Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

in seinem Leibe, die
daß ich einmahl zu ihr kommen möchte. Jch
vergieng mich im urtheilen bey mir über einen
vornehmen Mann allhier, auf welchen wir zu
reden kamen, und sagte, daß er ein Mann von
keiner Resolution wäre, und sein Lebtage nichts
ausmachte. Und siehe, da ich nach Hause
kam, erfuhr ich, daß er ihr naher Anverwand-
ter sey. Darüber gerieth ich in große Reue,
Kränckung, und Furcht. Die Angst setzte mir
dermaßen zu, daß ich gegen Abend nicht wuste,
wo ich mich lassen solte. Die Sache war von
keiner Importanz; und doch kunte ich mein
Hertze nicht zur Ruhe stellen. Alles zitterte
und bebete an mir; und, ob ich wohl vermu-
thete, daß es großen Theils von meinem krancken
Leibe herkommen möchte, so hielt ich es doch zu-
gleich vor einen Vorboten einer großen Anfech-
tung. Angst, Schwermuth, Traurigkeit
und Zagen hielt die gantze Woche bey mir an:
ich betete, weinete, gieng spatzieren, es wolte
alles nichts helffen. Sonntags drauf gieng
ich mit Herr M. Gehren um die Vorstadt; ich war
aber durch die ausgestandene Angst schon so ent-
kräfftet worden, daß, da ein Tambour mit der
Trummel kam, und vor uns vorbey trummelte,
ich mich beynahe auf die Erden setzen muste, aus
Furcht, ich möchte umfallen, weil ich nichts
mehr aus Schwachheit vertragen kunte. Jm

Rück-

in ſeinem Leibe, die
daß ich einmahl zu ihr kommen moͤchte. Jch
vergieng mich im urtheilen bey mir uͤber einen
vornehmen Mann allhier, auf welchen wir zu
reden kamen, und ſagte, daß er ein Mann von
keiner Reſolution waͤre, und ſein Lebtage nichts
ausmachte. Und ſiehe, da ich nach Hauſe
kam, erfuhr ich, daß er ihr naher Anverwand-
ter ſey. Daruͤber gerieth ich in große Reue,
Kraͤnckung, und Furcht. Die Angſt ſetzte mir
dermaßen zu, daß ich gegen Abend nicht wuſte,
wo ich mich laſſen ſolte. Die Sache war von
keiner Importanz; und doch kunte ich mein
Hertze nicht zur Ruhe ſtellen. Alles zitterte
und bebete an mir; und, ob ich wohl vermu-
thete, daß es großen Theils von meinem krancken
Leibe herkommen moͤchte, ſo hielt ich es doch zu-
gleich vor einen Vorboten einer großen Anfech-
tung. Angſt, Schwermuth, Traurigkeit
und Zagen hielt die gantze Woche bey mir an:
ich betete, weinete, gieng ſpatzieren, es wolte
alles nichts helffen. Sonntags drauf gieng
ich mit Herr M. Gehren um die Vorſtadt; ich war
aber durch die ausgeſtandene Angſt ſchon ſo ent-
kraͤfftet worden, daß, da ein Tambour mit der
Trummel kam, und vor uns vorbey trummelte,
ich mich beynahe auf die Erden ſetzen muſte, aus
Furcht, ich moͤchte umfallen, weil ich nichts
mehr aus Schwachheit vertragen kunte. Jm

Ruͤck-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0648" n="602"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in &#x017F;einem Leibe, die</hi></fw><lb/>
daß ich einmahl zu ihr kommen mo&#x0364;chte. Jch<lb/>
vergieng mich im urtheilen bey mir u&#x0364;ber einen<lb/>
vornehmen Mann allhier, auf welchen wir zu<lb/>
reden kamen, und &#x017F;agte, daß er ein Mann von<lb/>
keiner <hi rendition="#aq">Re&#x017F;olution</hi> wa&#x0364;re, und &#x017F;ein Lebtage nichts<lb/>
ausmachte. Und &#x017F;iehe, da ich nach Hau&#x017F;e<lb/>
kam, erfuhr ich, daß er ihr naher Anverwand-<lb/>
ter &#x017F;ey. Daru&#x0364;ber gerieth ich in große Reue,<lb/>
Kra&#x0364;nckung, und Furcht. Die Ang&#x017F;t &#x017F;etzte mir<lb/>
dermaßen zu, daß ich gegen Abend nicht wu&#x017F;te,<lb/>
wo ich mich la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte. Die Sache war von<lb/>
keiner <hi rendition="#aq">Importanz;</hi> und doch kunte ich mein<lb/>
Hertze nicht zur Ruhe &#x017F;tellen. Alles zitterte<lb/>
und bebete an mir; und, ob ich wohl vermu-<lb/>
thete, daß es großen Theils von meinem krancken<lb/>
Leibe herkommen mo&#x0364;chte, &#x017F;o hielt ich es doch zu-<lb/>
gleich vor einen Vorboten einer großen Anfech-<lb/>
tung. Ang&#x017F;t, Schwermuth, Traurigkeit<lb/>
und Zagen hielt die gantze Woche bey mir an:<lb/>
ich betete, weinete, gieng &#x017F;patzieren, es wolte<lb/>
alles nichts helffen. Sonntags drauf gieng<lb/>
ich mit Herr <hi rendition="#aq">M.</hi> Gehren um die Vor&#x017F;tadt; ich war<lb/>
aber durch die ausge&#x017F;tandene Ang&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;o ent-<lb/>
kra&#x0364;fftet worden, daß, da ein <hi rendition="#aq">Tambour</hi> mit der<lb/>
Trummel kam, und vor uns vorbey trummelte,<lb/>
ich mich beynahe auf die Erden &#x017F;etzen mu&#x017F;te, aus<lb/>
Furcht, ich mo&#x0364;chte umfallen, weil ich nichts<lb/>
mehr aus Schwachheit vertragen kunte. Jm<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ru&#x0364;ck-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[602/0648] in ſeinem Leibe, die daß ich einmahl zu ihr kommen moͤchte. Jch vergieng mich im urtheilen bey mir uͤber einen vornehmen Mann allhier, auf welchen wir zu reden kamen, und ſagte, daß er ein Mann von keiner Reſolution waͤre, und ſein Lebtage nichts ausmachte. Und ſiehe, da ich nach Hauſe kam, erfuhr ich, daß er ihr naher Anverwand- ter ſey. Daruͤber gerieth ich in große Reue, Kraͤnckung, und Furcht. Die Angſt ſetzte mir dermaßen zu, daß ich gegen Abend nicht wuſte, wo ich mich laſſen ſolte. Die Sache war von keiner Importanz; und doch kunte ich mein Hertze nicht zur Ruhe ſtellen. Alles zitterte und bebete an mir; und, ob ich wohl vermu- thete, daß es großen Theils von meinem krancken Leibe herkommen moͤchte, ſo hielt ich es doch zu- gleich vor einen Vorboten einer großen Anfech- tung. Angſt, Schwermuth, Traurigkeit und Zagen hielt die gantze Woche bey mir an: ich betete, weinete, gieng ſpatzieren, es wolte alles nichts helffen. Sonntags drauf gieng ich mit Herr M. Gehren um die Vorſtadt; ich war aber durch die ausgeſtandene Angſt ſchon ſo ent- kraͤfftet worden, daß, da ein Tambour mit der Trummel kam, und vor uns vorbey trummelte, ich mich beynahe auf die Erden ſetzen muſte, aus Furcht, ich moͤchte umfallen, weil ich nichts mehr aus Schwachheit vertragen kunte. Jm Ruͤck-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/648
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/648>, abgerufen am 22.11.2024.