große Theologus Richard Baxter, wenn er an einem Orte in seinen Schrifften von dergleichen Leuten handelt, erkennet solches auch. Er spricht, es sey unmöglich, und wider alle menschliche Natur, daß ein Mensch mit Ver- stande das thue, wovor er die gröste Furcht hat, daß ers thun möchte, so daß er sich lieber mit Zangen würde zerreißen laßen, als mit Wissen Hand an sich selbst legen. Da es nun dem ungeachtet gleichwol zuweilen geschiehet, wie wir oben gesaget; so mögen wir sicher schlies- sen, daß diese Leute, ehe sie zur That schreiten, entweder aus Ubereilung des lebendigen Bildes, so sie im Gehirne hatten, sich schnelle anfallen, dergleichen mit einem Messer geschehen kan, oder wo nicht allemahl gantz, doch in gewissen Stücken, und großen Theils, ihres Verstandes beraubet werden.
Und nicht wunder, daß sie in solchem Zu- stande um ihren gesunden Verstand kommen. Die große Furcht, die sie plagt, die schlaflosen Nächte, so damit verknüpfft sind, und der schwache Kopff, so darauf folget, sind kräfftig genug, die Lebens-Geister in Unordnung zu bringen, und einem Menschen seinen Verstand zu benehmen. Wenn dieses geschiehet, so percipirt der Mensch nicht mehr recht; er sieht und hört, was nicht mehr gegenwärtig ist;
woraus
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nach dem Bilde wuͤrcken,
große Theologus Richard Baxter, wenn er an einem Orte in ſeinen Schrifften von dergleichen Leuten handelt, erkennet ſolches auch. Er ſpricht, es ſey unmoͤglich, und wider alle menſchliche Natur, daß ein Menſch mit Ver- ſtande das thue, wovor er die groͤſte Furcht hat, daß ers thun moͤchte, ſo daß er ſich lieber mit Zangen wuͤrde zerreißen laßen, als mit Wiſſen Hand an ſich ſelbſt legen. Da es nun dem ungeachtet gleichwol zuweilen geſchiehet, wie wir oben geſaget; ſo moͤgen wir ſicher ſchlieſ- ſen, daß dieſe Leute, ehe ſie zur That ſchreiten, entweder aus Ubereilung des lebendigen Bildes, ſo ſie im Gehirne hatten, ſich ſchnelle anfallen, dergleichen mit einem Meſſer geſchehen kan, oder wo nicht allemahl gantz, doch in gewiſſen Stuͤcken, und großen Theils, ihres Verſtandes beraubet werden.
Und nicht wunder, daß ſie in ſolchem Zu- ſtande um ihren geſunden Verſtand kommen. Die große Furcht, die ſie plagt, die ſchlafloſen Naͤchte, ſo damit verknuͤpfft ſind, und der ſchwache Kopff, ſo darauf folget, ſind kraͤfftig genug, die Lebens-Geiſter in Unordnung zu bringen, und einem Menſchen ſeinen Verſtand zu benehmen. Wenn dieſes geſchiehet, ſo percipirt der Menſch nicht mehr recht; er ſieht und hoͤrt, was nicht mehr gegenwaͤrtig iſt;
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nach dem Bilde wuͤrcken,
große Theologus Richard Baxter, wenn er an
einem Orte in ſeinen Schrifften von dergleichen
Leuten handelt, erkennet ſolches auch. Er
ſpricht, es ſey unmoͤglich, und wider alle
menſchliche Natur, daß ein Menſch mit Ver-
ſtande das thue, wovor er die groͤſte Furcht hat,
daß ers thun moͤchte, ſo daß er ſich lieber mit
Zangen wuͤrde zerreißen laßen, als mit Wiſſen
Hand an ſich ſelbſt legen. Da es nun dem
ungeachtet gleichwol zuweilen geſchiehet, wie
wir oben geſaget; ſo moͤgen wir ſicher ſchlieſ-
ſen, daß dieſe Leute, ehe ſie zur That ſchreiten,
entweder aus Ubereilung des lebendigen Bildes,
ſo ſie im Gehirne hatten, ſich ſchnelle anfallen,
dergleichen mit einem Meſſer geſchehen kan,
oder wo nicht allemahl gantz, doch in gewiſſen
Stuͤcken, und großen Theils, ihres Verſtandes
beraubet werden.
Und nicht wunder, daß ſie in ſolchem Zu-
ſtande um ihren geſunden Verſtand kommen.
Die große Furcht, die ſie plagt, die ſchlafloſen
Naͤchte, ſo damit verknuͤpfft ſind, und der
ſchwache Kopff, ſo darauf folget, ſind kraͤfftig
genug, die Lebens-Geiſter in Unordnung zu
bringen, und einem Menſchen ſeinen Verſtand
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percipirt der Menſch nicht mehr recht; er ſieht
und hoͤrt, was nicht mehr gegenwaͤrtig iſt;
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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