Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.stellung, welche er sich von der subjectiven Seite der Was den Ausdruck "Dysanagnosie" betrifft, so hat Warum sollen wir denn aber die Bezeichnungen *) l. c. S. 8. **) S. Griechisch-Deutsches Handwörterbuch von Pape. Bd. II,
S. 21. stellung, welche er sich von der subjectiven Seite der Was den Ausdruck „Dysanagnosie“ betrifft, so hat Warum sollen wir denn aber die Bezeichnungen *) l. c. S. 8. **) S. Griechisch-Deutsches Handwörterbuch von Pape. Bd. II,
S. 21. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="73"/> stellung, welche er sich von der subjectiven Seite der<lb/> in Rede stehenden Lesestörung macht, leicht dahin kommen,<lb/> das Symptom gar nicht zu bemerken, wie es gewiss in<lb/> manchen Fällen, angesichts seiner flüchtigen Natur, that-<lb/> sächlich übersehen worden ist.</p><lb/> <p>Was den Ausdruck „Dysanagnosie“ betrifft, so hat<lb/> schon <hi rendition="#g">Rabbas</hi><note place="foot" n="*)">l. c. S. 8.</note> darauf hingewiesen, dass das im<lb/> Griechischen für „lesen“ gebräuchliche Wort „᾽αναγιγνώςκω“<lb/> zu schwerfällig zur Bildung eines terminus technicus sei.<lb/> Ich schliesse mich dieser Ansicht vollkommen an. Wir<lb/> könnten auch nicht bei der Einführung des Wortes Dys-<lb/> anagnosie stehen bleiben, sondern müssten für Alexie und<lb/> Paralexie „Ananagnosie“ und „Paranagnosie“ vorschlagen.<lb/> Diese Ausdrücke sind aber nicht blos schwerfällig, sondern<lb/> sie haben für das Ohr des klassisch geschulten Philologen<lb/> einen nahezu barbarischen Klang.</p><lb/> <p>Warum sollen wir denn aber die Bezeichnungen<lb/> Alexie, Paralexie und Dyslexie nicht beibehalten? Weil λέγω<lb/> nicht „lesen“, sondern „sprechen“ heisst, ist der gleichlau-<lb/> tende Einwurf der Gegner. Einige meinen sogar, dass diese<lb/> Namen sogenannte voces hibridae seien, halb aus dem<lb/> Griechischen, halb aus dem Lateinischen stammend. Um<lb/> dies beurtheilen zu können, müssten wir vor allen Dingen<lb/> wissen, in welchem Sinne der Urheber des Wortes „Alexie“<lb/> dasselbe gebraucht hat. Es ist mir bis jetzt unmöglich<lb/> gewesen, dieses Beides herauszubringen. Aber müssen<lb/> wir denn durchaus annehmen, dass der Vater dieses Wortes<lb/> dasselbe in einem so fehlerhaften Sinne gebraucht hat?<lb/> Λέγω<note place="foot" n="**)">S. Griechisch-Deutsches Handwörterbuch von <hi rendition="#g">Pape.</hi> Bd. II,<lb/> S. 21.</note> heisst doch im Griechischen nicht blos „reden“<lb/> oder „sagen“, sondern auch „legen“ und es wird in der<lb/> klassischen Litteratur vielfach in der übertragenen Be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0077]
stellung, welche er sich von der subjectiven Seite der
in Rede stehenden Lesestörung macht, leicht dahin kommen,
das Symptom gar nicht zu bemerken, wie es gewiss in
manchen Fällen, angesichts seiner flüchtigen Natur, that-
sächlich übersehen worden ist.
Was den Ausdruck „Dysanagnosie“ betrifft, so hat
schon Rabbas *) darauf hingewiesen, dass das im
Griechischen für „lesen“ gebräuchliche Wort „᾽αναγιγνώςκω“
zu schwerfällig zur Bildung eines terminus technicus sei.
Ich schliesse mich dieser Ansicht vollkommen an. Wir
könnten auch nicht bei der Einführung des Wortes Dys-
anagnosie stehen bleiben, sondern müssten für Alexie und
Paralexie „Ananagnosie“ und „Paranagnosie“ vorschlagen.
Diese Ausdrücke sind aber nicht blos schwerfällig, sondern
sie haben für das Ohr des klassisch geschulten Philologen
einen nahezu barbarischen Klang.
Warum sollen wir denn aber die Bezeichnungen
Alexie, Paralexie und Dyslexie nicht beibehalten? Weil λέγω
nicht „lesen“, sondern „sprechen“ heisst, ist der gleichlau-
tende Einwurf der Gegner. Einige meinen sogar, dass diese
Namen sogenannte voces hibridae seien, halb aus dem
Griechischen, halb aus dem Lateinischen stammend. Um
dies beurtheilen zu können, müssten wir vor allen Dingen
wissen, in welchem Sinne der Urheber des Wortes „Alexie“
dasselbe gebraucht hat. Es ist mir bis jetzt unmöglich
gewesen, dieses Beides herauszubringen. Aber müssen
wir denn durchaus annehmen, dass der Vater dieses Wortes
dasselbe in einem so fehlerhaften Sinne gebraucht hat?
Λέγω **) heisst doch im Griechischen nicht blos „reden“
oder „sagen“, sondern auch „legen“ und es wird in der
klassischen Litteratur vielfach in der übertragenen Be-
*) l. c. S. 8.
**) S. Griechisch-Deutsches Handwörterbuch von Pape. Bd. II,
S. 21.
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