Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Granit. Fallen nicht irren! Ists doch nur um Einen Mann zu thun.Heute mögt Ihr freies Vaterland und freie Bünde retten. Werdet Ihr sieglos, bleibt den Kindern ewiges Joch!" Das sind Worte wie Granit und Urgestein; es ist, als ob von dem Charakter der Felsart etwas ins Blut des Volkes übergegangen wäre. -- Und dann die gewaltige Decemberschlacht von 1478 im Livinenthale bei Giornico, wo ein Hirtenhäuflein die zehnfach überlegenen Mailän¬ der unter dem Grafen Borelli aufrieb, daß ihr Blut den Schnee bis Bellinzona roth färbte; dann die Heldengräber der 3000 Eid¬ genossen bei Arbedo, die in dem Verzweiflungskampfe von 1422 der Uebermacht von 24,000 Lombarden erlagen; -- der Walliser doppelte Bluttaufe bei Ulrichen und auf der Grimsel um 1419, und viele andere Zeugnisse männlichen Muthes und kühner That, -- sind es nicht Erinnerungen, die sich ihr Denkmal mit Flam¬ menlettern für Menschengedenken auf die Felsentafeln dieser grani¬ tischen Kolosse niederschrieben? Uhland. Aber noch mehr erzählt uns der stumme Stein, von noch wei¬ Granit. Fallen nicht irren! Iſts doch nur um Einen Mann zu thun.Heute mögt Ihr freies Vaterland und freie Bünde retten. Werdet Ihr ſieglos, bleibt den Kindern ewiges Joch!“ Das ſind Worte wie Granit und Urgeſtein; es iſt, als ob von dem Charakter der Felsart etwas ins Blut des Volkes übergegangen wäre. — Und dann die gewaltige Decemberſchlacht von 1478 im Livinenthale bei Giornico, wo ein Hirtenhäuflein die zehnfach überlegenen Mailän¬ der unter dem Grafen Borelli aufrieb, daß ihr Blut den Schnee bis Bellinzona roth färbte; dann die Heldengräber der 3000 Eid¬ genoſſen bei Arbedo, die in dem Verzweiflungskampfe von 1422 der Uebermacht von 24,000 Lombarden erlagen; — der Walliſer doppelte Bluttaufe bei Ulrichen und auf der Grimſel um 1419, und viele andere Zeugniſſe männlichen Muthes und kühner That, — ſind es nicht Erinnerungen, die ſich ihr Denkmal mit Flam¬ menlettern für Menſchengedenken auf die Felſentafeln dieſer grani¬ tiſchen Koloſſe niederſchrieben? Uhland. Aber noch mehr erzählt uns der ſtumme Stein, von noch wei¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="26"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Granit</hi>.<lb/></fw> Fallen nicht irren! Iſts doch nur um Einen Mann zu thun.<lb/> Heute mögt Ihr freies Vaterland und freie Bünde retten. Werdet<lb/> Ihr ſieglos, bleibt den Kindern ewiges Joch!“ Das ſind Worte<lb/> wie Granit und Urgeſtein; es iſt, als ob von dem Charakter der<lb/> Felsart etwas ins Blut des Volkes übergegangen wäre. — Und<lb/> dann die gewaltige Decemberſchlacht von 1478 im Livinenthale bei<lb/> Giornico, wo ein Hirtenhäuflein die zehnfach überlegenen Mailän¬<lb/> der unter dem Grafen Borelli aufrieb, daß ihr Blut den Schnee<lb/> bis Bellinzona roth färbte; dann die Heldengräber der 3000 Eid¬<lb/> genoſſen bei Arbedo, die in dem Verzweiflungskampfe von 1422<lb/> der Uebermacht von 24,000 Lombarden erlagen; — der Walliſer<lb/> doppelte Bluttaufe bei Ulrichen und auf der Grimſel um 1419,<lb/> und viele andere Zeugniſſe männlichen Muthes und kühner That,<lb/> — ſind es nicht Erinnerungen, die ſich ihr Denkmal mit Flam¬<lb/> menlettern für Menſchengedenken auf die Felſentafeln dieſer grani¬<lb/> tiſchen Koloſſe niederſchrieben?</p><lb/> <cit> <quote> <lg type="poem"> <l>Iſt die Zeit auch hingeflogen,<lb/></l> <l>Die Erinn'rung weichet nie;<lb/></l> <l>Als ein lichter Regenbogen<lb/></l> <l>Steht auf trüben Wolken ſie.</l> </lg> </quote> <bibl> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Uhland</hi>.<lb/></hi> </bibl> </cit> <p>Aber noch mehr erzählt uns der ſtumme Stein, von noch wei¬<lb/> ter zurückliegenden Zeiten, von einer Epoche, in welcher die Alpen<lb/> ſchon, wie wir ſie heute ſehen, aufgerichtet daſtanden, in welcher<lb/> aber das menſchliche Geſchlecht noch nicht exiſtirte. Dieſe Ge¬<lb/> dächtnißſteine ſind die „<hi rendition="#g">Erratiſchen Blöcke</hi>.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0044]
Granit.
Fallen nicht irren! Iſts doch nur um Einen Mann zu thun.
Heute mögt Ihr freies Vaterland und freie Bünde retten. Werdet
Ihr ſieglos, bleibt den Kindern ewiges Joch!“ Das ſind Worte
wie Granit und Urgeſtein; es iſt, als ob von dem Charakter der
Felsart etwas ins Blut des Volkes übergegangen wäre. — Und
dann die gewaltige Decemberſchlacht von 1478 im Livinenthale bei
Giornico, wo ein Hirtenhäuflein die zehnfach überlegenen Mailän¬
der unter dem Grafen Borelli aufrieb, daß ihr Blut den Schnee
bis Bellinzona roth färbte; dann die Heldengräber der 3000 Eid¬
genoſſen bei Arbedo, die in dem Verzweiflungskampfe von 1422
der Uebermacht von 24,000 Lombarden erlagen; — der Walliſer
doppelte Bluttaufe bei Ulrichen und auf der Grimſel um 1419,
und viele andere Zeugniſſe männlichen Muthes und kühner That,
— ſind es nicht Erinnerungen, die ſich ihr Denkmal mit Flam¬
menlettern für Menſchengedenken auf die Felſentafeln dieſer grani¬
tiſchen Koloſſe niederſchrieben?
Iſt die Zeit auch hingeflogen,
Die Erinn'rung weichet nie;
Als ein lichter Regenbogen
Steht auf trüben Wolken ſie.
Uhland.
Aber noch mehr erzählt uns der ſtumme Stein, von noch wei¬
ter zurückliegenden Zeiten, von einer Epoche, in welcher die Alpen
ſchon, wie wir ſie heute ſehen, aufgerichtet daſtanden, in welcher
aber das menſchliche Geſchlecht noch nicht exiſtirte. Dieſe Ge¬
dächtnißſteine ſind die „Erratiſchen Blöcke.“
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