Bey der letzten, nemlich der Frau D. Drechslerin, war dieses noch das merckwür- digste, daß sie mit Paulo, wenn ich so reden mag, gleichsam bis in den dritten Himmel ent- zückt war, und vorgab, sie wäre nicht mehr auf Erden, sondern schon würcklich im Himmel bey GOtt. Jch merckte so wenig Kranck- heit an ihr, daß vielmehr ihr Angesicht voller Freuden leuchtete, und ihr Mund so voll Froh- lockens und Jauchzens war, daß ich nicht an- ders meynte, die Freude würde ihr noch das Hertze abstoßen. Der alte Herr D. Drechs- ler, so zugegen, redete mit mir von diesem Zu- stande, und wolte es einer bloßen Phantasie zu- schreiben; ich antwortete ihm aber, und sagte: ich wünschte, daß ich in solchen Phantasien ster- ben möchte; und wenn das bloße natürliche Phantasien sind, so weiß ich nicht, was wir end- lich vor einen himmlischen Hertz-stärckenden Trost der Gläubigen im Tode, und vor einen Vorschmack des Himmels wollen ansehen, und ausgeben. Zudem bey aller dieser Einbil- dung, die sie hatte, als ob sie schon im Him- mel wäre, so kannte sie uns Anwesende doch alle, wuste auch gar gute Vermahnungen denen zu geben, so ihr am nächsten waren; und wie glücklich würden wir seyn, wenn wir solchen Vermahnungen alle nach ihrem Tode gefolget
hätten.
ihm gar beſonders
Bey der letzten, nemlich der Frau D. Drechslerin, war dieſes noch das merckwuͤr- digſte, daß ſie mit Paulo, wenn ich ſo reden mag, gleichſam bis in den dritten Himmel ent- zuͤckt war, und vorgab, ſie waͤre nicht mehr auf Erden, ſondern ſchon wuͤrcklich im Himmel bey GOtt. Jch merckte ſo wenig Kranck- heit an ihr, daß vielmehr ihr Angeſicht voller Freuden leuchtete, und ihr Mund ſo voll Froh- lockens und Jauchzens war, daß ich nicht an- ders meynte, die Freude wuͤrde ihr noch das Hertze abſtoßen. Der alte Herr D. Drechs- ler, ſo zugegen, redete mit mir von dieſem Zu- ſtande, und wolte es einer bloßen Phantaſie zu- ſchreiben; ich antwortete ihm aber, und ſagte: ich wuͤnſchte, daß ich in ſolchen Phantaſien ſter- ben moͤchte; und wenn das bloße natuͤrliche Phantaſien ſind, ſo weiß ich nicht, was wir end- lich vor einen himmliſchen Hertz-ſtaͤrckenden Troſt der Glaͤubigen im Tode, und vor einen Vorſchmack des Himmels wollen anſehen, und ausgeben. Zudem bey aller dieſer Einbil- dung, die ſie hatte, als ob ſie ſchon im Him- mel waͤre, ſo kannte ſie uns Anweſende doch alle, wuſte auch gar gute Vermahnungen denen zu geben, ſo ihr am naͤchſten waren; und wie gluͤcklich wuͤrden wir ſeyn, wenn wir ſolchen Vermahnungen alle nach ihrem Tode gefolget
haͤtten.
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ihm gar beſonders
Bey der letzten, nemlich der Frau D.
Drechslerin, war dieſes noch das merckwuͤr-
digſte, daß ſie mit Paulo, wenn ich ſo reden
mag, gleichſam bis in den dritten Himmel ent-
zuͤckt war, und vorgab, ſie waͤre nicht mehr
auf Erden, ſondern ſchon wuͤrcklich im Himmel
bey GOtt. Jch merckte ſo wenig Kranck-
heit an ihr, daß vielmehr ihr Angeſicht voller
Freuden leuchtete, und ihr Mund ſo voll Froh-
lockens und Jauchzens war, daß ich nicht an-
ders meynte, die Freude wuͤrde ihr noch das
Hertze abſtoßen. Der alte Herr D. Drechs-
ler, ſo zugegen, redete mit mir von dieſem Zu-
ſtande, und wolte es einer bloßen Phantaſie zu-
ſchreiben; ich antwortete ihm aber, und ſagte:
ich wuͤnſchte, daß ich in ſolchen Phantaſien ſter-
ben moͤchte; und wenn das bloße natuͤrliche
Phantaſien ſind, ſo weiß ich nicht, was wir end-
lich vor einen himmliſchen Hertz-ſtaͤrckenden
Troſt der Glaͤubigen im Tode, und vor einen
Vorſchmack des Himmels wollen anſehen, und
ausgeben. Zudem bey aller dieſer Einbil-
dung, die ſie hatte, als ob ſie ſchon im Him-
mel waͤre, ſo kannte ſie uns Anweſende doch alle,
wuſte auch gar gute Vermahnungen denen zu
geben, ſo ihr am naͤchſten waren; und wie
gluͤcklich wuͤrden wir ſeyn, wenn wir ſolchen
Vermahnungen alle nach ihrem Tode gefolget
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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