Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Dorfleben im Gebirge. althergebrachten Wirthschafts-Betriebe der Urältern ab. Je nachihren Fähigkeiten und den ortsüblichen Beschäftigungen widmen sie sich entweder der Viehzucht, lernen die Märkte und den Handel kennen, und versuchen selbst ihr Glück, oder sie werden Flößer, Holzhacker, Wurzelgräber und im Sommer vielleicht Fremdenführer. Nur wenige Gegenden giebts, in denen, wie im Berner Oberlande, ein eigentlicher Fabrik-Erwerb und industrielle Thätigkeit Raum gewonnen haben. Der Aelpler hängt in seinen Lebensbedürfnissen weit weniger Berlepsch, die Alpen. 28
Dorfleben im Gebirge. althergebrachten Wirthſchafts-Betriebe der Urältern ab. Je nachihren Fähigkeiten und den ortsüblichen Beſchäftigungen widmen ſie ſich entweder der Viehzucht, lernen die Märkte und den Handel kennen, und verſuchen ſelbſt ihr Glück, oder ſie werden Flößer, Holzhacker, Wurzelgräber und im Sommer vielleicht Fremdenführer. Nur wenige Gegenden giebts, in denen, wie im Berner Oberlande, ein eigentlicher Fabrik-Erwerb und induſtrielle Thätigkeit Raum gewonnen haben. Der Aelpler hängt in ſeinen Lebensbedürfniſſen weit weniger Berlepſch, die Alpen. 28
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Dorfleben im Gebirge.
althergebrachten Wirthſchafts-Betriebe der Urältern ab. Je nach
ihren Fähigkeiten und den ortsüblichen Beſchäftigungen widmen ſie
ſich entweder der Viehzucht, lernen die Märkte und den Handel
kennen, und verſuchen ſelbſt ihr Glück, oder ſie werden Flößer,
Holzhacker, Wurzelgräber und im Sommer vielleicht Fremdenführer.
Nur wenige Gegenden giebts, in denen, wie im Berner Oberlande,
ein eigentlicher Fabrik-Erwerb und induſtrielle Thätigkeit Raum
gewonnen haben.
Der Aelpler hängt in ſeinen Lebensbedürfniſſen weit weniger
von fremder Hilfe und fremden Erzeugniſſen ab, als der Bauer
des Flachlandes. Fleiſch, Milch, Käſe und Butter liefert ihm der
Stall, rauhes ſchwarzes Brod geben ihm die ſelbſt gebauten Kör¬
nerfrüchte, und ſeine Körperbekleidung webt er ſelbſt. Es giebt
Familien in den Bergdörfern, die Monate lang nicht das kleinſte
Geldſtück für ihren Lebensunterhalt zur Hand zu nehmen brauchen.
Wirthshäuſer giebts in gar vielen Alpenthälern nicht, und wo den¬
noch ſolche exiſtiren, da ſind es mehr Sprech- als Zech-Häuſer.
Da ſitzen z. B. die Bauern des vom Spoel durchfloſſenen Livinen-
Thales oft Stunden lang im Wirthshauſe beiſammen, qualmen ihren
(zu öſterreichiſcher Zeit ausſchließlich gebräuchlichen) Regie-Tabak,
ohne einen Tropfen Wein oder Branntwein zu verzehren; dabei
aber ſchreien ſie ſo entſetzlich und disputiren beim Mora-Spiel ſo
fieberhaft aufgeregt, als ob ſie über und über berauſcht wären.
Solche freundnachbarliche Beſuche im Wirthshauſe, bei denen
durchaus nicht die Abſicht zu Grunde liegt, irgend etwas verzehren
zu wollen, kommen auch in den Alpendörfern deutſchredender Be¬
völkerung, mehr jedoch in denen der italieniſchen Alpen, vor. Es
iſt ein Akt der altgerühmten Gaſtfreundſchaft aller Gebirgsvölker;
die Einſamkeit und das Bedürfniß menſchlicher Geſellſchaft führt
ſie zuſammen, ohne daß Gaumen und Magen gewohnheitsgemäß
dabei ihren Tribut fordern. In jenen Thälern, in denen keine
Wirthshäuſer exiſtiren, iſt oft der Mann der Seelen-Pflege: der
Berlepſch, die Alpen. 28
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