hatte, daß ich nicht in Primum Ordinem ge- kommen, war zufälliger Weise mein Glücke, auch vor einem großen Unglücke mich zu prae- serviren, in welches mich sonst die Gelegenheit leicht würde haben bringen können. Jch gieng denselben Sonnabend, da die Transloca- tion geschehen war, spatzieren, die Grillen zu vertreiben. Jch machte eine Tour nach Ti- sche zum Ziegel-Thor hinaus, das von dem Hause des Predigers nicht weit entfernet war, und gieng nach dem Ohlauischen Thore zu. Der große Durst, der mich ankam, veranlaßte mich, in das am Wege stehende Wirths-Haus hinein zu gehen, in willens, nur eine Kanne Bier zu trincken. Jch wuste nicht, daß die- ses die sogenannten eilff Breter wären; denn diese waren mir längst, als das ärgste Huren- Haus beschrieben worden. Proh Deum im- mortalem! Was habe ich da gesehen, und gehöret! Cur aliquid vidi, cur noxia lumina gessi? Wie frey redete man da von der Sünde! Wie gantz ein anders Systema hatten da die bö- sen Buben, als wir in dem Gymnasio! Die Wirthin war, wie die Welt; und wolte mich reitzen länger zu bleiben hier, und zeigte mir auch ihr liebes Guth, ihre Aufwärterin, und ihre Töchter, und alle ihre Zier, ermahnte mich, ich solte es ihnen zutrincken; alleine ich
achtete
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in ein Bordell,
hatte, daß ich nicht in Primum Ordinem ge- kommen, war zufaͤlliger Weiſe mein Gluͤcke, auch vor einem großen Ungluͤcke mich zu præ- ſerviren, in welches mich ſonſt die Gelegenheit leicht wuͤrde haben bringen koͤnnen. Jch gieng denſelben Sonnabend, da die Transloca- tion geſchehen war, ſpatzieren, die Grillen zu vertreiben. Jch machte eine Tour nach Ti- ſche zum Ziegel-Thor hinaus, das von dem Hauſe des Predigers nicht weit entfernet war, und gieng nach dem Ohlauiſchen Thore zu. Der große Durſt, der mich ankam, veranlaßte mich, in das am Wege ſtehende Wirths-Haus hinein zu gehen, in willens, nur eine Kanne Bier zu trincken. Jch wuſte nicht, daß die- ſes die ſogenannten eilff Breter waͤren; denn dieſe waren mir laͤngſt, als das aͤrgſte Huren- Haus beſchrieben worden. Proh Deum im- mortalem! Was habe ich da geſehen, und gehoͤret! Cur aliquid vidi, cur noxia lumina geſſi? Wie frey redete man da von der Suͤnde! Wie gantz ein anders Syſtema hatten da die boͤ- ſen Buben, als wir in dem Gymnaſio! Die Wirthin war, wie die Welt; und wolte mich reitzen laͤnger zu bleiben hier, und zeigte mir auch ihr liebes Guth, ihre Aufwaͤrterin, und ihre Toͤchter, und alle ihre Zier, ermahnte mich, ich ſolte es ihnen zutrincken; alleine ich
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in ein Bordell,
hatte, daß ich nicht in Primum Ordinem ge-
kommen, war zufaͤlliger Weiſe mein Gluͤcke,
auch vor einem großen Ungluͤcke mich zu præ-
ſerviren, in welches mich ſonſt die Gelegenheit
leicht wuͤrde haben bringen koͤnnen. Jch
gieng denſelben Sonnabend, da die Transloca-
tion geſchehen war, ſpatzieren, die Grillen zu
vertreiben. Jch machte eine Tour nach Ti-
ſche zum Ziegel-Thor hinaus, das von dem
Hauſe des Predigers nicht weit entfernet war,
und gieng nach dem Ohlauiſchen Thore zu.
Der große Durſt, der mich ankam, veranlaßte
mich, in das am Wege ſtehende Wirths-Haus
hinein zu gehen, in willens, nur eine Kanne
Bier zu trincken. Jch wuſte nicht, daß die-
ſes die ſogenannten eilff Breter waͤren; denn
dieſe waren mir laͤngſt, als das aͤrgſte Huren-
Haus beſchrieben worden. Proh Deum im-
mortalem! Was habe ich da geſehen, und
gehoͤret! Cur aliquid vidi, cur noxia lumina
geſſi? Wie frey redete man da von der Suͤnde!
Wie gantz ein anders Syſtema hatten da die boͤ-
ſen Buben, als wir in dem Gymnaſio! Die
Wirthin war, wie die Welt; und wolte mich
reitzen laͤnger zu bleiben hier, und zeigte mir
auch ihr liebes Guth, ihre Aufwaͤrterin, und
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/131>, abgerufen am 24.11.2024.
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