angekommen. Du kanst bereits aus dem, was ich dir erzehlet habe, schliessen, daß diese Plage, die ich empfunden, und welche über viel tausend Menschen schon in der Welt ergangen ist, nicht eine solche Versuchung gewesen, wie diejenige ist, die ich ietzt beschrieben, und wie diejenige ist, da einer z. E. Lust, Neigung, und Begierde zum Steh- len bekommt, aus Furcht aber wider GOtt zu sündigen, oder der Obrigkeit nicht in die Hände zu gerathen, und nicht in Strafe zu verfallen, die That des Diebstahls noch unterläst; oder auch wohl, weder nach GOtt noch nach Menschen zu fragen, seinen Diebes-Lüsten nachwandelt, und seinen Vorsatz vollziehet. Bey dergleichen Leuten, die das erfahren, was ich erfahren, ist keine Lust, noch Neigung, noch Begierde, noch Vorsatz sich selbst ein Leid anzuthun; sondern sie bekommen in großer Hitze des Hauptes, und in Angst des Hertzens schnelle ein Bild im Ge- müthe von dergleichem Tode, so daß sie nicht nur diesen Tod verabscheuen, sondern auch die gröste Furcht haben, daß solcher nur nicht erfolgen möchte.
Man findet von dieser Gemüths-Plage we- nig in Büchern. So viel, als ich Scribenten von Anfechtungen gelesen, so habe ich keinen an- getroffen, als den eintzigen Brunchorst, der in seinem Buche von geistlichen Anfechtungen,
und
eine weitlaͤufftige
angekommen. Du kanſt bereits aus dem, was ich dir erzehlet habe, ſchlieſſen, daß dieſe Plage, die ich empfunden, und welche uͤber viel tauſend Menſchen ſchon in der Welt ergangen iſt, nicht eine ſolche Verſuchung geweſen, wie diejenige iſt, die ich ietzt beſchrieben, und wie diejenige iſt, da einer z. E. Luſt, Neigung, und Begierde zum Steh- len bekommt, aus Furcht aber wider GOtt zu ſuͤndigen, oder der Obrigkeit nicht in die Haͤnde zu gerathen, und nicht in Strafe zu verfallen, die That des Diebſtahls noch unterlaͤſt; oder auch wohl, weder nach GOtt noch nach Menſchen zu fragen, ſeinen Diebes-Luͤſten nachwandelt, und ſeinen Vorſatz vollziehet. Bey dergleichen Leuten, die das erfahren, was ich erfahren, iſt keine Luſt, noch Neigung, noch Begierde, noch Vorſatz ſich ſelbſt ein Leid anzuthun; ſondern ſie bekommen in großer Hitze des Hauptes, und in Angſt des Hertzens ſchnelle ein Bild im Ge- muͤthe von dergleichem Tode, ſo daß ſie nicht nur dieſen Tod verabſcheuen, ſondern auch die groͤſte Furcht haben, daß ſolcher nur nicht erfolgen moͤchte.
Man findet von dieſer Gemuͤths-Plage we- nig in Buͤchern. So viel, als ich Scribenten von Anfechtungen geleſen, ſo habe ich keinen an- getroffen, als den eintzigen Brunchorſt, der in ſeinem Buche von geiſtlichen Anfechtungen,
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eine weitlaͤufftige
angekommen. Du kanſt bereits aus dem, was
ich dir erzehlet habe, ſchlieſſen, daß dieſe Plage,
die ich empfunden, und welche uͤber viel tauſend
Menſchen ſchon in der Welt ergangen iſt, nicht
eine ſolche Verſuchung geweſen, wie diejenige iſt,
die ich ietzt beſchrieben, und wie diejenige iſt, da
einer z. E. Luſt, Neigung, und Begierde zum Steh-
len bekommt, aus Furcht aber wider GOtt zu
ſuͤndigen, oder der Obrigkeit nicht in die Haͤnde
zu gerathen, und nicht in Strafe zu verfallen,
die That des Diebſtahls noch unterlaͤſt; oder auch
wohl, weder nach GOtt noch nach Menſchen zu
fragen, ſeinen Diebes-Luͤſten nachwandelt, und
ſeinen Vorſatz vollziehet. Bey dergleichen
Leuten, die das erfahren, was ich erfahren, iſt
keine Luſt, noch Neigung, noch Begierde, noch
Vorſatz ſich ſelbſt ein Leid anzuthun; ſondern
ſie bekommen in großer Hitze des Hauptes, und
in Angſt des Hertzens ſchnelle ein Bild im Ge-
muͤthe von dergleichem Tode, ſo daß ſie nicht nur
dieſen Tod verabſcheuen, ſondern auch die groͤſte
Furcht haben, daß ſolcher nur nicht erfolgen
moͤchte.
Man findet von dieſer Gemuͤths-Plage we-
nig in Buͤchern. So viel, als ich Scribenten
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und
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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