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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Sennenleben in den Alpen.
darum auch diese Lokalität der "Weller" (wo die Milch "erwellet" oder
leicht aufgekocht wird) genannt. Unter dem Herd darf man sich indessen
keine eigentliche kulinarische Vorrichtung denken, etwa so, wie man
sie in alten Bauernhäusern findet mit umfangreichem Schlotfang; --
solche Weitläufigkeiten passen nicht zur Einfachheit der alpinen
Baukunst. Etwa so, wie es, jugendseligen Andenkens, der gute
Robinson Crusoe aus Noth einrichtete, arrangirt heutiges Tages
der Senn in den Schweizer Alpen seine Küchen-Vorkehrung; ein
schwarzes, verkohltes Loch im vorderen Winkel der Hütte mit einigen
Steinen eingefaßt, ohne Kamin oder Rauchleitung, stellt den Herd
dar. "Ein Versprechen hinter dem Herde" hier zu geben, wäre
nicht wohl möglich. Daneben steht ein senkrecht-aufgerichteter, oben
und unten eingezapfter und deshalb drehbarer Baum mit langem,
eisernem Arm, der sogenannte "Turner", an den der große "Milch¬
kessi" gehangen wird. Der Rauch mag sehen, wo er seinen Ausweg
findet, -- es steht ihm frei, zur Thür, oder durch die Dachklinsen,
oder durch die Ritzen zwischen dem Gebälk hinauszuschleichen. Darum
ist das Innere jeder Sennhütte auch wacker eingeräuchert. Ist die
Alpenluft rein, fein, dünn und wenig mit Wasser-Atomen gesättigt,
so werden die Dämpfe auffallend rasch konsumirt, so daß sie die
Respirations-Organe nicht sonderlich belästigen. Schneits und
regnets aber, so daß die Luft schwer aufs Dach drückt, dann ist
der ohnehin zughafte, kalte Aufenthalt in der Hütte des Rauches
halber fast kaum erträglich. Die weiteren Komforts für die aller¬
dringendsten täglichen Bedürfnisse sind: ein etwa 2 Fuß langer
Klapptisch, der in Angeln an der Wand befestiget der Raumersparniß
halber nach dem Gebrauch zurückgeschlagen werden kann; dann eine
Truhe in Form einer Bank längs der Wand, ein Holzklotz, der
die Dienste eines Sessels zugleich vertreten, und ein Napfenbrett,
das die Stelle eines Schrankes versehen muß, auf dem allerlei Ge¬
räthschaften, Brod und Kleidungsstücke aufbewahrt werden. Außerdem
hängt vielleicht eine Büchse im Winkel, wenn der Senn zugleich

Sennenleben in den Alpen.
darum auch dieſe Lokalität der „Weller“ (wo die Milch „erwellet“ oder
leicht aufgekocht wird) genannt. Unter dem Herd darf man ſich indeſſen
keine eigentliche kulinariſche Vorrichtung denken, etwa ſo, wie man
ſie in alten Bauernhäuſern findet mit umfangreichem Schlotfang; —
ſolche Weitläufigkeiten paſſen nicht zur Einfachheit der alpinen
Baukunſt. Etwa ſo, wie es, jugendſeligen Andenkens, der gute
Robinſon Cruſoe aus Noth einrichtete, arrangirt heutiges Tages
der Senn in den Schweizer Alpen ſeine Küchen-Vorkehrung; ein
ſchwarzes, verkohltes Loch im vorderen Winkel der Hütte mit einigen
Steinen eingefaßt, ohne Kamin oder Rauchleitung, ſtellt den Herd
dar. „Ein Verſprechen hinter dem Herde“ hier zu geben, wäre
nicht wohl möglich. Daneben ſteht ein ſenkrecht-aufgerichteter, oben
und unten eingezapfter und deshalb drehbarer Baum mit langem,
eiſernem Arm, der ſogenannte „Turner“, an den der große „Milch¬
keſſi“ gehangen wird. Der Rauch mag ſehen, wo er ſeinen Ausweg
findet, — es ſteht ihm frei, zur Thür, oder durch die Dachklinſen,
oder durch die Ritzen zwiſchen dem Gebälk hinauszuſchleichen. Darum
iſt das Innere jeder Sennhütte auch wacker eingeräuchert. Iſt die
Alpenluft rein, fein, dünn und wenig mit Waſſer-Atomen geſättigt,
ſo werden die Dämpfe auffallend raſch konſumirt, ſo daß ſie die
Reſpirations-Organe nicht ſonderlich beläſtigen. Schneits und
regnets aber, ſo daß die Luft ſchwer aufs Dach drückt, dann iſt
der ohnehin zughafte, kalte Aufenthalt in der Hütte des Rauches
halber faſt kaum erträglich. Die weiteren Komforts für die aller¬
dringendſten täglichen Bedürfniſſe ſind: ein etwa 2 Fuß langer
Klapptiſch, der in Angeln an der Wand befeſtiget der Raumerſparniß
halber nach dem Gebrauch zurückgeſchlagen werden kann; dann eine
Truhe in Form einer Bank längs der Wand, ein Holzklotz, der
die Dienſte eines Seſſels zugleich vertreten, und ein Napfenbrett,
das die Stelle eines Schrankes verſehen muß, auf dem allerlei Ge¬
räthſchaften, Brod und Kleidungsſtücke aufbewahrt werden. Außerdem
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[340/0378] Sennenleben in den Alpen. darum auch dieſe Lokalität der „Weller“ (wo die Milch „erwellet“ oder leicht aufgekocht wird) genannt. Unter dem Herd darf man ſich indeſſen keine eigentliche kulinariſche Vorrichtung denken, etwa ſo, wie man ſie in alten Bauernhäuſern findet mit umfangreichem Schlotfang; — ſolche Weitläufigkeiten paſſen nicht zur Einfachheit der alpinen Baukunſt. Etwa ſo, wie es, jugendſeligen Andenkens, der gute Robinſon Cruſoe aus Noth einrichtete, arrangirt heutiges Tages der Senn in den Schweizer Alpen ſeine Küchen-Vorkehrung; ein ſchwarzes, verkohltes Loch im vorderen Winkel der Hütte mit einigen Steinen eingefaßt, ohne Kamin oder Rauchleitung, ſtellt den Herd dar. „Ein Verſprechen hinter dem Herde“ hier zu geben, wäre nicht wohl möglich. Daneben ſteht ein ſenkrecht-aufgerichteter, oben und unten eingezapfter und deshalb drehbarer Baum mit langem, eiſernem Arm, der ſogenannte „Turner“, an den der große „Milch¬ keſſi“ gehangen wird. Der Rauch mag ſehen, wo er ſeinen Ausweg findet, — es ſteht ihm frei, zur Thür, oder durch die Dachklinſen, oder durch die Ritzen zwiſchen dem Gebälk hinauszuſchleichen. Darum iſt das Innere jeder Sennhütte auch wacker eingeräuchert. Iſt die Alpenluft rein, fein, dünn und wenig mit Waſſer-Atomen geſättigt, ſo werden die Dämpfe auffallend raſch konſumirt, ſo daß ſie die Reſpirations-Organe nicht ſonderlich beläſtigen. Schneits und regnets aber, ſo daß die Luft ſchwer aufs Dach drückt, dann iſt der ohnehin zughafte, kalte Aufenthalt in der Hütte des Rauches halber faſt kaum erträglich. Die weiteren Komforts für die aller¬ dringendſten täglichen Bedürfniſſe ſind: ein etwa 2 Fuß langer Klapptiſch, der in Angeln an der Wand befeſtiget der Raumerſparniß halber nach dem Gebrauch zurückgeſchlagen werden kann; dann eine Truhe in Form einer Bank längs der Wand, ein Holzklotz, der die Dienſte eines Seſſels zugleich vertreten, und ein Napfenbrett, das die Stelle eines Schrankes verſehen muß, auf dem allerlei Ge¬ räthſchaften, Brod und Kleidungsſtücke aufbewahrt werden. Außerdem hängt vielleicht eine Büchſe im Winkel, wenn der Senn zugleich

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/378>, abgerufen am 22.11.2024.