mahls kranck gewesen. Jm 13den und 16den Jahre hatte ich etwan auf ein paar Wochen das Fieber gehabt, so ich aber durch Fasten gar bald vertrieben. Und das war alles. Wenn man nicht Kranckheiten unterworffen ist, so dencket man nicht sonderlich an seinen Leib, noch an die Mittel, seine Gesundheit zu erhalten. Philosophie hatte ich wohl studiret, und schon ein und das andere mahl auch andern einen Cursum Philosophicum gelesen; die Oecono- mie unsers Leibes aber hatte ich sehr schlecht inne. Vielleicht ist es ein Stück der Weis- heit GOttes, daß wir Menschen offters, wenn wir auch schon viel andere Dinge gelernet, in großer Unwissenheit, was unsern Leib anbetrifft, liegen und stecken bleiben, damit wir hernach durch Kranckheiten desto besser und länger kön- nen geprüffet und geübet, und dadurch viel Gu- tes in uns könne gewürcket werden. Hätte ich damahls das Erkänntniß von meinem Leibe gehabt, das ich ietzund habe, in einer Woche hätte ich mir helffen, und aller Sorge, Furcht, und Geld-Unkosten überhoben seyn wollen. Aber so solte ich sterben lernen, und durch Ein- bildung eines bevorstehenden Todes mein Hertze erforschen, meinen Zustand prüffen, mir selbst noch mehr bekannt werden, und eine rechte Zu- bereitung auf den Tod anstellen. Das that
ich
eine Einbildung,
mahls kranck geweſen. Jm 13den und 16den Jahre hatte ich etwan auf ein paar Wochen das Fieber gehabt, ſo ich aber durch Faſten gar bald vertrieben. Und das war alles. Wenn man nicht Kranckheiten unterworffen iſt, ſo dencket man nicht ſonderlich an ſeinen Leib, noch an die Mittel, ſeine Geſundheit zu erhalten. Philoſophie hatte ich wohl ſtudiret, und ſchon ein und das andere mahl auch andern einen Curſum Philoſophicum geleſen; die Oecono- mie unſers Leibes aber hatte ich ſehr ſchlecht inne. Vielleicht iſt es ein Stuͤck der Weis- heit GOttes, daß wir Menſchen offters, wenn wir auch ſchon viel andere Dinge gelernet, in großer Unwiſſenheit, was unſern Leib anbetrifft, liegen und ſtecken bleiben, damit wir hernach durch Kranckheiten deſto beſſer und laͤnger koͤn- nen gepruͤffet und geuͤbet, und dadurch viel Gu- tes in uns koͤnne gewuͤrcket werden. Haͤtte ich damahls das Erkaͤnntniß von meinem Leibe gehabt, das ich ietzund habe, in einer Woche haͤtte ich mir helffen, und aller Sorge, Furcht, und Geld-Unkoſten uͤberhoben ſeyn wollen. Aber ſo ſolte ich ſterben lernen, und durch Ein- bildung eines bevorſtehenden Todes mein Hertze erforſchen, meinen Zuſtand pruͤffen, mir ſelbſt noch mehr bekannt werden, und eine rechte Zu- bereitung auf den Tod anſtellen. Das that
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eine Einbildung,
mahls kranck geweſen. Jm 13den und 16den
Jahre hatte ich etwan auf ein paar Wochen
das Fieber gehabt, ſo ich aber durch Faſten gar
bald vertrieben. Und das war alles. Wenn
man nicht Kranckheiten unterworffen iſt, ſo
dencket man nicht ſonderlich an ſeinen Leib, noch
an die Mittel, ſeine Geſundheit zu erhalten.
Philoſophie hatte ich wohl ſtudiret, und ſchon
ein und das andere mahl auch andern einen
Curſum Philoſophicum geleſen; die Oecono-
mie unſers Leibes aber hatte ich ſehr ſchlecht
inne. Vielleicht iſt es ein Stuͤck der Weis-
heit GOttes, daß wir Menſchen offters, wenn
wir auch ſchon viel andere Dinge gelernet, in
großer Unwiſſenheit, was unſern Leib anbetrifft,
liegen und ſtecken bleiben, damit wir hernach
durch Kranckheiten deſto beſſer und laͤnger koͤn-
nen gepruͤffet und geuͤbet, und dadurch viel Gu-
tes in uns koͤnne gewuͤrcket werden. Haͤtte
ich damahls das Erkaͤnntniß von meinem Leibe
gehabt, das ich ietzund habe, in einer Woche
haͤtte ich mir helffen, und aller Sorge, Furcht,
und Geld-Unkoſten uͤberhoben ſeyn wollen.
Aber ſo ſolte ich ſterben lernen, und durch Ein-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/506>, abgerufen am 22.11.2024.
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