Kranckheit der Pest alsdann zuwege bringet? Jst aber meine Furcht nur auf ein gewisses Glied im Leibe gerichtet, ita ut isti tantum membro aliquod malum metuam, so daß ich in Furchten stehe, diesem Gliede werde ein ge- wiß Ubel begegnen; so krieg ich im Gehirne allemahl zwey Bilder auf einmahl, so der See- len vorkommen: das Bild des Ubels, und das Bild des Gliedes, vor welches ich das Ubel befürchte. Krafft der Furcht ziehen sich die Lebens-Geister in Menge zu dem Gliede hin, solches zu erhalten; wo aber die Lebens- Geister verderbt, und mit schädlichen gifftigen Säfften angesteckt sind, so werden sie, weil sie die böse Beschaffenheit mit in das böse Glied einführen, an statt, daß sie das Glied stärcken, und erhalten solten, solches vielmehr nach dem Ubel bilden, was man gefürchtet, und die Kranckheit in dasselbe einführen, welche man besorgte.
Anno 1680, wie hier die Pest war, gehet ein Mann spät auf der Gasse, unachtsam, und ohne sich umzusehen; Ehe er sichs versiehet, so ist eine Pest-Leiche hinter ihm, die sie zum Thore hinaus tragen. Er kan ihr nicht so geschwinde ausweichen, sondern stößet mit dem Fuße an eine Stange, oder an das Rad, ich weiß es selbst nicht eigen mehr, an. Vorm Pest-Wagen
erschre-
in welcher gezeiget wird,
Kranckheit der Peſt alsdann zuwege bringet? Jſt aber meine Furcht nur auf ein gewiſſes Glied im Leibe gerichtet, ita ut iſti tantum membro aliquod malum metuam, ſo daß ich in Furchten ſtehe, dieſem Gliede werde ein ge- wiß Ubel begegnen; ſo krieg ich im Gehirne allemahl zwey Bilder auf einmahl, ſo der See- len vorkommen: das Bild des Ubels, und das Bild des Gliedes, vor welches ich das Ubel befuͤrchte. Krafft der Furcht ziehen ſich die Lebens-Geiſter in Menge zu dem Gliede hin, ſolches zu erhalten; wo aber die Lebens- Geiſter verderbt, und mit ſchaͤdlichen gifftigen Saͤfften angeſteckt ſind, ſo werden ſie, weil ſie die boͤſe Beſchaffenheit mit in das boͤſe Glied einfuͤhren, an ſtatt, daß ſie das Glied ſtaͤrcken, und erhalten ſolten, ſolches vielmehr nach dem Ubel bilden, was man gefuͤrchtet, und die Kranckheit in daſſelbe einfuͤhren, welche man beſorgte.
Anno 1680, wie hier die Peſt war, gehet ein Mann ſpaͤt auf der Gaſſe, unachtſam, und ohne ſich umzuſehen; Ehe er ſichs verſiehet, ſo iſt eine Peſt-Leiche hinter ihm, die ſie zum Thore hinaus tragen. Er kan ihr nicht ſo geſchwinde ausweichen, ſondern ſtoͤßet mit dem Fuße an eine Stange, oder an das Rad, ich weiß es ſelbſt nicht eigen mehr, an. Vorm Peſt-Wagen
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in welcher gezeiget wird,
Kranckheit der Peſt alsdann zuwege bringet?
Jſt aber meine Furcht nur auf ein gewiſſes
Glied im Leibe gerichtet, ita ut iſti tantum
membro aliquod malum metuam, ſo daß ich
in Furchten ſtehe, dieſem Gliede werde ein ge-
wiß Ubel begegnen; ſo krieg ich im Gehirne
allemahl zwey Bilder auf einmahl, ſo der See-
len vorkommen: das Bild des Ubels, und
das Bild des Gliedes, vor welches ich das
Ubel befuͤrchte. Krafft der Furcht ziehen ſich
die Lebens-Geiſter in Menge zu dem Gliede
hin, ſolches zu erhalten; wo aber die Lebens-
Geiſter verderbt, und mit ſchaͤdlichen gifftigen
Saͤfften angeſteckt ſind, ſo werden ſie, weil ſie
die boͤſe Beſchaffenheit mit in das boͤſe Glied
einfuͤhren, an ſtatt, daß ſie das Glied ſtaͤrcken,
und erhalten ſolten, ſolches vielmehr nach dem
Ubel bilden, was man gefuͤrchtet, und die
Kranckheit in daſſelbe einfuͤhren, welche man
beſorgte.
Anno 1680, wie hier die Peſt war, gehet
ein Mann ſpaͤt auf der Gaſſe, unachtſam, und
ohne ſich umzuſehen; Ehe er ſichs verſiehet, ſo
iſt eine Peſt-Leiche hinter ihm, die ſie zum Thore
hinaus tragen. Er kan ihr nicht ſo geſchwinde
ausweichen, ſondern ſtoͤßet mit dem Fuße an eine
Stange, oder an das Rad, ich weiß es ſelbſt
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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