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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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die Treppe hinunter:
Chorales, und andere Jnwohner darinnen an-
zutreffen, die sich daselbst des Abends, wenn es
nicht Sommer ist, aufzuhalten pflegen. Nach-
dem ich aber daselbst niemanden angetroffen,
wurde ich irre, und meynte gäntzlich, ich wäre
schon im andern Stock, oder bey dem Primo
Ordine,
und lauffe springend, und voll gutes
Muthes nach der Treppe, so zu den Cammern
hinauf gehet, zu; weil ich aber bey Secundo
Ordine
noch war, so falle ich die gantze Treppe
hinunter, die ich herauf gekommen, und zu-
gleich in Ohnmacht, und schlafe drüber ein, und
bleibe liegen, bis die Chorales nach Hause kom-
men, und auf mich mit Füßen treten. Jch
konte mich käum besinnen, und erinnern dessen,
was mir begegnet war; es lieff mir auch das
Blut zu dem einem Ohre heraus, weil ich auf
dasselbe gefallen. Und was das übelste war,
so war es eben die Seite, und das Ohr, auf
welches ich vor 4. Jahren schon einmahl mit ei-
ner großen Bosel-Kugel war getroffen, und so
hart gestreiffet worden, daß ich als todt zur Er-
den sanck, und mir nicht anders war, als ob
mir der Kopff weggeschossen würde. Es solte
einer nach einem Kegel stechen, hob aber weit
über die Kegel weg: ich aber saß unter einem
Baume gegen über, dem Spiele zusehend, und
hatte Gedancken, die von Sterbens-Gedan-

cken

die Treppe hinunter:
Chorales, und andere Jnwohner darinnen an-
zutreffen, die ſich daſelbſt des Abends, wenn es
nicht Sommer iſt, aufzuhalten pflegen. Nach-
dem ich aber daſelbſt niemanden angetroffen,
wurde ich irre, und meynte gaͤntzlich, ich waͤre
ſchon im andern Stock, oder bey dem Primo
Ordine,
und lauffe ſpringend, und voll gutes
Muthes nach der Treppe, ſo zu den Cammern
hinauf gehet, zu; weil ich aber bey Secundo
Ordine
noch war, ſo falle ich die gantze Treppe
hinunter, die ich herauf gekommen, und zu-
gleich in Ohnmacht, und ſchlafe druͤber ein, und
bleibe liegen, bis die Chorales nach Hauſe kom-
men, und auf mich mit Fuͤßen treten. Jch
konte mich kaͤum beſinnen, und erinnern deſſen,
was mir begegnet war; es lieff mir auch das
Blut zu dem einem Ohre heraus, weil ich auf
daſſelbe gefallen. Und was das uͤbelſte war,
ſo war es eben die Seite, und das Ohr, auf
welches ich vor 4. Jahren ſchon einmahl mit ei-
ner großen Boſel-Kugel war getroffen, und ſo
hart geſtreiffet worden, daß ich als todt zur Er-
den ſanck, und mir nicht anders war, als ob
mir der Kopff weggeſchoſſen wuͤrde. Es ſolte
einer nach einem Kegel ſtechen, hob aber weit
uͤber die Kegel weg: ich aber ſaß unter einem
Baume gegen uͤber, dem Spiele zuſehend, und
hatte Gedancken, die von Sterbens-Gedan-

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[107/0153] die Treppe hinunter: Chorales, und andere Jnwohner darinnen an- zutreffen, die ſich daſelbſt des Abends, wenn es nicht Sommer iſt, aufzuhalten pflegen. Nach- dem ich aber daſelbſt niemanden angetroffen, wurde ich irre, und meynte gaͤntzlich, ich waͤre ſchon im andern Stock, oder bey dem Primo Ordine, und lauffe ſpringend, und voll gutes Muthes nach der Treppe, ſo zu den Cammern hinauf gehet, zu; weil ich aber bey Secundo Ordine noch war, ſo falle ich die gantze Treppe hinunter, die ich herauf gekommen, und zu- gleich in Ohnmacht, und ſchlafe druͤber ein, und bleibe liegen, bis die Chorales nach Hauſe kom- men, und auf mich mit Fuͤßen treten. Jch konte mich kaͤum beſinnen, und erinnern deſſen, was mir begegnet war; es lieff mir auch das Blut zu dem einem Ohre heraus, weil ich auf daſſelbe gefallen. Und was das uͤbelſte war, ſo war es eben die Seite, und das Ohr, auf welches ich vor 4. Jahren ſchon einmahl mit ei- ner großen Boſel-Kugel war getroffen, und ſo hart geſtreiffet worden, daß ich als todt zur Er- den ſanck, und mir nicht anders war, als ob mir der Kopff weggeſchoſſen wuͤrde. Es ſolte einer nach einem Kegel ſtechen, hob aber weit uͤber die Kegel weg: ich aber ſaß unter einem Baume gegen uͤber, dem Spiele zuſehend, und hatte Gedancken, die von Sterbens-Gedan- cken

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/153>, abgerufen am 21.11.2024.