alle verständige Medicos auf Erden gefraget ha- ben, ob ein solcher Mensch seine rechte Gesund- heit habe, bey dem dergleichen Merckmahle sich finden, und ob es vor eine närrische bloße Ein- bildung zu halten, wenn derselbe einen solchen Zustand dem Medico entdecket, wie ich denselben meinen Medicis zulanglich entdeckt habe.
Jch kan also nicht begreiffen, was sowol den Herrn D. Drechsler, als den, der um ihn war, müsse bewogen haben, zu schliessen, daß ich mir kranck zu seyn nur einbildete. Vielleicht hat es der D. nicht böse gemeynt, und mir nur einen Muth dadurch machen wollen, so über- zeugt er auch von meiner würcklichen Kranckheit gewesen. Doch, noch vielweniger kan ich be- greiffen, wie ein gewisser berühmter Doctor in Halle, dessen ich bald Meldung thun werde, schier auf gleiche Gedancken gerathen, und mich vor einen malade imaginaire ansehen wollen. Wenn dazumahl nicht schon von Anno 1704. 6. Jahre verstrichen gewesen wären, so hätte ich gemeynet, ich müste etwan noch ängstlich und melancholisch im Gesichte ausgesehen ha- ben, wie ich zur Zeit der damahligen großen Anfechtung aussahe, welche ich oben beschrie- ben; so aber war mein Gemüthe wiederum längst aufgekläret, und wiederum frolich wor-
den;
anzutreffen waren.
alle verſtaͤndige Medicos auf Erden gefraget ha- ben, ob ein ſolcher Menſch ſeine rechte Geſund- heit habe, bey dem dergleichen Merckmahle ſich finden, und ob es vor eine naͤrriſche bloße Ein- bildung zu halten, wenn derſelbe einen ſolchen Zuſtand dem Medico entdecket, wie ich denſelben meinen Medicis zulanglich entdeckt habe.
Jch kan alſo nicht begreiffen, was ſowol den Herrn D. Drechsler, als den, der um ihn war, muͤſſe bewogen haben, zu ſchlieſſen, daß ich mir kranck zu ſeyn nur einbildete. Vielleicht hat es der D. nicht boͤſe gemeynt, und mir nur einen Muth dadurch machen wollen, ſo uͤber- zeugt er auch von meiner wuͤrcklichen Kranckheit geweſen. Doch, noch vielweniger kan ich be- greiffen, wie ein gewiſſer beruͤhmter Doctor in Halle, deſſen ich bald Meldung thun werde, ſchier auf gleiche Gedancken gerathen, und mich vor einen malade imaginaire anſehen wollen. Wenn dazumahl nicht ſchon von Anno 1704. 6. Jahre verſtrichen geweſen waͤren, ſo haͤtte ich gemeynet, ich muͤſte etwan noch aͤngſtlich und melancholiſch im Geſichte ausgeſehen ha- ben, wie ich zur Zeit der damahligen großen Anfechtung ausſahe, welche ich oben beſchrie- ben; ſo aber war mein Gemuͤthe wiederum laͤngſt aufgeklaͤret, und wiederum frolich wor-
den;
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anzutreffen waren.
alle verſtaͤndige Medicos auf Erden gefraget ha-
ben, ob ein ſolcher Menſch ſeine rechte Geſund-
heit habe, bey dem dergleichen Merckmahle ſich
finden, und ob es vor eine naͤrriſche bloße Ein-
bildung zu halten, wenn derſelbe einen ſolchen
Zuſtand dem Medico entdecket, wie ich
denſelben meinen Medicis zulanglich entdeckt
habe.
Jch kan alſo nicht begreiffen, was ſowol den
Herrn D. Drechsler, als den, der um ihn war,
muͤſſe bewogen haben, zu ſchlieſſen, daß ich mir
kranck zu ſeyn nur einbildete. Vielleicht
hat es der D. nicht boͤſe gemeynt, und mir nur
einen Muth dadurch machen wollen, ſo uͤber-
zeugt er auch von meiner wuͤrcklichen Kranckheit
geweſen. Doch, noch vielweniger kan ich be-
greiffen, wie ein gewiſſer beruͤhmter Doctor in
Halle, deſſen ich bald Meldung thun werde,
ſchier auf gleiche Gedancken gerathen, und mich
vor einen malade imaginaire anſehen wollen.
Wenn dazumahl nicht ſchon von Anno 1704.
6. Jahre verſtrichen geweſen waͤren, ſo haͤtte
ich gemeynet, ich muͤſte etwan noch aͤngſtlich
und melancholiſch im Geſichte ausgeſehen ha-
ben, wie ich zur Zeit der damahligen großen
Anfechtung ausſahe, welche ich oben beſchrie-
ben; ſo aber war mein Gemuͤthe wiederum
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/526>, abgerufen am 22.11.2024.
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