und Pro-Consules, und die Vornehmsten der Stadt meine Zuhörer waren, und wunderte ich mich vielmahl selbst nicht wenig, wie es möglich wäre, daß so viel ein Wohlgefallen an meinem Vortrage und Predigten haben kunten; indem ich noch so schwächlich am Leibe, und im Kopffe war, daß ich selten concipiren, und die Predigt von Wort zu Wort aufschreiben kunte, sondern nur eine Sciagraphie und Summarischen Abriß mir aufsetzte, und also zum extemporiren gezwungen wurde. Jch hatte zwar auf der Schule etwas Oratorie studiret, so daß, wenn ich manchmahl mich ein wenig an Leibes- und Ge- müths-Kräfften erholet, und meine Predigten mit allerhand Meditationen, und sogenannten Realien und Argutien ausschmückte, dieser Zu- cker noch mehr Leute herzu lockte; ich ließ aber gar bald diese Art zu schreiben, so leicht sie mich auch in gesunden Tagen ankommt, großen Theils fahren, weil die Begierde deutlich zu seyn, und das arme Volck zu erbauen, und nicht mit lee- ren Worten abzuspeisen, mir solches nicht länger zu thun gestatten wolte. Bey dem allen so ward dadurch die Zahl der Zuhörer nicht vermin- dert, sondern nahm noch mehr zu, wenn ich auch nur einer niedrigen Schreib-Art mich bediente, und allerhand erbauliche Meditationen und Be- trachtungen, insonderheit, wenn ich ein Capitel
aus
Anfangs viel Zuhoͤrer
und Pro-Conſules, und die Vornehmſten der Stadt meine Zuhoͤrer waren, und wunderte ich mich vielmahl ſelbſt nicht wenig, wie es moͤglich waͤre, daß ſo viel ein Wohlgefallen an meinem Vortrage und Predigten haben kunten; indem ich noch ſo ſchwaͤchlich am Leibe, und im Kopffe war, daß ich ſelten concipiren, und die Predigt von Wort zu Wort aufſchreiben kunte, ſondern nur eine Sciagraphie und Summariſchen Abriß mir aufſetzte, und alſo zum extemporiren gezwungen wurde. Jch hatte zwar auf der Schule etwas Oratorie ſtudiret, ſo daß, wenn ich manchmahl mich ein wenig an Leibes- und Ge- muͤths-Kraͤfften erholet, und meine Predigten mit allerhand Meditationen, und ſogenannten Realien und Argutien ausſchmuͤckte, dieſer Zu- cker noch mehr Leute herzu lockte; ich ließ aber gar bald dieſe Art zu ſchreiben, ſo leicht ſie mich auch in geſunden Tagen ankommt, großen Theils fahren, weil die Begierde deutlich zu ſeyn, und das arme Volck zu erbauen, und nicht mit lee- ren Worten abzuſpeiſen, mir ſolches nicht laͤnger zu thun geſtatten wolte. Bey dem allen ſo ward dadurch die Zahl der Zuhoͤrer nicht vermin- dert, ſondern nahm noch mehr zu, wenn ich auch nur einer niedrigen Schreib-Art mich bediente, und allerhand erbauliche Meditationen und Be- trachtungen, inſonderheit, wenn ich ein Capitel
aus
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[518/0564]
Anfangs viel Zuhoͤrer
und Pro-Conſules, und die Vornehmſten der
Stadt meine Zuhoͤrer waren, und wunderte ich
mich vielmahl ſelbſt nicht wenig, wie es moͤglich
waͤre, daß ſo viel ein Wohlgefallen an meinem
Vortrage und Predigten haben kunten; indem
ich noch ſo ſchwaͤchlich am Leibe, und im Kopffe
war, daß ich ſelten concipiren, und die Predigt
von Wort zu Wort aufſchreiben kunte, ſondern
nur eine Sciagraphie und Summariſchen Abriß
mir aufſetzte, und alſo zum extemporiren
gezwungen wurde. Jch hatte zwar auf der
Schule etwas Oratorie ſtudiret, ſo daß, wenn
ich manchmahl mich ein wenig an Leibes- und Ge-
muͤths-Kraͤfften erholet, und meine Predigten
mit allerhand Meditationen, und ſogenannten
Realien und Argutien ausſchmuͤckte, dieſer Zu-
cker noch mehr Leute herzu lockte; ich ließ aber
gar bald dieſe Art zu ſchreiben, ſo leicht ſie mich
auch in geſunden Tagen ankommt, großen Theils
fahren, weil die Begierde deutlich zu ſeyn, und
das arme Volck zu erbauen, und nicht mit lee-
ren Worten abzuſpeiſen, mir ſolches nicht laͤnger
zu thun geſtatten wolte. Bey dem allen ſo
ward dadurch die Zahl der Zuhoͤrer nicht vermin-
dert, ſondern nahm noch mehr zu, wenn ich auch
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/564>, abgerufen am 22.11.2024.
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