Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpstubete oder Aelplerfest. an frischem Geist und Gehalt, und bleicht zum blassen, mark- undkörperlosen Schemen ab! Schon müssen sinnenberauschendes Ge¬ pränge und eitler Tand jene Gemüths-Armuth und Blöße decken, die mit dem Ueberwuchern des Scheins, auch bei den Festen, wie eine böse Seuche immer schrecklicher um sich greift. Da tritt uns denn ein Aelplerfest in seiner ungesuchten Einfachheit, in seiner natürlich-sprudelnden Lust, als eine wohlthuende Erscheinung ent¬ gegen. Wie sich so Manches in Sitten und Gebräuchen noch rein und ungeschminkt beim Gebirgsvolke erhalten hat, gleich als ob der harte, feste Grund und Boden, auf dem es lebt, auch in sein Denken und Handeln übergegangen wäre, so sehen wir noch heute den kecken, muskelstrammen Burschen auf der Alp die Spiele üben, an denen sich die Aelterväter vor Jahrhunderten ergötzten und ihrer Zeit ein kräftiges und unerschrockenes Geschlecht gaben. Alpstubeten oder Dorfeten sind Hirtenfeste, die so alt sein Alpſtubete oder Aelplerfeſt. an friſchem Geiſt und Gehalt, und bleicht zum blaſſen, mark- undkörperloſen Schemen ab! Schon müſſen ſinnenberauſchendes Ge¬ pränge und eitler Tand jene Gemüths-Armuth und Blöße decken, die mit dem Ueberwuchern des Scheins, auch bei den Feſten, wie eine böſe Seuche immer ſchrecklicher um ſich greift. Da tritt uns denn ein Aelplerfeſt in ſeiner ungeſuchten Einfachheit, in ſeiner natürlich-ſprudelnden Luſt, als eine wohlthuende Erſcheinung ent¬ gegen. Wie ſich ſo Manches in Sitten und Gebräuchen noch rein und ungeſchminkt beim Gebirgsvolke erhalten hat, gleich als ob der harte, feſte Grund und Boden, auf dem es lebt, auch in ſein Denken und Handeln übergegangen wäre, ſo ſehen wir noch heute den kecken, muskelſtrammen Burſchen auf der Alp die Spiele üben, an denen ſich die Aelterväter vor Jahrhunderten ergötzten und ihrer Zeit ein kräftiges und unerſchrockenes Geſchlecht gaben. Alpſtubeten oder Dorfeten ſind Hirtenfeſte, die ſo alt ſein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0430" n="386"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Alpſtubete oder Aelplerfeſt</hi>.<lb/></fw> an friſchem Geiſt und Gehalt, und bleicht zum blaſſen, mark- und<lb/> körperloſen Schemen ab! Schon müſſen ſinnenberauſchendes Ge¬<lb/> pränge und eitler Tand jene Gemüths-Armuth und Blöße decken,<lb/> die mit dem Ueberwuchern des Scheins, auch bei den Feſten, wie<lb/> eine böſe Seuche immer ſchrecklicher um ſich greift. Da tritt uns<lb/> denn ein Aelplerfeſt in ſeiner ungeſuchten Einfachheit, in ſeiner<lb/> natürlich-ſprudelnden Luſt, als eine wohlthuende Erſcheinung ent¬<lb/> gegen. Wie ſich ſo Manches in Sitten und Gebräuchen noch rein<lb/> und ungeſchminkt beim Gebirgsvolke erhalten hat, gleich als ob<lb/> der harte, feſte Grund und Boden, auf dem es lebt, auch in ſein<lb/> Denken und Handeln übergegangen wäre, ſo ſehen wir noch heute<lb/> den kecken, muskelſtrammen Burſchen auf der Alp die Spiele üben,<lb/> an denen ſich die Aelterväter vor Jahrhunderten ergötzten und<lb/> ihrer Zeit ein kräftiges und unerſchrockenes Geſchlecht gaben.</p><lb/> <p>Alpſtubeten oder Dorfeten ſind Hirtenfeſte, die ſo alt ſein<lb/> mögen, als die Sennerei, die ſo lange beſtehen, als die Herden<lb/> zur Alp getrieben werden. Ihr Name iſt ebenſo naiv und an<lb/> die Anfänglichkeit der Zuſtände erinnernd, wie ihr Weſen und<lb/> Verlauf heute noch iſt. In jenen zerſtreuten Gebirgsdörfern, die<lb/> aus den allmähligen Anſiedelungen und Familien-Erweiterungen<lb/> entſtanden, die abſeit der großen Handelswege und Verkehrsſtraßen<lb/> lagen, gab es bis in die jüngſte Zeit, und giebts ſogar heute noch<lb/> in Savoyen, Wallis, Graubünden und Tyrol keine Wirthshäuſer<lb/> mit großen Lokalitäten. Die Alpenbauern kannten das Bedürfniß<lb/> nicht, zu einem ihrer Nachbarn zu gehen, um bei demſelben für<lb/> Geld zu zechen; Geld überhaupt kurſirt in manchen Bergdörfern<lb/> faſt das ganze Jahr nicht, weil Jeder ſelbſt erzeugt, was er für<lb/> ſein Haus bedarf. Wohl aber ſtellte ſich bei ihnen das Bedürfniß<lb/> geſelligen Lebens, freundnachbarlichen Beſuches zum Zweck der<lb/> Unterhaltung ein, und da es, wie geſagt, keine Geſellſchaftshäuſer<lb/> und kein Caſino in den Gebirgsorten giebt, ſo ging man in die Stube<lb/> des Anderen, und dieſe Viſite wurde eine „Stuberta“ genannt.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [386/0430]
Alpſtubete oder Aelplerfeſt.
an friſchem Geiſt und Gehalt, und bleicht zum blaſſen, mark- und
körperloſen Schemen ab! Schon müſſen ſinnenberauſchendes Ge¬
pränge und eitler Tand jene Gemüths-Armuth und Blöße decken,
die mit dem Ueberwuchern des Scheins, auch bei den Feſten, wie
eine böſe Seuche immer ſchrecklicher um ſich greift. Da tritt uns
denn ein Aelplerfeſt in ſeiner ungeſuchten Einfachheit, in ſeiner
natürlich-ſprudelnden Luſt, als eine wohlthuende Erſcheinung ent¬
gegen. Wie ſich ſo Manches in Sitten und Gebräuchen noch rein
und ungeſchminkt beim Gebirgsvolke erhalten hat, gleich als ob
der harte, feſte Grund und Boden, auf dem es lebt, auch in ſein
Denken und Handeln übergegangen wäre, ſo ſehen wir noch heute
den kecken, muskelſtrammen Burſchen auf der Alp die Spiele üben,
an denen ſich die Aelterväter vor Jahrhunderten ergötzten und
ihrer Zeit ein kräftiges und unerſchrockenes Geſchlecht gaben.
Alpſtubeten oder Dorfeten ſind Hirtenfeſte, die ſo alt ſein
mögen, als die Sennerei, die ſo lange beſtehen, als die Herden
zur Alp getrieben werden. Ihr Name iſt ebenſo naiv und an
die Anfänglichkeit der Zuſtände erinnernd, wie ihr Weſen und
Verlauf heute noch iſt. In jenen zerſtreuten Gebirgsdörfern, die
aus den allmähligen Anſiedelungen und Familien-Erweiterungen
entſtanden, die abſeit der großen Handelswege und Verkehrsſtraßen
lagen, gab es bis in die jüngſte Zeit, und giebts ſogar heute noch
in Savoyen, Wallis, Graubünden und Tyrol keine Wirthshäuſer
mit großen Lokalitäten. Die Alpenbauern kannten das Bedürfniß
nicht, zu einem ihrer Nachbarn zu gehen, um bei demſelben für
Geld zu zechen; Geld überhaupt kurſirt in manchen Bergdörfern
faſt das ganze Jahr nicht, weil Jeder ſelbſt erzeugt, was er für
ſein Haus bedarf. Wohl aber ſtellte ſich bei ihnen das Bedürfniß
geſelligen Lebens, freundnachbarlichen Beſuches zum Zweck der
Unterhaltung ein, und da es, wie geſagt, keine Geſellſchaftshäuſer
und kein Caſino in den Gebirgsorten giebt, ſo ging man in die Stube
des Anderen, und dieſe Viſite wurde eine „Stuberta“ genannt.
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