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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Granit.
dem Felsenufer der Wüste hinlaufend, noch heute als die riesigsten
Arbeiten menschlicher Kraft angestaunt werden, -- da griff der
kühne Bauherr zum granitischen Gestein und glaubte der zeitlichen
Hinfälligkeit alles von Menschenhand Geschaffenen ein Schnippchen
geschlagen zu haben. Ja, die früheren Forscher in den Natur¬
wissenschaften konstruirten vom Granit aus das Fundament unseres
Erdballes, sahen in ihm den Urgroßpapa, den Ahnherrn des ge¬
sammten Mineralreiches und nannten ihn naiverweise "Urgestein".
Und doch ist auch er nur ein Interpunktionszeichen in den Welt¬
schöpfungsperioden, ein unbedeutender Sekundenstrich auf dem
Zifferblatt der Ewigkeit, etwas "Gewordenes", das einst wieder
eben so in das All aufgelöst wird, wie es aus demselben hervorging.

Granit ist im Touristenverkehr, im Munde begeisterter Alpen¬
schwärmer ein großes, viel umfassendes Wort, ein unbewußt ge¬
brauchtes Nomen collectivum, unter dem der Laie Alles zusam¬
menfaßt, was ihm so scheint, als müsse es das berühmte Gestein
der Ehrensäulen und Triumphbogen sein. Es giebt viel intelli¬
gente Leute, die, wenn sie in den Alpen schwarz und weiß ge¬
sprenkelte Felsen sehen, diese rundweg für Granit halten; und
doch kommt in den Alpen verhältnißmäßig wenig eigentlicher
massiger Granit vor, -- wohl aber sehr viel granitisches Gestein.
Werden wir also zunächst klar darüber, was eigentlich Granit (von
granum, das Korn) sei, und lernen wir deshalb die Natur und
die Bestandtheile desselben ein wenig genauer kennen.

Granit und Gneis ist im Grunde genommen ein und dasselbe
Kompositum, ein aus den 3 Mineralspecies: Feldspath, Quarz und
Glimmer zusammengesetztes Gestein. Ist dasselbe körnig, massig¬
gemengt, so wird es "Granit" genannt; ists dagegen schieferig,
gestreift, läßt sich eine gewisse Schichtung darin erkennen, so heißt
es "Gneis".

Der Granit ist kein Konglomerat, kein durch mechanische
Bindemittel zusammengeleimtes Produkt ursprünglich verschieden¬

Granit.
dem Felſenufer der Wüſte hinlaufend, noch heute als die rieſigſten
Arbeiten menſchlicher Kraft angeſtaunt werden, — da griff der
kühne Bauherr zum granitiſchen Geſtein und glaubte der zeitlichen
Hinfälligkeit alles von Menſchenhand Geſchaffenen ein Schnippchen
geſchlagen zu haben. Ja, die früheren Forſcher in den Natur¬
wiſſenſchaften konſtruirten vom Granit aus das Fundament unſeres
Erdballes, ſahen in ihm den Urgroßpapa, den Ahnherrn des ge¬
ſammten Mineralreiches und nannten ihn naiverweiſe „Urgeſtein“.
Und doch iſt auch er nur ein Interpunktionszeichen in den Welt¬
ſchöpfungsperioden, ein unbedeutender Sekundenſtrich auf dem
Zifferblatt der Ewigkeit, etwas „Gewordenes“, das einſt wieder
eben ſo in das All aufgelöſt wird, wie es aus demſelben hervorging.

Granit iſt im Touriſtenverkehr, im Munde begeiſterter Alpen¬
ſchwärmer ein großes, viel umfaſſendes Wort, ein unbewußt ge¬
brauchtes Nomen collectivum, unter dem der Laie Alles zuſam¬
menfaßt, was ihm ſo ſcheint, als müſſe es das berühmte Geſtein
der Ehrenſäulen und Triumphbogen ſein. Es giebt viel intelli¬
gente Leute, die, wenn ſie in den Alpen ſchwarz und weiß ge¬
ſprenkelte Felſen ſehen, dieſe rundweg für Granit halten; und
doch kommt in den Alpen verhältnißmäßig wenig eigentlicher
maſſiger Granit vor, — wohl aber ſehr viel granitiſches Geſtein.
Werden wir alſo zunächſt klar darüber, was eigentlich Granit (von
granum, das Korn) ſei, und lernen wir deshalb die Natur und
die Beſtandtheile deſſelben ein wenig genauer kennen.

Granit und Gneis iſt im Grunde genommen ein und daſſelbe
Kompoſitum, ein aus den 3 Mineralſpecies: Feldſpath, Quarz und
Glimmer zuſammengeſetztes Geſtein. Iſt daſſelbe körnig, maſſig¬
gemengt, ſo wird es „Granit“ genannt; iſts dagegen ſchieferig,
geſtreift, läßt ſich eine gewiſſe Schichtung darin erkennen, ſo heißt
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Bindemittel zuſammengeleimtes Produkt urſprünglich verſchieden¬

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[20/0038] Granit. dem Felſenufer der Wüſte hinlaufend, noch heute als die rieſigſten Arbeiten menſchlicher Kraft angeſtaunt werden, — da griff der kühne Bauherr zum granitiſchen Geſtein und glaubte der zeitlichen Hinfälligkeit alles von Menſchenhand Geſchaffenen ein Schnippchen geſchlagen zu haben. Ja, die früheren Forſcher in den Natur¬ wiſſenſchaften konſtruirten vom Granit aus das Fundament unſeres Erdballes, ſahen in ihm den Urgroßpapa, den Ahnherrn des ge¬ ſammten Mineralreiches und nannten ihn naiverweiſe „Urgeſtein“. Und doch iſt auch er nur ein Interpunktionszeichen in den Welt¬ ſchöpfungsperioden, ein unbedeutender Sekundenſtrich auf dem Zifferblatt der Ewigkeit, etwas „Gewordenes“, das einſt wieder eben ſo in das All aufgelöſt wird, wie es aus demſelben hervorging. Granit iſt im Touriſtenverkehr, im Munde begeiſterter Alpen¬ ſchwärmer ein großes, viel umfaſſendes Wort, ein unbewußt ge¬ brauchtes Nomen collectivum, unter dem der Laie Alles zuſam¬ menfaßt, was ihm ſo ſcheint, als müſſe es das berühmte Geſtein der Ehrenſäulen und Triumphbogen ſein. Es giebt viel intelli¬ gente Leute, die, wenn ſie in den Alpen ſchwarz und weiß ge¬ ſprenkelte Felſen ſehen, dieſe rundweg für Granit halten; und doch kommt in den Alpen verhältnißmäßig wenig eigentlicher maſſiger Granit vor, — wohl aber ſehr viel granitiſches Geſtein. Werden wir alſo zunächſt klar darüber, was eigentlich Granit (von granum, das Korn) ſei, und lernen wir deshalb die Natur und die Beſtandtheile deſſelben ein wenig genauer kennen. Granit und Gneis iſt im Grunde genommen ein und daſſelbe Kompoſitum, ein aus den 3 Mineralſpecies: Feldſpath, Quarz und Glimmer zuſammengeſetztes Geſtein. Iſt daſſelbe körnig, maſſig¬ gemengt, ſo wird es „Granit“ genannt; iſts dagegen ſchieferig, geſtreift, läßt ſich eine gewiſſe Schichtung darin erkennen, ſo heißt es „Gneis“. Der Granit iſt kein Konglomerat, kein durch mechaniſche Bindemittel zuſammengeleimtes Produkt urſprünglich verſchieden¬

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/38>, abgerufen am 21.11.2024.