Weise, und gar nicht, wie der Apostel Paulus will, mit dem armen Gesinde umgehen, sondern alle Monate eine andere Magd haben müssen. Jch hatte damit eine gewisse alte Kauffmanns- Frau, so nicht mehr im Leben, entrüstet, so daß sie mich bey einem, von meinen vornehmsten Gön- nern angeklaget, welcher ihr auch Gehör gegeben, und deshalben mich drüber vernehmen lassen. Jch hatte das unseelige Schlagen, und Balgen in Schencken und Wirths-Häusern bestrafft, und solches mit dem weisen Salomo dem hitzigen Geträncke, und insonderheit dem Merseburger- Bier, dessen Gebrauch damahls anfieng sehr ge- mein zu werden, zugeschrieben; aber auch die- ses war nicht recht. Jch achtete es eben so sehr nicht, ob ich wegen des, was ich geprediget, von diesem, oder jenem zur Rechenschafft gefordert wurde. Nur bekümmerte mich dieses, daß, da ich ohne dem schon ein furchtsames Thier war, dadurch noch immer mehr schüchtern ge- macht wurde, so daß ich hernach bey iedwedem Gleichnisse, Exempel, Meditation, und was ich etwan in die Predigten einfliessen lassen wolte, zu zittern anfieng, und solcher Gestalt manch- mahl wohl dasjenige wegließ, was doch wohl zu vieler Erbauung würde haben gereichen können. Es kam noch dazu, daß, wenn ich mich gegen dergleichen Vorhalten verantworten wolte, mein
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auch in Sachen
Weiſe, und gar nicht, wie der Apoſtel Paulus will, mit dem armen Geſinde umgehen, ſondern alle Monate eine andere Magd haben muͤſſen. Jch hatte damit eine gewiſſe alte Kauffmanns- Frau, ſo nicht mehr im Leben, entruͤſtet, ſo daß ſie mich bey einem, von meinen vornehmſten Goͤn- nern angeklaget, welcher ihr auch Gehoͤr gegeben, und deshalben mich druͤber vernehmen laſſen. Jch hatte das unſeelige Schlagen, und Balgen in Schencken und Wirths-Haͤuſern beſtrafft, und ſolches mit dem weiſen Salomo dem hitzigen Getraͤncke, und inſonderheit dem Merſeburger- Bier, deſſen Gebrauch damahls anfieng ſehr ge- mein zu werden, zugeſchrieben; aber auch die- ſes war nicht recht. Jch achtete es eben ſo ſehr nicht, ob ich wegen des, was ich geprediget, von dieſem, oder jenem zur Rechenſchafft gefordert wurde. Nur bekuͤmmerte mich dieſes, daß, da ich ohne dem ſchon ein furchtſames Thier war, dadurch noch immer mehr ſchuͤchtern ge- macht wurde, ſo daß ich hernach bey iedwedem Gleichniſſe, Exempel, Meditation, und was ich etwan in die Predigten einflieſſen laſſen wolte, zu zittern anfieng, und ſolcher Geſtalt manch- mahl wohl dasjenige wegließ, was doch wohl zu vieler Erbauung wuͤrde haben gereichen koͤnnen. Es kam noch dazu, daß, wenn ich mich gegen dergleichen Vorhalten verantworten wolte, mein
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auch in Sachen
Weiſe, und gar nicht, wie der Apoſtel Paulus
will, mit dem armen Geſinde umgehen, ſondern
alle Monate eine andere Magd haben muͤſſen.
Jch hatte damit eine gewiſſe alte Kauffmanns-
Frau, ſo nicht mehr im Leben, entruͤſtet, ſo daß
ſie mich bey einem, von meinen vornehmſten Goͤn-
nern angeklaget, welcher ihr auch Gehoͤr gegeben,
und deshalben mich druͤber vernehmen laſſen.
Jch hatte das unſeelige Schlagen, und Balgen in
Schencken und Wirths-Haͤuſern beſtrafft, und
ſolches mit dem weiſen Salomo dem hitzigen
Getraͤncke, und inſonderheit dem Merſeburger-
Bier, deſſen Gebrauch damahls anfieng ſehr ge-
mein zu werden, zugeſchrieben; aber auch die-
ſes war nicht recht. Jch achtete es eben ſo
ſehr nicht, ob ich wegen des, was ich geprediget,
von dieſem, oder jenem zur Rechenſchafft gefordert
wurde. Nur bekuͤmmerte mich dieſes, daß,
da ich ohne dem ſchon ein furchtſames Thier
war, dadurch noch immer mehr ſchuͤchtern ge-
macht wurde, ſo daß ich hernach bey iedwedem
Gleichniſſe, Exempel, Meditation, und was
ich etwan in die Predigten einflieſſen laſſen wolte,
zu zittern anfieng, und ſolcher Geſtalt manch-
mahl wohl dasjenige wegließ, was doch wohl zu
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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