Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Sennenleben in den Alpen. und einladend wie ein herzlicher Gruß des Willkommens auf denMatten, mitunter sogar theatralisch-malerisch (wie z. B. auf der Alp "Büls" unter den Churfirsten am Wallensee) liegt das schützende Dach der stillen Sennhütte im Kräutermeer der Alpweide da. Der ganze Bau ist in den wälderreichen Gegenden durchaus Block¬ hauskonstruktion, also lediglich aus Holz errichtet, das von der langjährigen Wirkung der Sonnenstrahlen tief gebräunt wurde. Nur der wenige Fuß hohe Unterbau ist grobes Steingefüge, oft Mauerwerk wie aus vorkulturlichen Zeiten. Ueber diesem einstöckigen, kunstlosen Erdgeschoß, das seiner naiven, ungesuchten Natürlichkeit halber ganz mit der in ihrer Einfachheit majestätischen und erha¬ benen Gebirgswelt harmonirt, ruht das flache, silbergrau-glänzende, derbe Schindeldach. Es ist mit schweren Steinen belastet, damit der wilde Föhn, des Aelplers "ältester Landsmann", wenn er aus dem Süden warm einherbraust, über die Felsenklippen niederstür¬ zend sich in die Bergmulden einbohrt und -- seine Donnerwürfe wirft, Daß Wald und Fels herunterbricht erschrocken, -- die Friedenshütte unangetastet lasse. Diese ist des Sennen und Sennenleben in den Alpen. und einladend wie ein herzlicher Gruß des Willkommens auf denMatten, mitunter ſogar theatraliſch-maleriſch (wie z. B. auf der Alp „Büls“ unter den Churfirſten am Wallenſee) liegt das ſchützende Dach der ſtillen Sennhütte im Kräutermeer der Alpweide da. Der ganze Bau iſt in den wälderreichen Gegenden durchaus Block¬ hauskonſtruktion, alſo lediglich aus Holz errichtet, das von der langjährigen Wirkung der Sonnenſtrahlen tief gebräunt wurde. Nur der wenige Fuß hohe Unterbau iſt grobes Steingefüge, oft Mauerwerk wie aus vorkulturlichen Zeiten. Ueber dieſem einſtöckigen, kunſtloſen Erdgeſchoß, das ſeiner naiven, ungeſuchten Natürlichkeit halber ganz mit der in ihrer Einfachheit majeſtätiſchen und erha¬ benen Gebirgswelt harmonirt, ruht das flache, ſilbergrau-glänzende, derbe Schindeldach. Es iſt mit ſchweren Steinen belaſtet, damit der wilde Föhn, des Aelplers „älteſter Landsmann“, wenn er aus dem Süden warm einherbrauſt, über die Felſenklippen niederſtür¬ zend ſich in die Bergmulden einbohrt und — ſeine Donnerwürfe wirft, Daß Wald und Fels herunterbricht erſchrocken, — die Friedenshütte unangetaſtet laſſe. Dieſe iſt des Sennen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p xml:id="p-0375" next="p-0376"><pb facs="#f0376" n="338"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Sennenleben in den Alpen.</hi><lb/></fw> und einladend wie ein herzlicher Gruß des Willkommens auf den<lb/> Matten, mitunter ſogar theatraliſch-maleriſch (wie z. B. auf der<lb/> Alp „Büls“ unter den Churfirſten am Wallenſee) liegt das ſchützende<lb/> Dach der ſtillen <hi rendition="#g">Sennhütte</hi> im Kräutermeer der Alpweide da.<lb/> Der ganze Bau iſt in den wälderreichen Gegenden durchaus Block¬<lb/> hauskonſtruktion, alſo lediglich aus Holz errichtet, das von der<lb/> langjährigen Wirkung der Sonnenſtrahlen tief gebräunt wurde.<lb/> Nur der wenige Fuß hohe Unterbau iſt grobes Steingefüge, oft<lb/> Mauerwerk wie aus vorkulturlichen Zeiten. Ueber dieſem einſtöckigen,<lb/> kunſtloſen Erdgeſchoß, das ſeiner naiven, ungeſuchten Natürlichkeit<lb/> halber ganz mit der in ihrer Einfachheit majeſtätiſchen und erha¬<lb/> benen Gebirgswelt harmonirt, ruht das flache, ſilbergrau-glänzende,<lb/> derbe Schindeldach. Es iſt mit ſchweren Steinen belaſtet, damit<lb/> der wilde Föhn, des Aelplers „älteſter Landsmann“, wenn er aus<lb/> dem Süden warm einherbrauſt, über die Felſenklippen niederſtür¬<lb/> zend ſich in die Bergmulden einbohrt und</p><lb/> <lg> <l rendition="#c">— ſeine Donnerwürfe wirft,</l><lb/> <l rendition="#c">Daß Wald und Fels herunterbricht erſchrocken, —</l> </lg><lb/> <p xml:id="p-0376" prev="p-0375">die Friedenshütte unangetaſtet laſſe. Dieſe iſt des Sennen und<lb/> ſeiner Gehilfen Aſyl während der Sommermonate. In denjenigen<lb/> Alpen, wo gute Ordnung herrſcht und für das Vieh vorſorgliche<lb/> Einrichtungen getroffen wurden, ſind nahe bei der Sennhütte „Gaden“<lb/> oder Stallungen errichtet, in denen die Herde während drückender<lb/> Mittagswärme und in kalten Nächten oder während der wilden<lb/> Wetter eingeſtellt wird. Nicht überall hat die rationelle Praxis<lb/> ſolche Einrichtungen getroffen, und es giebt noch Alpen genug, in<lb/> denen die Wettertanne der einzige Zufluchtswinkel des armen Viehs<lb/> während der Hitze und der furchtbaren Hochgewitter iſt. Die dem<lb/> Gebirgsbewohner angeborene und anerzogene Läſſigkeit vermag es<lb/> nicht zu überwinden, daß irgend eine Neuerung in der Alp<lb/> vorgenommen werde. Wie es zu „Pfuchähni's“ (Ur-Urgroßvaters)<lb/> Zeiten war, ſo wird die Alpenwirthſchaft auch heute noch betrieben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [338/0376]
Sennenleben in den Alpen.
und einladend wie ein herzlicher Gruß des Willkommens auf den
Matten, mitunter ſogar theatraliſch-maleriſch (wie z. B. auf der
Alp „Büls“ unter den Churfirſten am Wallenſee) liegt das ſchützende
Dach der ſtillen Sennhütte im Kräutermeer der Alpweide da.
Der ganze Bau iſt in den wälderreichen Gegenden durchaus Block¬
hauskonſtruktion, alſo lediglich aus Holz errichtet, das von der
langjährigen Wirkung der Sonnenſtrahlen tief gebräunt wurde.
Nur der wenige Fuß hohe Unterbau iſt grobes Steingefüge, oft
Mauerwerk wie aus vorkulturlichen Zeiten. Ueber dieſem einſtöckigen,
kunſtloſen Erdgeſchoß, das ſeiner naiven, ungeſuchten Natürlichkeit
halber ganz mit der in ihrer Einfachheit majeſtätiſchen und erha¬
benen Gebirgswelt harmonirt, ruht das flache, ſilbergrau-glänzende,
derbe Schindeldach. Es iſt mit ſchweren Steinen belaſtet, damit
der wilde Föhn, des Aelplers „älteſter Landsmann“, wenn er aus
dem Süden warm einherbrauſt, über die Felſenklippen niederſtür¬
zend ſich in die Bergmulden einbohrt und
— ſeine Donnerwürfe wirft,
Daß Wald und Fels herunterbricht erſchrocken, —
die Friedenshütte unangetaſtet laſſe. Dieſe iſt des Sennen und
ſeiner Gehilfen Aſyl während der Sommermonate. In denjenigen
Alpen, wo gute Ordnung herrſcht und für das Vieh vorſorgliche
Einrichtungen getroffen wurden, ſind nahe bei der Sennhütte „Gaden“
oder Stallungen errichtet, in denen die Herde während drückender
Mittagswärme und in kalten Nächten oder während der wilden
Wetter eingeſtellt wird. Nicht überall hat die rationelle Praxis
ſolche Einrichtungen getroffen, und es giebt noch Alpen genug, in
denen die Wettertanne der einzige Zufluchtswinkel des armen Viehs
während der Hitze und der furchtbaren Hochgewitter iſt. Die dem
Gebirgsbewohner angeborene und anerzogene Läſſigkeit vermag es
nicht zu überwinden, daß irgend eine Neuerung in der Alp
vorgenommen werde. Wie es zu „Pfuchähni's“ (Ur-Urgroßvaters)
Zeiten war, ſo wird die Alpenwirthſchaft auch heute noch betrieben.
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