derselben arbeitete. Jch besuchte sie in Kindes- Nöthen, und tröstete sie, weil sie auf Päbsti- schem Gebiethe wohnte, und kein Lutherischer Prediger zu ihr durffte. Die Weh-Mutter schien mir bey diesem Casu nicht genug erfahren, und geschickt zu seyn; deshalben rieth ich, sie solten einen Doctorem Medicinae aus der Stadt zu Rathe ziehen, und zu Hülffe nehmen, welches sie sich auch gefallen liessen. Nun war dazu- mahl einer in Breßlau sehr berühmt, mit Na- men D. Winckler. Er hatte bey solchen schwe- ren Fällen gute Proben bereits abgeleget, so daß man ihn zu einem Accoucheur hätte machen können. Mein Bruder fiel auf ihn, als der von ihm an Augen, und auch an einer andern ge- fährlichen Kranckheit war curiret worden. Jch stieß mich zwar an fein Leben; denn er war einst bey einem Frauenzimmer in flagranti, wie die Rede gieng, angetroffen worden, und die Schwieger-El- tern hatten ihm deshalben ihr Kind, und Tochter wieder genommen. Das kränckte ihn sehr. Erfand zwar großen Trost in den Worten der heil. Schrifft, daß es gut sey einem Manne, daß er das Joch in seiner Jugend trage; allein mein Bru- der sagte: Ja, ja, es ist wohl wahr; aber, wie denn, Herr Doctor, wenn ein Mann das Joch sich selbst aufleget, und eine Ruthe sich auf seinen eigenen Rücken bindet? Doch ließ ich
mir
ſeiner Schweſter betruͤbet,
derſelben arbeitete. Jch beſuchte ſie in Kindes- Noͤthen, und troͤſtete ſie, weil ſie auf Paͤbſti- ſchem Gebiethe wohnte, und kein Lutheriſcher Prediger zu ihr durffte. Die Weh-Mutter ſchien mir bey dieſem Caſu nicht genug erfahren, und geſchickt zu ſeyn; deshalben rieth ich, ſie ſolten einen Doctorem Medicinæ aus der Stadt zu Rathe ziehen, und zu Huͤlffe nehmen, welches ſie ſich auch gefallen lieſſen. Nun war dazu- mahl einer in Breßlau ſehr beruͤhmt, mit Na- men D. Winckler. Er hatte bey ſolchen ſchwe- ren Faͤllen gute Proben bereits abgeleget, ſo daß man ihn zu einem Accoucheur haͤtte machen koͤnnen. Mein Bruder fiel auf ihn, als der von ihm an Augen, und auch an einer andern ge- faͤhrlichen Kranckheit war curiret worden. Jch ſtieß mich zwar an fein Leben; denn er war einſt bey einem Frauenzimmer in flagranti, wie die Rede gieng, angetroffen worden, und die Schwieger-El- tern hatten ihm deshalben ihr Kind, und Tochter wieder genommen. Das kraͤnckte ihn ſehr. Erfand zwar großen Troſt in den Worten der heil. Schrifft, daß es gut ſey einem Manne, daß er das Joch in ſeiner Jugend trage; allein mein Bru- der ſagte: Ja, ja, es iſt wohl wahr; aber, wie denn, Herr Doctor, wenn ein Mann das Joch ſich ſelbſt aufleget, und eine Ruthe ſich auf ſeinen eigenen Ruͤcken bindet? Doch ließ ich
mir
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ſeiner Schweſter betruͤbet,
derſelben arbeitete. Jch beſuchte ſie in Kindes-
Noͤthen, und troͤſtete ſie, weil ſie auf Paͤbſti-
ſchem Gebiethe wohnte, und kein Lutheriſcher
Prediger zu ihr durffte. Die Weh-Mutter
ſchien mir bey dieſem Caſu nicht genug erfahren,
und geſchickt zu ſeyn; deshalben rieth ich, ſie
ſolten einen Doctorem Medicinæ aus der Stadt
zu Rathe ziehen, und zu Huͤlffe nehmen, welches
ſie ſich auch gefallen lieſſen. Nun war dazu-
mahl einer in Breßlau ſehr beruͤhmt, mit Na-
men D. Winckler. Er hatte bey ſolchen ſchwe-
ren Faͤllen gute Proben bereits abgeleget, ſo daß
man ihn zu einem Accoucheur haͤtte machen
koͤnnen. Mein Bruder fiel auf ihn, als der
von ihm an Augen, und auch an einer andern ge-
faͤhrlichen Kranckheit war curiret worden. Jch
ſtieß mich zwar an fein Leben; denn er war einſt bey
einem Frauenzimmer in flagranti, wie die Rede
gieng, angetroffen worden, und die Schwieger-El-
tern hatten ihm deshalben ihr Kind, und Tochter
wieder genommen. Das kraͤnckte ihn ſehr. Erfand
zwar großen Troſt in den Worten der heil. Schrifft,
daß es gut ſey einem Manne, daß er das Joch
in ſeiner Jugend trage; allein mein Bru-
der ſagte: Ja, ja, es iſt wohl wahr; aber,
wie denn, Herr Doctor, wenn ein Mann das
Joch ſich ſelbſt aufleget, und eine Ruthe ſich auf
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/464>, abgerufen am 22.11.2024.
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