ gend denkt man das Ende dieser Windungen nicht erreichen zu können; denn wenn man die Höchste erklommen zu haben glaubt, so wachsen immer und immer wieder neue, mit Schutzsteinen ge¬ spickte Mauer-Vorsprünge aus der öden, baumlosen, mit schwar¬ zen Glimmerschiefer-Trümmern bedeckten, steil aufsteigenden Halde heraus, und erst nachdem man 46 solcher Windungen überwunden hat, erreicht man das Hospiz. Reich an solchen Straßen-Zickzacken ist auch der Splügen, sowohl auf der Nordseite, als gen Süden nach Isola hinab, -- der Bernhardin gegen das Dorf Hinterrhein zu, -- und das Stilffer Joch vom Dorfe Trafoi aufwärts im An¬ gesicht des Madatsch-Gletschers und des gewaltigen Ortler-Massivs. Mitunter bedingt aber auch ein die Hauptrichtung der Straße Um in den ungeheuerlichsten Gegenden, da wo die Schnee¬ Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen. Baſtionen eines Feſtungswerkes aus. Am Auffallendſten zeigt ſichdieſe Anordnung in dem jäh abfallenden Val Tremola, auf der ſüdlichen Abdachung der Gotthardsſtraße. Von Airolo hinaufſtei¬ gend denkt man das Ende dieſer Windungen nicht erreichen zu können; denn wenn man die Höchſte erklommen zu haben glaubt, ſo wachſen immer und immer wieder neue, mit Schutzſteinen ge¬ ſpickte Mauer-Vorſprünge aus der öden, baumloſen, mit ſchwar¬ zen Glimmerſchiefer-Trümmern bedeckten, ſteil aufſteigenden Halde heraus, und erſt nachdem man 46 ſolcher Windungen überwunden hat, erreicht man das Hoſpiz. Reich an ſolchen Straßen-Zickzacken iſt auch der Splügen, ſowohl auf der Nordſeite, als gen Süden nach Iſola hinab, — der Bernhardin gegen das Dorf Hinterrhein zu, — und das Stilffer Joch vom Dorfe Trafoi aufwärts im An¬ geſicht des Madatſch-Gletſchers und des gewaltigen Ortler-Maſſivs. Mitunter bedingt aber auch ein die Hauptrichtung der Straße Um in den ungeheuerlichſten Gegenden, da wo die Schnee¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0328" n="292"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen</hi>.<lb/></fw> Baſtionen eines Feſtungswerkes aus. Am Auffallendſten zeigt ſich<lb/> dieſe Anordnung in dem jäh abfallenden <hi rendition="#aq">Val Tremola</hi>, auf der<lb/> ſüdlichen Abdachung der Gotthardsſtraße. Von Airolo hinaufſtei¬<lb/> gend denkt man das Ende dieſer Windungen nicht erreichen zu<lb/> können; denn wenn man die Höchſte erklommen zu haben glaubt,<lb/> ſo wachſen immer und immer wieder neue, mit Schutzſteinen ge¬<lb/> ſpickte Mauer-Vorſprünge aus der öden, baumloſen, mit ſchwar¬<lb/> zen Glimmerſchiefer-Trümmern bedeckten, ſteil aufſteigenden Halde<lb/> heraus, und erſt nachdem man 46 ſolcher Windungen überwunden<lb/> hat, erreicht man das Hoſpiz. Reich an ſolchen Straßen-Zickzacken<lb/> iſt auch der Splügen, ſowohl auf der Nordſeite, als gen Süden<lb/> nach Iſola hinab, — der Bernhardin gegen das Dorf Hinterrhein<lb/> zu, — und das Stilffer Joch vom Dorfe Trafoi aufwärts im An¬<lb/> geſicht des Madatſch-Gletſchers und des gewaltigen Ortler-Maſſivs.</p><lb/> <p>Mitunter bedingt aber auch ein die Hauptrichtung der Straße<lb/> durchſchneidendes, tiefes Querthal die Umgehung deſſelben und<lb/> verlängert dadurch die Linie außerordentlich. Dies zeigt ſich ganz<lb/> beſonders bei der Ganther-Schlucht am Simplon. Dort muß, vom<lb/> zweiten Stundenſtein von Brieg im Wallis aus, die Straße eine<lb/> volle Wegſtunde öſtlich einbiegen, um den Uebergangspunkt der<lb/> Ganther-Brücke zu gewinnen. Man ſieht das in gerader Linie<lb/> kaum ¾ Stunden entfernte, ſechſte Schutzhaus drüben über der<lb/> tiefen Schlucht hoch oben liegen und braucht drei und eine halbe<lb/> Stunde auf breiter ebener Chauſſee, ehe man es erreicht.</p><lb/> <p>Um in den ungeheuerlichſten Gegenden, da wo die Schnee¬<lb/> ſtürme am Raſendſten wüthen, dem Wanderer im Winter eine Zu¬<lb/> fluchtsſtätte zu bieten, ſind in gemeſſenen Entfernungen feſte, ſtei¬<lb/> nerne Zufluchtshäuſer oder <hi rendition="#aq">Refuges</hi> errichtet, die zum Theil von<lb/> den für die Straßenarbeit und zum Wegbahnen angeſtellten „Rut¬<lb/> nern“ oder „<hi rendition="#aq">Cantonniers</hi>“ bewohnt werden, — eine Art ſibiriſcher<lb/> Verbannung. Während der wildeſten Wintermonate findet der<lb/> Hilfeſuchende in den unbewohnten Zufluchtshäuſern ſo viel geſpalte¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [292/0328]
Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen.
Baſtionen eines Feſtungswerkes aus. Am Auffallendſten zeigt ſich
dieſe Anordnung in dem jäh abfallenden Val Tremola, auf der
ſüdlichen Abdachung der Gotthardsſtraße. Von Airolo hinaufſtei¬
gend denkt man das Ende dieſer Windungen nicht erreichen zu
können; denn wenn man die Höchſte erklommen zu haben glaubt,
ſo wachſen immer und immer wieder neue, mit Schutzſteinen ge¬
ſpickte Mauer-Vorſprünge aus der öden, baumloſen, mit ſchwar¬
zen Glimmerſchiefer-Trümmern bedeckten, ſteil aufſteigenden Halde
heraus, und erſt nachdem man 46 ſolcher Windungen überwunden
hat, erreicht man das Hoſpiz. Reich an ſolchen Straßen-Zickzacken
iſt auch der Splügen, ſowohl auf der Nordſeite, als gen Süden
nach Iſola hinab, — der Bernhardin gegen das Dorf Hinterrhein
zu, — und das Stilffer Joch vom Dorfe Trafoi aufwärts im An¬
geſicht des Madatſch-Gletſchers und des gewaltigen Ortler-Maſſivs.
Mitunter bedingt aber auch ein die Hauptrichtung der Straße
durchſchneidendes, tiefes Querthal die Umgehung deſſelben und
verlängert dadurch die Linie außerordentlich. Dies zeigt ſich ganz
beſonders bei der Ganther-Schlucht am Simplon. Dort muß, vom
zweiten Stundenſtein von Brieg im Wallis aus, die Straße eine
volle Wegſtunde öſtlich einbiegen, um den Uebergangspunkt der
Ganther-Brücke zu gewinnen. Man ſieht das in gerader Linie
kaum ¾ Stunden entfernte, ſechſte Schutzhaus drüben über der
tiefen Schlucht hoch oben liegen und braucht drei und eine halbe
Stunde auf breiter ebener Chauſſee, ehe man es erreicht.
Um in den ungeheuerlichſten Gegenden, da wo die Schnee¬
ſtürme am Raſendſten wüthen, dem Wanderer im Winter eine Zu¬
fluchtsſtätte zu bieten, ſind in gemeſſenen Entfernungen feſte, ſtei¬
nerne Zufluchtshäuſer oder Refuges errichtet, die zum Theil von
den für die Straßenarbeit und zum Wegbahnen angeſtellten „Rut¬
nern“ oder „Cantonniers“ bewohnt werden, — eine Art ſibiriſcher
Verbannung. Während der wildeſten Wintermonate findet der
Hilfeſuchende in den unbewohnten Zufluchtshäuſern ſo viel geſpalte¬
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