Commilitonibus, so geschah es mit einem Her- tzen, das schwerer war, als die Kugel, die ich in Händen hatte, und schätzte die Mit-Schü- ler, welche auf eine viel ungezwungenere Weise, als ich, fröhlich waren, eben so glücklich, als die Gäste auf der Hochzeit meiner Schwester. Erwachte ich des Morgens, nachdem ich noch ziemlich geschlafen, so fieng mein Hertz schon wieder an zu pochen, und war mein Creutz alle Morgen da, und muste alsdann nur das Mar- ter-Holtz wieder auf mich nehmen, und mich den gantzen Tag damit schleppen. Die Gemüths-Plage hatte auch, allem Ansehen nach, meinen Leib, so gesund auch derselbe meinem Bedüncken nach war, verderbet, so daß ietzt die Melancholie auch einen Grund und Stütze in dem hitzig und dicken Geblüte, und in den ver- stopfften Visceribus fand, welche durch die an- haltende Angst waren verursachet worden. Das Ubel war auf den höchsten Grad gekommen, alß ich auf die letzt so gar den Appetit zum Es- sen verlohr, und ich den Leuten sagen solte, was mir fehlte, und iederman doch mehr eine Kranckheit des Gemüths, als des Leibes die Ur- sache dessen zu seyn vermuthete.
Da wurde mir wol recht bange; aber auch alsdenn war die Zeit, da GOTT nicht länger zusehen, sondern sich meiner erbarmen wolte.
So
eine zemliche Zeit anhielt:
Commilitonibus, ſo geſchah es mit einem Her- tzen, das ſchwerer war, als die Kugel, die ich in Haͤnden hatte, und ſchaͤtzte die Mit-Schuͤ- ler, welche auf eine viel ungezwungenere Weiſe, als ich, froͤhlich waren, eben ſo gluͤcklich, als die Gaͤſte auf der Hochzeit meiner Schweſter. Erwachte ich des Morgens, nachdem ich noch ziemlich geſchlafen, ſo fieng mein Hertz ſchon wieder an zu pochen, und war mein Creutz alle Morgen da, und muſte alsdann nur das Mar- ter-Holtz wieder auf mich nehmen, und mich den gantzen Tag damit ſchleppen. Die Gemuͤths-Plage hatte auch, allem Anſehen nach, meinen Leib, ſo geſund auch derſelbe meinem Beduͤncken nach war, verderbet, ſo daß ietzt die Melancholie auch einen Grund und Stuͤtze in dem hitzig und dicken Gebluͤte, und in den ver- ſtopfften Viſceribus fand, welche durch die an- haltende Angſt waren verurſachet worden. Das Ubel war auf den hoͤchſten Grad gekommen, alß ich auf die letzt ſo gar den Appetit zum Eſ- ſen verlohr, und ich den Leuten ſagen ſolte, was mir fehlte, und iederman doch mehr eine Kranckheit des Gemuͤths, als des Leibes die Ur- ſache deſſen zu ſeyn vermuthete.
Da wurde mir wol recht bange; aber auch alsdenn war die Zeit, da GOTT nicht laͤnger zuſehen, ſondern ſich meiner erbarmen wolte.
So
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eine zemliche Zeit anhielt:
Commilitonibus, ſo geſchah es mit einem Her-
tzen, das ſchwerer war, als die Kugel, die ich
in Haͤnden hatte, und ſchaͤtzte die Mit-Schuͤ-
ler, welche auf eine viel ungezwungenere Weiſe,
als ich, froͤhlich waren, eben ſo gluͤcklich, als
die Gaͤſte auf der Hochzeit meiner Schweſter.
Erwachte ich des Morgens, nachdem ich noch
ziemlich geſchlafen, ſo fieng mein Hertz ſchon
wieder an zu pochen, und war mein Creutz alle
Morgen da, und muſte alsdann nur das Mar-
ter-Holtz wieder auf mich nehmen, und mich
den gantzen Tag damit ſchleppen. Die
Gemuͤths-Plage hatte auch, allem Anſehen
nach, meinen Leib, ſo geſund auch derſelbe meinem
Beduͤncken nach war, verderbet, ſo daß ietzt die
Melancholie auch einen Grund und Stuͤtze in
dem hitzig und dicken Gebluͤte, und in den ver-
ſtopfften Viſceribus fand, welche durch die an-
haltende Angſt waren verurſachet worden. Das
Ubel war auf den hoͤchſten Grad gekommen,
alß ich auf die letzt ſo gar den Appetit zum Eſ-
ſen verlohr, und ich den Leuten ſagen ſolte, was
mir fehlte, und iederman doch mehr eine
Kranckheit des Gemuͤths, als des Leibes die Ur-
ſache deſſen zu ſeyn vermuthete.
Da wurde mir wol recht bange; aber auch
alsdenn war die Zeit, da GOTT nicht laͤnger
zuſehen, ſondern ſich meiner erbarmen wolte.
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/164>, abgerufen am 24.11.2024.
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