Menschen einen hitzigen, tobenden Poltron. Was aber regt heute, an einem Werktage diese Handvoll Leute so auf?
Die ganze Gemeinde von Cremaglia ist officiell beisammen. Gianella, der Holzspekulant von Comprovasco im Blenio-Thale, hat wieder einen großen Wald der Gemeinde abgekauft und giebt einen Trunk obendrein. Die Ratification des Kaufes wird soeben von der Municipalita ausgefertigt und die baare, klingende Kauf¬ summe für dieses veräußerte Gemeinde-Gut kommt nicht etwa in die Kasse des Patriciato, um daraus Straßen zu bauen, Schulen und Almosen-Bedürftige zu unterstützen, sondern die Vicini oder Gemeinde-Nachbarn vertheilen den Betrag unter sich, so daß ein Jeder mehrere hundert Lire bekommt. Darum sind heute die Con¬ federati, von Cremaglia so heiteren Humors.
Ein jeder ehrsame, deutsch-schweizerische Burger, der mit Stolz auf den "Gemeinde-Säckel" und das "Stockamt" blickt, der etwas auf den ökonomischen Stand seines Orts-Haushaltes giebt, oder ein jeder andere civilisirte Mensch, der überhaupt cultivirte Be¬ griffe von den geordneten Verhältnissen sorgsam-verwalteter Kom¬ munal-Güter hat, wird vor solch einer urgemüthlichen Handhabung der Verwendung von Genossame-Gütern zurückschrecken, -- der tessi¬ nische Bauer nicht. Er hat keinen Begriff von der Nothwendigkeit eines geregelten, staatlich-beaufsichtigten Forsthaushaltes. Seine Berge sind noch reich an Hochwäldern, wenigstens seiner Meinung nach, die ihn und seine Kindeskinder überdauern, -- und bis da¬ hin, wo Holznoth eintreten könnte, wachsen neue Waldungen an Stelle der abgeholzten. So räsonnirt der Bauer. Früher gabs allerdings meilengroße Forste, die seit Jahrhunderten unbenutzt geblieben waren. Als dann in der benachbarten Lombardei die Holzpreise stiegen, kamen italienische Spekulanten in die Schweiz, unterhandelten, kauften um Spottpreise, und ganze Gebirge wurden ihres kostbaren Schmuckes beraubt.
Jetzt soll auch wieder ein großer, schöner Hochwald, tief in
HolzſchlägerundFlößer.
Menſchen einen hitzigen, tobenden Poltron. Was aber regt heute, an einem Werktage dieſe Handvoll Leute ſo auf?
Die ganze Gemeinde von Cremaglia iſt officiell beiſammen. Gianella, der Holzſpekulant von Comprovasco im Blenio-Thale, hat wieder einen großen Wald der Gemeinde abgekauft und giebt einen Trunk obendrein. Die Ratification des Kaufes wird ſoeben von der Municipalità ausgefertigt und die baare, klingende Kauf¬ ſumme für dieſes veräußerte Gemeinde-Gut kommt nicht etwa in die Kaſſe des Patriciato, um daraus Straßen zu bauen, Schulen und Almoſen-Bedürftige zu unterſtützen, ſondern die Vicini oder Gemeinde-Nachbarn vertheilen den Betrag unter ſich, ſo daß ein Jeder mehrere hundert Lire bekommt. Darum ſind heute die Con¬ federati, von Cremaglia ſo heiteren Humors.
Ein jeder ehrſame, deutſch-ſchweizeriſche Burger, der mit Stolz auf den „Gemeinde-Säckel“ und das „Stockamt“ blickt, der etwas auf den ökonomiſchen Stand ſeines Orts-Haushaltes giebt, oder ein jeder andere civiliſirte Menſch, der überhaupt cultivirte Be¬ griffe von den geordneten Verhältniſſen ſorgſam-verwalteter Kom¬ munal-Güter hat, wird vor ſolch einer urgemüthlichen Handhabung der Verwendung von Genoſſame-Gütern zurückſchrecken, — der teſſi¬ niſche Bauer nicht. Er hat keinen Begriff von der Nothwendigkeit eines geregelten, ſtaatlich-beaufſichtigten Forſthaushaltes. Seine Berge ſind noch reich an Hochwäldern, wenigſtens ſeiner Meinung nach, die ihn und ſeine Kindeskinder überdauern, — und bis da¬ hin, wo Holznoth eintreten könnte, wachſen neue Waldungen an Stelle der abgeholzten. So räſonnirt der Bauer. Früher gabs allerdings meilengroße Forſte, die ſeit Jahrhunderten unbenutzt geblieben waren. Als dann in der benachbarten Lombardei die Holzpreiſe ſtiegen, kamen italieniſche Spekulanten in die Schweiz, unterhandelten, kauften um Spottpreiſe, und ganze Gebirge wurden ihres koſtbaren Schmuckes beraubt.
Jetzt ſoll auch wieder ein großer, ſchöner Hochwald, tief in
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Holzſchläger und Flößer.
Menſchen einen hitzigen, tobenden Poltron. Was aber regt heute,
an einem Werktage dieſe Handvoll Leute ſo auf?
Die ganze Gemeinde von Cremaglia iſt officiell beiſammen.
Gianella, der Holzſpekulant von Comprovasco im Blenio-Thale,
hat wieder einen großen Wald der Gemeinde abgekauft und giebt
einen Trunk obendrein. Die Ratification des Kaufes wird ſoeben
von der Municipalità ausgefertigt und die baare, klingende Kauf¬
ſumme für dieſes veräußerte Gemeinde-Gut kommt nicht etwa in
die Kaſſe des Patriciato, um daraus Straßen zu bauen, Schulen
und Almoſen-Bedürftige zu unterſtützen, ſondern die Vicini oder
Gemeinde-Nachbarn vertheilen den Betrag unter ſich, ſo daß ein
Jeder mehrere hundert Lire bekommt. Darum ſind heute die Con¬
federati, von Cremaglia ſo heiteren Humors.
Ein jeder ehrſame, deutſch-ſchweizeriſche Burger, der mit Stolz
auf den „Gemeinde-Säckel“ und das „Stockamt“ blickt, der etwas
auf den ökonomiſchen Stand ſeines Orts-Haushaltes giebt, oder
ein jeder andere civiliſirte Menſch, der überhaupt cultivirte Be¬
griffe von den geordneten Verhältniſſen ſorgſam-verwalteter Kom¬
munal-Güter hat, wird vor ſolch einer urgemüthlichen Handhabung
der Verwendung von Genoſſame-Gütern zurückſchrecken, — der teſſi¬
niſche Bauer nicht. Er hat keinen Begriff von der Nothwendigkeit
eines geregelten, ſtaatlich-beaufſichtigten Forſthaushaltes. Seine
Berge ſind noch reich an Hochwäldern, wenigſtens ſeiner Meinung
nach, die ihn und ſeine Kindeskinder überdauern, — und bis da¬
hin, wo Holznoth eintreten könnte, wachſen neue Waldungen an
Stelle der abgeholzten. So räſonnirt der Bauer. Früher gabs
allerdings meilengroße Forſte, die ſeit Jahrhunderten unbenutzt
geblieben waren. Als dann in der benachbarten Lombardei die
Holzpreiſe ſtiegen, kamen italieniſche Spekulanten in die Schweiz,
unterhandelten, kauften um Spottpreiſe, und ganze Gebirge wurden
ihres koſtbaren Schmuckes beraubt.
Jetzt ſoll auch wieder ein großer, ſchöner Hochwald, tief in
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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