solche Ubel so sehr zu Gemüthe gezogen, und sey zu solchen traurigen Entschließungen dadurch veranlaßet worden. Allein das ist noch lange nicht genug, zu beweisen, daß ein solcher Mensch hernach mit Wissen und Willen, und mit völ- ligem Verstande zu dieser That geschritten. Es kan seyn, daß ein solcher Mensch aus Liebe der zeitlichen Glückseligkeit, in Furcht, Sorge, Angst, und Bangigkeit gesetzt, und dadurch, wenn sein Hertze beklemmt, und sein Kopff heiß worden, das schreckliche Bild vom Selbst- Mord, wie wir oben gezeiget, ohne Vermu- then und ohne Willen in seinem Haupte erwe- cket worden; welches hernach ihn gemartert und gequählet, durch schlaflose Nächte die Le- bens-Geister ermüdet, und sie in eine gäntzli- che Verwirrung gebracht, so daß er hernach ohne Verstand, dessen Beraubung nicht allemahl successive, und mit mähligem geschiehet, das gethan, wovor er sich am allermeisten gefürch- tet. Ja er kan auch Alters wegen, oder we- gen anderer Ursachen einen so schwachen Leib, und schwache Lebens-Geister gehabt haben, so daß er auch keine mäßige Furcht, Zorn, und Sorge, die wegen Furcht, seine Ehre und Gü- ther zu verliehren, bey ihm entstanden, vertra- gen können; die er sonst, wenn er noch den vorigen starcken Leib und Gemüth gehabt hätte,
den
und Vorſatz umbringen,
ſolche Ubel ſo ſehr zu Gemuͤthe gezogen, und ſey zu ſolchen traurigen Entſchließungen dadurch veranlaßet worden. Allein das iſt noch lange nicht genug, zu beweiſen, daß ein ſolcher Menſch hernach mit Wiſſen und Willen, und mit voͤl- ligem Verſtande zu dieſer That geſchritten. Es kan ſeyn, daß ein ſolcher Menſch aus Liebe der zeitlichen Gluͤckſeligkeit, in Furcht, Sorge, Angſt, und Bangigkeit geſetzt, und dadurch, wenn ſein Hertze beklemmt, und ſein Kopff heiß worden, das ſchreckliche Bild vom Selbſt- Mord, wie wir oben gezeiget, ohne Vermu- then und ohne Willen in ſeinem Haupte erwe- cket worden; welches hernach ihn gemartert und gequaͤhlet, durch ſchlafloſe Naͤchte die Le- bens-Geiſter ermuͤdet, und ſie in eine gaͤntzli- che Verwirrung gebracht, ſo daß er hernach ohne Verſtand, deſſen Beraubung nicht allemahl ſucceſſive, und mit maͤhligem geſchiehet, das gethan, wovor er ſich am allermeiſten gefuͤrch- tet. Ja er kan auch Alters wegen, oder we- gen anderer Urſachen einen ſo ſchwachen Leib, und ſchwache Lebens-Geiſter gehabt haben, ſo daß er auch keine maͤßige Furcht, Zorn, und Sorge, die wegen Furcht, ſeine Ehre und Guͤ- ther zu verliehren, bey ihm entſtanden, vertra- gen koͤnnen; die er ſonſt, wenn er noch den vorigen ſtarcken Leib und Gemuͤth gehabt haͤtte,
den
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und Vorſatz umbringen,
ſolche Ubel ſo ſehr zu Gemuͤthe gezogen, und
ſey zu ſolchen traurigen Entſchließungen dadurch
veranlaßet worden. Allein das iſt noch lange
nicht genug, zu beweiſen, daß ein ſolcher Menſch
hernach mit Wiſſen und Willen, und mit voͤl-
ligem Verſtande zu dieſer That geſchritten.
Es kan ſeyn, daß ein ſolcher Menſch aus Liebe
der zeitlichen Gluͤckſeligkeit, in Furcht, Sorge,
Angſt, und Bangigkeit geſetzt, und dadurch,
wenn ſein Hertze beklemmt, und ſein Kopff heiß
worden, das ſchreckliche Bild vom Selbſt-
Mord, wie wir oben gezeiget, ohne Vermu-
then und ohne Willen in ſeinem Haupte erwe-
cket worden; welches hernach ihn gemartert
und gequaͤhlet, durch ſchlafloſe Naͤchte die Le-
bens-Geiſter ermuͤdet, und ſie in eine gaͤntzli-
che Verwirrung gebracht, ſo daß er hernach
ohne Verſtand, deſſen Beraubung nicht allemahl
ſucceſſive, und mit maͤhligem geſchiehet, das
gethan, wovor er ſich am allermeiſten gefuͤrch-
tet. Ja er kan auch Alters wegen, oder we-
gen anderer Urſachen einen ſo ſchwachen Leib,
und ſchwache Lebens-Geiſter gehabt haben, ſo
daß er auch keine maͤßige Furcht, Zorn, und
Sorge, die wegen Furcht, ſeine Ehre und Guͤ-
ther zu verliehren, bey ihm entſtanden, vertra-
gen koͤnnen; die er ſonſt, wenn er noch den
vorigen ſtarcken Leib und Gemuͤth gehabt haͤtte,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/409>, abgerufen am 21.11.2024.
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