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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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so wagt er sich doch
niges, wo nicht gar nichts, geworden; doch ist es
vielleicht mein Glücke, daß mein Hertze niemahls
so groß als mein Verstand gewesen, weil ich viel-
leicht ohne Noth nur würde Turbas erreget ha-
ben. Jch merckte solche Furcht, und natürliche
Blödigkeit schon im 20. Jahre; und, da ich spüh-
rete, wie sie mir im Umgange mit andern, und
sonderlich vornehmen Leuten sehr hinderlich war,
so daß ich meine Person nicht so, wie ich wünschte,
agiren und recommendiren kunte; so betete ich
zu GOtt, daß er mir mehr Muth, und ein sol-
ches weites Hertz, wie Salomo gehabt, geben
möchte; da ich aber Senecae Brief las, in wel-
chem er weiset, daß die verecundia naturalis ein
malum incurabile, und ein unheilbares Ubel sey,
und einem Menschen Zeit seines Lebens anhange;
so ließ ich in dieser Sache allen Muth und Hoff-
nung sincken.

Jch war noch keine Meile von meines Va-
ters Hause bis in mein 22. Jahr weggekommen;
und doch hatte ich An. 1698. die Verwegenheit
eine Reise von 5. Meilen zu Fuße in einem Tage,
ja in einem Morgen zu wagen. Der Zoten-
berg in Schlesien ist bekannt: man kan densel-
ben im gantzen Lande sehen. Er liegt 5. kleine
Meilen von Breßlau; und, wenn ich zu mei-
nes Vaters Haus-Thüre hinaus sahe, so hatte
ich denselben in Augen. Wir konten ihn in

der
J 4

ſo wagt er ſich doch
niges, wo nicht gar nichts, geworden; doch iſt es
vielleicht mein Gluͤcke, daß mein Hertze niemahls
ſo groß als mein Verſtand geweſen, weil ich viel-
leicht ohne Noth nur wuͤrde Turbas erreget ha-
ben. Jch merckte ſolche Furcht, und natuͤrliche
Bloͤdigkeit ſchon im 20. Jahre; und, da ich ſpuͤh-
rete, wie ſie mir im Umgange mit andern, und
ſonderlich vornehmen Leuten ſehr hinderlich war,
ſo daß ich meine Perſon nicht ſo, wie ich wuͤnſchte,
agiren und recommendiren kunte; ſo betete ich
zu GOtt, daß er mir mehr Muth, und ein ſol-
ches weites Hertz, wie Salomo gehabt, geben
moͤchte; da ich aber Senecæ Brief las, in wel-
chem er weiſet, daß die verecundia naturalis ein
malum incurabile, und ein unheilbares Ubel ſey,
und einem Menſchen Zeit ſeines Lebens anhange;
ſo ließ ich in dieſer Sache allen Muth und Hoff-
nung ſincken.

Jch war noch keine Meile von meines Va-
ters Hauſe bis in mein 22. Jahr weggekommen;
und doch hatte ich An. 1698. die Verwegenheit
eine Reiſe von 5. Meilen zu Fuße in einem Tage,
ja in einem Morgen zu wagen. Der Zoten-
berg in Schleſien iſt bekannt: man kan denſel-
ben im gantzen Lande ſehen. Er liegt 5. kleine
Meilen von Breßlau; und, wenn ich zu mei-
nes Vaters Haus-Thuͤre hinaus ſahe, ſo hatte
ich denſelben in Augen. Wir konten ihn in

der
J 4
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[135/0181] ſo wagt er ſich doch niges, wo nicht gar nichts, geworden; doch iſt es vielleicht mein Gluͤcke, daß mein Hertze niemahls ſo groß als mein Verſtand geweſen, weil ich viel- leicht ohne Noth nur wuͤrde Turbas erreget ha- ben. Jch merckte ſolche Furcht, und natuͤrliche Bloͤdigkeit ſchon im 20. Jahre; und, da ich ſpuͤh- rete, wie ſie mir im Umgange mit andern, und ſonderlich vornehmen Leuten ſehr hinderlich war, ſo daß ich meine Perſon nicht ſo, wie ich wuͤnſchte, agiren und recommendiren kunte; ſo betete ich zu GOtt, daß er mir mehr Muth, und ein ſol- ches weites Hertz, wie Salomo gehabt, geben moͤchte; da ich aber Senecæ Brief las, in wel- chem er weiſet, daß die verecundia naturalis ein malum incurabile, und ein unheilbares Ubel ſey, und einem Menſchen Zeit ſeines Lebens anhange; ſo ließ ich in dieſer Sache allen Muth und Hoff- nung ſincken. Jch war noch keine Meile von meines Va- ters Hauſe bis in mein 22. Jahr weggekommen; und doch hatte ich An. 1698. die Verwegenheit eine Reiſe von 5. Meilen zu Fuße in einem Tage, ja in einem Morgen zu wagen. Der Zoten- berg in Schleſien iſt bekannt: man kan denſel- ben im gantzen Lande ſehen. Er liegt 5. kleine Meilen von Breßlau; und, wenn ich zu mei- nes Vaters Haus-Thuͤre hinaus ſahe, ſo hatte ich denſelben in Augen. Wir konten ihn in der J 4

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/181>, abgerufen am 21.11.2024.