bracht worden, daß sie sich dem Beginnen des Raths widersetzten. Man deliberirte auf dem Rath-Hause Sonnabends zuvor, ob man mich wolte predigen lassen, weil man wegen des star- cken Widerspruchs der Bürger, so aufs Rath- Haus kamen, übele Suiten und Folgen besorgte; doch der Herr Hirschekorn drang bey dem Volcke durch, und erhielt noch so viel, daß die Predigt vor sich gieng. So wenig Jnwohner in der Stadt waren, weil sie immer wegen streiffender Partheyen in Furcht seyn musten; so war doch die Kirche ziemlich voll. Weil an diesem Sonn- tage die Prediger neue Lehr-Arten anfangen, so ermahnte ich aus der Epistel die Zuhörer zu einer neuen Lebens-Art. Es hatte iemand aus List an der Thür der Catholischen Kirche da- selbst angeschlagen: Wo die Stadt ein verdäch- tig Subjectum wehlen würde, so würden die Pa- pisten die Lutherische Kirche wegnehmen. Jch war kaum Montags frühe aus der Stadt wie- derum weg, so holten sie noch denselben Tag ei- nen Catecheten, ich weiß nicht mehr, ob aus Juliusburg oder aus Bernstadt, der ehedessen auf dem Gymnasio mit mir frequentirte, aber weit unter mir saß, und wegen seiner Stupidität und Faulheit ein recht Ludibrium der andern Mit-Schüler war, welcher auch die Vocation anzunehmen, kein Bedencken trug, absonderlich
aus
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ſo er in Rawitſch gehalten,
bracht worden, daß ſie ſich dem Beginnen des Raths widerſetzten. Man deliberirte auf dem Rath-Hauſe Sonnabends zuvor, ob man mich wolte predigen laſſen, weil man wegen des ſtar- cken Widerſpruchs der Buͤrger, ſo aufs Rath- Haus kamen, uͤbele Suiten und Folgen beſorgte; doch der Herr Hirſchekorn drang bey dem Volcke durch, und erhielt noch ſo viel, daß die Predigt vor ſich gieng. So wenig Jnwohner in der Stadt waren, weil ſie immer wegen ſtreiffender Partheyen in Furcht ſeyn muſten; ſo war doch die Kirche ziemlich voll. Weil an dieſem Sonn- tage die Prediger neue Lehr-Arten anfangen, ſo ermahnte ich aus der Epiſtel die Zuhoͤrer zu einer neuen Lebens-Art. Es hatte iemand aus Liſt an der Thuͤr der Catholiſchen Kirche da- ſelbſt angeſchlagen: Wo die Stadt ein verdaͤch- tig Subjectum wehlen wuͤrde, ſo wuͤrden die Pa- piſten die Lutheriſche Kirche wegnehmen. Jch war kaum Montags fruͤhe aus der Stadt wie- derum weg, ſo holten ſie noch denſelben Tag ei- nen Catecheten, ich weiß nicht mehr, ob aus Juliusburg oder aus Bernſtadt, der ehedeſſen auf dem Gymnaſio mit mir frequentirte, aber weit unter mir ſaß, und wegen ſeiner Stupiditaͤt und Faulheit ein recht Ludibrium der andern Mit-Schuͤler war, welcher auch die Vocation anzunehmen, kein Bedencken trug, abſonderlich
aus
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ſo er in Rawitſch gehalten,
bracht worden, daß ſie ſich dem Beginnen des
Raths widerſetzten. Man deliberirte auf dem
Rath-Hauſe Sonnabends zuvor, ob man mich
wolte predigen laſſen, weil man wegen des ſtar-
cken Widerſpruchs der Buͤrger, ſo aufs Rath-
Haus kamen, uͤbele Suiten und Folgen beſorgte;
doch der Herr Hirſchekorn drang bey dem Volcke
durch, und erhielt noch ſo viel, daß die Predigt
vor ſich gieng. So wenig Jnwohner in der
Stadt waren, weil ſie immer wegen ſtreiffender
Partheyen in Furcht ſeyn muſten; ſo war doch
die Kirche ziemlich voll. Weil an dieſem Sonn-
tage die Prediger neue Lehr-Arten anfangen, ſo
ermahnte ich aus der Epiſtel die Zuhoͤrer zu einer
neuen Lebens-Art. Es hatte iemand
aus Liſt an der Thuͤr der Catholiſchen Kirche da-
ſelbſt angeſchlagen: Wo die Stadt ein verdaͤch-
tig Subjectum wehlen wuͤrde, ſo wuͤrden die Pa-
piſten die Lutheriſche Kirche wegnehmen. Jch
war kaum Montags fruͤhe aus der Stadt wie-
derum weg, ſo holten ſie noch denſelben Tag ei-
nen Catecheten, ich weiß nicht mehr, ob aus
Juliusburg oder aus Bernſtadt, der ehedeſſen
auf dem Gymnaſio mit mir frequentirte, aber
weit unter mir ſaß, und wegen ſeiner Stupiditaͤt
und Faulheit ein recht Ludibrium der andern
Mit-Schuͤler war, welcher auch die Vocation
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/467>, abgerufen am 22.11.2024.
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