Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Der Bannwald. Alpenbäume ist, weil es unter dem hindernden klimatischen Ein¬flusse langdauernder Winter viel langsamer wächst, auch viel der¬ ber, zäher, fester, härter, engere Jahresringe absetzend, als das des tiefliegenden, in fetter Dammerde wurzelnden, rasch wachsenden Waldes der Hügelregion oder des Flachlandes. Darum hat der Baum des Alpenwaldes nicht nur bei einem Alter, wo er drunten als schlagfähig und ausgewachsen angesehen wird, ein noch viel unausgebildeteres Aussehen, sondern sein Wuchs wird auch ge¬ drungener, trotziger, widerstandsfähiger, ohne deshalb, wenn er nach Jahrhunderten seine möglichste Größe erlangt hat, niedriger zu sein als die Tanne, Lärche und Kiefer des Tieflandes. Laub¬ holz kommt in den Waldungen der Hochwälder äußerst wenig vor; die einzigen Laubbäume, welche hin und wieder einige Verbrei¬ tung haben, sind der Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus L.) und die weißstämmige Birke (Betula alba), die bis 5000 Fuß ansteigen. Weiter hinauf, über die hier angegebenen Gränzen hin¬ aus, hört die Waldform auf, die Bäume bilden keine geschlossenen Bestände mehr, stehen zerstreut umher und gehen endlich in Zwerg¬ formen oder s. g. Knieholz über. Am Bedeutendsten ist das Leben der kleinsten und niedlichsten Der Bannwald. Alpenbäume iſt, weil es unter dem hindernden klimatiſchen Ein¬fluſſe langdauernder Winter viel langſamer wächſt, auch viel der¬ ber, zäher, feſter, härter, engere Jahresringe abſetzend, als das des tiefliegenden, in fetter Dammerde wurzelnden, raſch wachſenden Waldes der Hügelregion oder des Flachlandes. Darum hat der Baum des Alpenwaldes nicht nur bei einem Alter, wo er drunten als ſchlagfähig und ausgewachſen angeſehen wird, ein noch viel unausgebildeteres Ausſehen, ſondern ſein Wuchs wird auch ge¬ drungener, trotziger, widerſtandsfähiger, ohne deshalb, wenn er nach Jahrhunderten ſeine möglichſte Größe erlangt hat, niedriger zu ſein als die Tanne, Lärche und Kiefer des Tieflandes. Laub¬ holz kommt in den Waldungen der Hochwälder äußerſt wenig vor; die einzigen Laubbäume, welche hin und wieder einige Verbrei¬ tung haben, ſind der Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus L.) und die weißſtämmige Birke (Betula alba), die bis 5000 Fuß anſteigen. Weiter hinauf, über die hier angegebenen Gränzen hin¬ aus, hört die Waldform auf, die Bäume bilden keine geſchloſſenen Beſtände mehr, ſtehen zerſtreut umher und gehen endlich in Zwerg¬ formen oder ſ. g. Knieholz über. Am Bedeutendſten iſt das Leben der kleinſten und niedlichſten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Bannwald.</hi><lb/></fw>Alpenbäume iſt, weil es unter dem hindernden klimatiſchen Ein¬<lb/> fluſſe langdauernder Winter viel langſamer wächſt, auch viel der¬<lb/> ber, zäher, feſter, härter, engere Jahresringe abſetzend, als das des<lb/> tiefliegenden, in fetter Dammerde wurzelnden, raſch wachſenden<lb/> Waldes der Hügelregion oder des Flachlandes. Darum hat der<lb/> Baum des Alpenwaldes nicht nur bei einem Alter, wo er drunten<lb/> als ſchlagfähig und ausgewachſen angeſehen wird, ein noch viel<lb/> unausgebildeteres Ausſehen, ſondern ſein Wuchs wird auch ge¬<lb/> drungener, trotziger, widerſtandsfähiger, ohne deshalb, wenn er<lb/> nach Jahrhunderten ſeine möglichſte Größe erlangt hat, niedriger<lb/> zu ſein als die Tanne, Lärche und Kiefer des Tieflandes. 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Der Bannwald.
Alpenbäume iſt, weil es unter dem hindernden klimatiſchen Ein¬
fluſſe langdauernder Winter viel langſamer wächſt, auch viel der¬
ber, zäher, feſter, härter, engere Jahresringe abſetzend, als das des
tiefliegenden, in fetter Dammerde wurzelnden, raſch wachſenden
Waldes der Hügelregion oder des Flachlandes. Darum hat der
Baum des Alpenwaldes nicht nur bei einem Alter, wo er drunten
als ſchlagfähig und ausgewachſen angeſehen wird, ein noch viel
unausgebildeteres Ausſehen, ſondern ſein Wuchs wird auch ge¬
drungener, trotziger, widerſtandsfähiger, ohne deshalb, wenn er
nach Jahrhunderten ſeine möglichſte Größe erlangt hat, niedriger
zu ſein als die Tanne, Lärche und Kiefer des Tieflandes. Laub¬
holz kommt in den Waldungen der Hochwälder äußerſt wenig vor;
die einzigen Laubbäume, welche hin und wieder einige Verbrei¬
tung haben, ſind der Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus L.)
und die weißſtämmige Birke (Betula alba), die bis 5000 Fuß
anſteigen. Weiter hinauf, über die hier angegebenen Gränzen hin¬
aus, hört die Waldform auf, die Bäume bilden keine geſchloſſenen
Beſtände mehr, ſtehen zerſtreut umher und gehen endlich in Zwerg¬
formen oder ſ. g. Knieholz über.
Am Bedeutendſten iſt das Leben der kleinſten und niedlichſten
Pflanzenorganismen, der Laub- und Lebermooſe und der
Flechten in dieſen Wäldern entwickelt. Ganz beſonders reiche
Fundgruben erſchließen ſich dem Bryologen auf den granitiſchen
Centralknoten und Waſſerſcheiden der Alpenkette. Von der wu¬
chernden Fülle der oft mehr als Fuß hoch ſchwellenden Polſter,
welche die Mooſe am Boden große Strecken weit bilden, macht
man ſich kaum einen wahren Begriff. Alles überkleiden, um¬
ranken, beſpinnen ſie mit ihren reizenden, unendlich mannigfaltigen
Formen; ſie ſind gewiſſermaßen das mildernde, verwiſchende, aus¬
ſöhnende Element der Pflanzenwelt in dieſen finſteren Baumlaby¬
rinthen, unter deren weichen Umarmungen die Trümmer allmählig
dem Blicke entzogen werden und verſinken. Was der heißdampfende,
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