kunten, wie ich zur Oster-Zeit auf dieses Thema fallen können. Auch der ietzige Herr Hof- Rath Wolff, der denselben Dienstag Abends, als mein guter Freund, mich besuchte, und in der Predigt gewesen war, wunderte sich, war- um ich doch diese Materie erwehlet; ich verbarg aber vor ihm mein innerlich Anliegen, so viel ich kunte, so erhärmlich, und miserable ich ihm auch im Gesichte vorkam. Die Noth lehrte mich in solchem Zustande mehr, als sonst, beten; wie denn noch die Gebete und Lieder zum Andencken auf behalten, welche ich dazumahl auf alle Tage der Woche Morgens, und Abends gesprochen, und gesungen. Jch lieff in der Angst in alle Predigten, und Beth-Stunden, vor meine Seele Ruhe zu suchen, und hörte auch offt aus GOttes Wort solche Stellen, die recht schienen, als ob sie vor mich ausgelesen, und angeführet worden wären, und als ob es ein Trieb GOttes gewesen, der mich praecise in diese, oder jene Predigt oder Beth-Stunde lauffen geheissen. Wo ich irgends in einem Buchladen ein geistlich Buch ohngefehr in die Hände bekam, fand ich bald etwas beym ersten aufschlagen, was sich vor meinen Zustand schickte. Jch habe noch Era- smi Enchiridion militis Christiani unter meinen Büchern, das ich zu derselben Zeit bey einem Buchhändler, der mit gebundenen Büchern
han-
P 2
von ſeltſamen Jnhalt:
kunten, wie ich zur Oſter-Zeit auf dieſes Thema fallen koͤnnen. Auch der ietzige Herr Hof- Rath Wolff, der denſelben Dienſtag Abends, als mein guter Freund, mich beſuchte, und in der Predigt geweſen war, wunderte ſich, war- um ich doch dieſe Materie erwehlet; ich verbarg aber vor ihm mein innerlich Anliegen, ſo viel ich kunte, ſo erhaͤrmlich, und miſerable ich ihm auch im Geſichte vorkam. Die Noth lehrte mich in ſolchem Zuſtande mehr, als ſonſt, beten; wie denn noch die Gebete und Lieder zum Andencken auf behalten, welche ich dazumahl auf alle Tage der Woche Morgens, und Abends geſprochen, und geſungen. Jch lieff in der Angſt in alle Predigten, und Beth-Stunden, vor meine Seele Ruhe zu ſuchen, und hoͤrte auch offt aus GOttes Wort ſolche Stellen, die recht ſchienen, als ob ſie vor mich ausgeleſen, und angefuͤhret worden waͤren, und als ob es ein Trieb GOttes geweſen, der mich præciſe in dieſe, oder jene Predigt oder Beth-Stunde lauffen geheiſſen. Wo ich irgends in einem Buchladen ein geiſtlich Buch ohngefehr in die Haͤnde bekam, fand ich bald etwas beym erſten aufſchlagen, was ſich vor meinen Zuſtand ſchickte. Jch habe noch Era- ſmi Enchiridion militis Chriſtiani unter meinen Buͤchern, das ich zu derſelben Zeit bey einem Buchhaͤndler, der mit gebundenen Buͤchern
han-
P 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="227"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von ſeltſamen Jnhalt:</hi></fw><lb/>
kunten, wie ich zur Oſter-Zeit auf dieſes <hirendition="#aq">Thema</hi><lb/>
fallen koͤnnen. Auch der ietzige <hirendition="#fr">Herr Hof-<lb/>
Rath Wolff,</hi> der denſelben Dienſtag Abends,<lb/>
als mein guter Freund, mich beſuchte, und in<lb/>
der Predigt geweſen war, wunderte ſich, war-<lb/>
um ich doch dieſe <hirendition="#aq">Materie</hi> erwehlet; ich verbarg<lb/>
aber vor ihm mein innerlich Anliegen, ſo viel ich<lb/>
kunte, ſo erhaͤrmlich, und <hirendition="#aq">miſerable</hi> ich ihm auch<lb/>
im Geſichte vorkam. Die Noth lehrte mich<lb/>
in ſolchem Zuſtande mehr, als ſonſt, beten; wie<lb/>
denn noch die Gebete und Lieder zum Andencken<lb/>
auf behalten, welche ich dazumahl auf alle Tage<lb/>
der Woche Morgens, und Abends geſprochen,<lb/>
und geſungen. Jch lieff in der Angſt in alle<lb/>
Predigten, und Beth-Stunden, vor meine<lb/>
Seele Ruhe zu ſuchen, und hoͤrte auch offt aus<lb/>
GOttes Wort ſolche Stellen, die recht ſchienen,<lb/>
als ob ſie vor mich ausgeleſen, und angefuͤhret<lb/>
worden waͤren, und als ob es ein Trieb GOttes<lb/>
geweſen, der mich <hirendition="#aq">præciſe</hi> in <hirendition="#fr">dieſe,</hi> oder jene<lb/>
Predigt oder Beth-Stunde lauffen geheiſſen.<lb/>
Wo ich irgends in einem Buchladen ein geiſtlich<lb/>
Buch ohngefehr in die Haͤnde bekam, fand ich<lb/>
bald etwas beym erſten aufſchlagen, was ſich vor<lb/>
meinen Zuſtand ſchickte. Jch habe noch <hirendition="#aq">Era-<lb/>ſmi Enchiridion militis Chriſtiani</hi> unter meinen<lb/>
Buͤchern, das ich zu derſelben Zeit bey einem<lb/>
Buchhaͤndler, der mit gebundenen Buͤchern<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#b">P 2</hi></fw><fwplace="bottom"type="catch">han-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[227/0273]
von ſeltſamen Jnhalt:
kunten, wie ich zur Oſter-Zeit auf dieſes Thema
fallen koͤnnen. Auch der ietzige Herr Hof-
Rath Wolff, der denſelben Dienſtag Abends,
als mein guter Freund, mich beſuchte, und in
der Predigt geweſen war, wunderte ſich, war-
um ich doch dieſe Materie erwehlet; ich verbarg
aber vor ihm mein innerlich Anliegen, ſo viel ich
kunte, ſo erhaͤrmlich, und miſerable ich ihm auch
im Geſichte vorkam. Die Noth lehrte mich
in ſolchem Zuſtande mehr, als ſonſt, beten; wie
denn noch die Gebete und Lieder zum Andencken
auf behalten, welche ich dazumahl auf alle Tage
der Woche Morgens, und Abends geſprochen,
und geſungen. Jch lieff in der Angſt in alle
Predigten, und Beth-Stunden, vor meine
Seele Ruhe zu ſuchen, und hoͤrte auch offt aus
GOttes Wort ſolche Stellen, die recht ſchienen,
als ob ſie vor mich ausgeleſen, und angefuͤhret
worden waͤren, und als ob es ein Trieb GOttes
geweſen, der mich præciſe in dieſe, oder jene
Predigt oder Beth-Stunde lauffen geheiſſen.
Wo ich irgends in einem Buchladen ein geiſtlich
Buch ohngefehr in die Haͤnde bekam, fand ich
bald etwas beym erſten aufſchlagen, was ſich vor
meinen Zuſtand ſchickte. Jch habe noch Era-
ſmi Enchiridion militis Chriſtiani unter meinen
Buͤchern, das ich zu derſelben Zeit bey einem
Buchhaͤndler, der mit gebundenen Buͤchern
han-
P 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/273>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.