sondern auch eine rechte wohlverdiente Züchti- gung von GOTT, ja eine poena Talionis, wo mir GOTT gleiches mit gleichem vergalt. Denn da ich aus Breßlau auszog, gab mir mein Bruder nebst andern guten Freunden das Ge- leite, bis anderthalb Meilen hinter Breßlau. Der Ort will mir ietzt nicht einfallen. Jch fuhr auf einem Wagen, und mein Bruder auf einem andern. Was geschicht? Sein Kut- scher will einen nähern Weg suchen, und eher, als wir, an Ort und Stelle kommen, fäh- ret aber irre, und gelanget erst zu Mittag um 4. Uhr bey uns an, so daß alles Valet-Essen und Trincken, und alle unsere eingebildete Lust zu Schanden wurde, indem der Leipzigische Kut- scher erst um 4. Uhr ankam, und also nicht lange warten, und sich aufhalten kunte. Jch ent- rüstete mich deshalben auf meinen Bruder auf eine so entsetzliche, und unchristliche Weise, so daß mich das Gewissen die gantze Reise mit unter ge- naget hat, und nirgends mehr, als da ich bey Bautzen selbst irre gieng, und GOttes Recht des Wiedergeltes fühlte, und das Wort meines Bruders eintraff, wenn er sprach: Wer weiß, wie dirs noch auf dem Wege gehet, du bist noch nicht in Leipzig. Doch halff mir GOTT aus aller Noth, und so sehr ich durch diesen Jrr-Weg, und durch den Durchfall, der
mich
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auf der Reiſe nach Leipzig:
ſondern auch eine rechte wohlverdiente Zuͤchti- gung von GOTT, ja eine pœna Talionis, wo mir GOTT gleiches mit gleichem vergalt. Denn da ich aus Breßlau auszog, gab mir mein Bruder nebſt andern guten Freunden das Ge- leite, bis anderthalb Meilen hinter Breßlau. Der Ort will mir ietzt nicht einfallen. Jch fuhr auf einem Wagen, und mein Bruder auf einem andern. Was geſchicht? Sein Kut- ſcher will einen naͤhern Weg ſuchen, und eher, als wir, an Ort und Stelle kommen, faͤh- ret aber irre, und gelanget erſt zu Mittag um 4. Uhr bey uns an, ſo daß alles Valet-Eſſen und Trincken, und alle unſere eingebildete Luſt zu Schanden wurde, indem der Leipzigiſche Kut- ſcher erſt um 4. Uhr ankam, und alſo nicht lange warten, und ſich aufhalten kunte. Jch ent- ruͤſtete mich deshalben auf meinen Bruder auf eine ſo entſetzliche, und unchriſtliche Weiſe, ſo daß mich das Gewiſſen die gantze Reiſe mit unter ge- naget hat, und nirgends mehr, als da ich bey Bautzen ſelbſt irre gieng, und GOttes Recht des Wiedergeltes fuͤhlte, und das Wort meines Bruders eintraff, wenn er ſprach: Wer weiß, wie dirs noch auf dem Wege gehet, du biſt noch nicht in Leipzig. Doch halff mir GOTT aus aller Noth, und ſo ſehr ich durch dieſen Jrr-Weg, und durch den Durchfall, der
mich
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auf der Reiſe nach Leipzig:
ſondern auch eine rechte wohlverdiente Zuͤchti-
gung von GOTT, ja eine pœna Talionis, wo
mir GOTT gleiches mit gleichem vergalt.
Denn da ich aus Breßlau auszog, gab mir mein
Bruder nebſt andern guten Freunden das Ge-
leite, bis anderthalb Meilen hinter Breßlau.
Der Ort will mir ietzt nicht einfallen. Jch
fuhr auf einem Wagen, und mein Bruder auf
einem andern. Was geſchicht? Sein Kut-
ſcher will einen naͤhern Weg ſuchen, und
eher, als wir, an Ort und Stelle kommen, faͤh-
ret aber irre, und gelanget erſt zu Mittag um
4. Uhr bey uns an, ſo daß alles Valet-Eſſen und
Trincken, und alle unſere eingebildete Luſt zu
Schanden wurde, indem der Leipzigiſche Kut-
ſcher erſt um 4. Uhr ankam, und alſo nicht lange
warten, und ſich aufhalten kunte. Jch ent-
ruͤſtete mich deshalben auf meinen Bruder auf
eine ſo entſetzliche, und unchriſtliche Weiſe, ſo daß
mich das Gewiſſen die gantze Reiſe mit unter ge-
naget hat, und nirgends mehr, als da ich bey
Bautzen ſelbſt irre gieng, und GOttes Recht
des Wiedergeltes fuͤhlte, und das Wort meines
Bruders eintraff, wenn er ſprach: Wer weiß,
wie dirs noch auf dem Wege gehet, du
biſt noch nicht in Leipzig. Doch halff mir
GOTT aus aller Noth, und ſo ſehr ich durch
dieſen Jrr-Weg, und durch den Durchfall, der
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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