auch ohne Zorn, und nur mit einem starcken sim- plici Noluntate und Unwillen von der Seite bey Tische weg scheuchen, und abhalten wolte, so wurde mir schon übel; so daß ich ihn ja nicht schnelle, sondern gantz sachte, und säuberlich mit der Hand von mir thun muste. Und wenn ich in Schulen, die ich zu besuchen hatte, mich gegen einen Knaben, den ich mit Worten be- straffen muste, im Gesichte nur böse anstellen, und thun wolte, als ob ich böse wäre; siehe, so machte mein Magen, oder mein Schleim im Leibe, Ernst, und wurde mir so übel, daß ich mich setzen muste, und kaum auf der Gassen gehen kunte, und kaum wuste, wie ich wegen Alteration nach Hause kommen solte. Das viele warme Wasser-Gesäuffe schwächt auch sehr die Nerven und Fibren im Leibe, und derselben Tonum; dannenhero einst der Herr Geheime Rath Gundling geurtheilet, die Menschen wä- ren recht thöricht, daß sie so viel heiß Wasser hinein- söffen, es müsse sie solches nothwendig mehr schwä- chen, als stärcken. Denn wenn man einem Schweine viele heiße Brühe zu sauffen gäbe, so wäre es eine bekannte Sache, daß die Gedärme hernach nicht hielten, sondern zerrissen, wenn der Fleischer Würste machen wolte. Dem sey, wie ihm wolle, es kömmt auf die Zeit, und das Maaß solcher Geträncke, und andere Umstände mehr
an;
worfuͤr ſie ſich
auch ohne Zorn, und nur mit einem ſtarcken ſim- plici Noluntate und Unwillen von der Seite bey Tiſche weg ſcheuchen, und abhalten wolte, ſo wurde mir ſchon uͤbel; ſo daß ich ihn ja nicht ſchnelle, ſondern gantz ſachte, und ſaͤuberlich mit der Hand von mir thun muſte. Und wenn ich in Schulen, die ich zu beſuchen hatte, mich gegen einen Knaben, den ich mit Worten be- ſtraffen muſte, im Geſichte nur boͤſe anſtellen, und thun wolte, als ob ich boͤſe waͤre; ſiehe, ſo machte mein Magen, oder mein Schleim im Leibe, Ernſt, und wurde mir ſo uͤbel, daß ich mich ſetzen muſte, und kaum auf der Gaſſen gehen kunte, und kaum wuſte, wie ich wegen Alteration nach Hauſe kommen ſolte. Das viele warme Waſſer-Geſaͤuffe ſchwaͤcht auch ſehr die Nerven und Fibren im Leibe, und derſelben Tonum; dannenhero einſt der Herr Geheime Rath Gundling geurtheilet, die Menſchen waͤ- ren recht thoͤricht, daß ſie ſo viel heiß Waſſer hinein- ſoͤffen, es muͤſſe ſie ſolches nothwendig mehr ſchwaͤ- chen, als ſtaͤrcken. Denn wenn man einem Schweine viele heiße Bruͤhe zu ſauffen gaͤbe, ſo waͤre es eine bekannte Sache, daß die Gedaͤrme hernach nicht hielten, ſondern zerriſſen, wenn der Fleiſcher Wuͤrſte machen wolte. Dem ſey, wie ihm wolle, es koͤmmt auf die Zeit, und das Maaß ſolcher Getraͤncke, und andere Umſtaͤnde mehr
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worfuͤr ſie ſich
auch ohne Zorn, und nur mit einem ſtarcken ſim-
plici Noluntate und Unwillen von der Seite
bey Tiſche weg ſcheuchen, und abhalten wolte,
ſo wurde mir ſchon uͤbel; ſo daß ich ihn ja nicht
ſchnelle, ſondern gantz ſachte, und ſaͤuberlich mit
der Hand von mir thun muſte. Und wenn
ich in Schulen, die ich zu beſuchen hatte, mich
gegen einen Knaben, den ich mit Worten be-
ſtraffen muſte, im Geſichte nur boͤſe anſtellen,
und thun wolte, als ob ich boͤſe waͤre; ſiehe,
ſo machte mein Magen, oder mein Schleim
im Leibe, Ernſt, und wurde mir ſo uͤbel, daß
ich mich ſetzen muſte, und kaum auf der Gaſſen
gehen kunte, und kaum wuſte, wie ich wegen
Alteration nach Hauſe kommen ſolte. Das
viele warme Waſſer-Geſaͤuffe ſchwaͤcht auch ſehr
die Nerven und Fibren im Leibe, und derſelben
Tonum; dannenhero einſt der Herr Geheime
Rath Gundling geurtheilet, die Menſchen waͤ-
ren recht thoͤricht, daß ſie ſo viel heiß Waſſer hinein-
ſoͤffen, es muͤſſe ſie ſolches nothwendig mehr ſchwaͤ-
chen, als ſtaͤrcken. Denn wenn man einem Schweine
viele heiße Bruͤhe zu ſauffen gaͤbe, ſo waͤre es eine
bekannte Sache, daß die Gedaͤrme hernach nicht
hielten, ſondern zerriſſen, wenn der Fleiſcher
Wuͤrſte machen wolte. Dem ſey, wie ihm
wolle, es koͤmmt auf die Zeit, und das Maaß
ſolcher Getraͤncke, und andere Umſtaͤnde mehr
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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