können, als daß er ein trockener Vogel war, so jung er auch noch war, und manchmal Dinge redete, darüber man sich in die Zunge beissen muste, wo man nicht laut lachen wolte. Und doch band er mir solchen bey seinem Abzug aus Leipzig auf die Seele, und ließ seinetwegen so viel bewegliche Bitten an mich abgehen, wenn er gleich sein Sohn gewesen wäre. Jch, und andere gute Freunde begleiteten diesen Herrn Wachtel bis in Kohl-Garten zu Fuße, allwo er den Kutscher erwarten wolte. Dieser Wit- tich gieng auch mit, und weinete hinter uns, und seinem Herrn her, wie ein einiger Sohn, der hinter dem Sarge seines Vaters einher gehet, und ihn mit viel tausend Thränen zu Grabe be- gleitet. Sein Weinen verwandelte sich in ein rechtes Heulen, alß der Kutscher an, und sein Herr dem Abschiede näher kam. Jch redete ihm zu, er solte sich zufrieden geben, er würde an mir einen andern Wachtel haben. Auch die andern, so mit uns waren, und die mein Gemüthe gar wohl kennten, bemüheten sich ihn zu trösten; aber er wolte sich nicht trösten lassen, sondern that, als ob alles mit ihm aus, und er nun der unglückseligste Mensch auf Erden werden würde. Wir kamen endlich wieder zurücke nach Hause; und, sobald ich in den folgenden Tagen meine Information, und er seine Famulatur angetreten,
so meyn-
welcher ungehorſam,
koͤnnen, als daß er ein trockener Vogel war, ſo jung er auch noch war, und manchmal Dinge redete, daruͤber man ſich in die Zunge beiſſen muſte, wo man nicht laut lachen wolte. Und doch band er mir ſolchen bey ſeinem Abzug aus Leipzig auf die Seele, und ließ ſeinetwegen ſo viel bewegliche Bitten an mich abgehen, wenn er gleich ſein Sohn geweſen waͤre. Jch, und andere gute Freunde begleiteten dieſen Herrn Wachtel bis in Kohl-Garten zu Fuße, allwo er den Kutſcher erwarten wolte. Dieſer Wit- tich gieng auch mit, und weinete hinter uns, und ſeinem Herrn her, wie ein einiger Sohn, der hinter dem Sarge ſeines Vaters einher gehet, und ihn mit viel tauſend Thraͤnen zu Grabe be- gleitet. Sein Weinen verwandelte ſich in ein rechtes Heulen, alß der Kutſcher an, und ſein Herr dem Abſchiede naͤher kam. Jch redete ihm zu, er ſolte ſich zufrieden geben, er wuͤrde an mir einen andern Wachtel haben. Auch die andern, ſo mit uns waren, und die mein Gemuͤthe gar wohl kennten, bemuͤheten ſich ihn zu troͤſten; aber er wolte ſich nicht troͤſten laſſen, ſondern that, als ob alles mit ihm aus, und er nun der ungluͤckſeligſte Menſch auf Erden werden wuͤrde. Wir kamen endlich wieder zuruͤcke nach Hauſe; und, ſobald ich in den folgenden Tagen meine Information, und er ſeine Famulatur angetreten,
ſo meyn-
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welcher ungehorſam,
koͤnnen, als daß er ein trockener Vogel war, ſo
jung er auch noch war, und manchmal Dinge
redete, daruͤber man ſich in die Zunge beiſſen
muſte, wo man nicht laut lachen wolte. Und
doch band er mir ſolchen bey ſeinem Abzug aus
Leipzig auf die Seele, und ließ ſeinetwegen ſo
viel bewegliche Bitten an mich abgehen, wenn
er gleich ſein Sohn geweſen waͤre. Jch, und
andere gute Freunde begleiteten dieſen Herrn
Wachtel bis in Kohl-Garten zu Fuße, allwo er
den Kutſcher erwarten wolte. Dieſer Wit-
tich gieng auch mit, und weinete hinter uns, und
ſeinem Herrn her, wie ein einiger Sohn, der
hinter dem Sarge ſeines Vaters einher gehet,
und ihn mit viel tauſend Thraͤnen zu Grabe be-
gleitet. Sein Weinen verwandelte ſich in ein
rechtes Heulen, alß der Kutſcher an, und ſein
Herr dem Abſchiede naͤher kam. Jch redete
ihm zu, er ſolte ſich zufrieden geben, er wuͤrde
an mir einen andern Wachtel haben. Auch die
andern, ſo mit uns waren, und die mein Gemuͤthe
gar wohl kennten, bemuͤheten ſich ihn zu troͤſten;
aber er wolte ſich nicht troͤſten laſſen, ſondern
that, als ob alles mit ihm aus, und er nun der
ungluͤckſeligſte Menſch auf Erden werden wuͤrde.
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und, ſobald ich in den folgenden Tagen meine
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/240>, abgerufen am 18.12.2024.
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