einsprechen möchte. So schwach ich war, so erachtete ich es doch meiner Schuldigkeit zu seyn, ihr Begehren zu erfüllen. Jch kam zu dersel- ben, versahe mich nichts böses. Wie wir eine kleine Weile discouriret, so fänget sie an, und spricht: Jhr Herr wäre zum Schlag, und an- dern Zufällen geneigt, die sie nicht gerne vor der Welt bekannt machen wolte: und gleichwol steige er immer auf der Leiter nach Büchern, und andern Dingen, und sie müste fürchten, daß er nicht einmahl ein Unglück nehme: ich möchte ihm doch bey Ge- legenheit ein wenig zureden. Diesesmahl ließe es zwar ein gewisser Umstand nicht zu; ich möchte aber so gut seyn, und zu einer andern Zeit mich wieder melden. Wer war darüber im Ge- müthe verwirrter, als ich, als der gar leicht mercken kunte, was dieß zu sagen? Jch machte meinen Abschied, so bald ich kunte: so ge- schwinde, als oben Herr D. Stahl; wuste aber kaum, wie ich vor Furcht, und Bangigkeit nach Hause kommen solte. So einen kurtzen Weg ich nach Hause hatte, so hätte ich mich doch lie- ber auf der Gasse an einem ieden Eckstein nieder- gesetzet, um Kräffte zum gehen zuschöpffen. Vor Angst ließ ich den Hut aus Versehen in Koth auf der Gasse fallen; und, wie Melancholici voller Superstition sind, so machte ich daraus ein Omen, daß dieses meinen Tod bedeutete.
Es
gewiſſen Kranckheit zu rechnen,
einſprechen moͤchte. So ſchwach ich war, ſo erachtete ich es doch meiner Schuldigkeit zu ſeyn, ihr Begehren zu erfuͤllen. Jch kam zu derſel- ben, verſahe mich nichts boͤſes. Wie wir eine kleine Weile diſcouriret, ſo faͤnget ſie an, und ſpricht: Jhr Herr waͤre zum Schlag, und an- dern Zufaͤllen geneigt, die ſie nicht gerne vor der Welt bekannt machen wolte: und gleichwol ſteige er immer auf der Leiter nach Buͤchern, und andern Dingen, und ſie muͤſte fuͤrchten, daß er nicht einmahl ein Ungluͤck nehme: ich moͤchte ihm doch bey Ge- legenheit ein wenig zureden. Dieſesmahl ließe es zwar ein gewiſſer Umſtand nicht zu; ich moͤchte aber ſo gut ſeyn, und zu einer andern Zeit mich wieder melden. Wer war daruͤber im Ge- muͤthe verwirrter, als ich, als der gar leicht mercken kunte, was dieß zu ſagen? Jch machte meinen Abſchied, ſo bald ich kunte: ſo ge- ſchwinde, als oben Herr D. Stahl; wuſte aber kaum, wie ich vor Furcht, und Bangigkeit nach Hauſe kommen ſolte. So einen kurtzen Weg ich nach Hauſe hatte, ſo haͤtte ich mich doch lie- ber auf der Gaſſe an einem ieden Eckſtein nieder- geſetzet, um Kraͤffte zum gehen zuſchoͤpffen. Vor Angſt ließ ich den Hut aus Verſehen in Koth auf der Gaſſe fallen; und, wie Melancholici voller Superſtition ſind, ſo machte ich daraus ein Omen, daß dieſes meinen Tod bedeutete.
Es
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0653"n="607"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">gewiſſen Kranckheit zu rechnen,</hi></fw><lb/>
einſprechen moͤchte. So ſchwach ich war, ſo<lb/>
erachtete ich es doch meiner Schuldigkeit zu ſeyn,<lb/>
ihr Begehren zu erfuͤllen. Jch kam zu derſel-<lb/>
ben, verſahe mich nichts boͤſes. Wie wir eine<lb/>
kleine Weile <hirendition="#aq">diſcouri</hi>ret, ſo faͤnget ſie an, und<lb/>ſpricht: Jhr Herr waͤre zum Schlag, und an-<lb/>
dern Zufaͤllen geneigt, die ſie nicht gerne vor der Welt<lb/>
bekannt machen wolte: und gleichwol ſteige er immer<lb/>
auf der Leiter nach Buͤchern, und andern Dingen,<lb/>
und ſie muͤſte fuͤrchten, daß er nicht einmahl ein<lb/>
Ungluͤck nehme: ich moͤchte ihm doch bey Ge-<lb/>
legenheit ein wenig zureden. Dieſesmahl ließe<lb/>
es zwar ein gewiſſer Umſtand nicht zu; ich moͤchte<lb/>
aber ſo gut ſeyn, und zu einer andern Zeit mich<lb/>
wieder melden. Wer war daruͤber im Ge-<lb/>
muͤthe verwirrter, als ich, als der gar leicht<lb/>
mercken kunte, was dieß zu ſagen? Jch machte<lb/>
meinen Abſchied, ſo bald ich kunte: ſo ge-<lb/>ſchwinde, als oben Herr <hirendition="#aq">D.</hi> Stahl; wuſte aber<lb/>
kaum, wie ich vor Furcht, und Bangigkeit nach<lb/>
Hauſe kommen ſolte. So einen kurtzen Weg<lb/>
ich nach Hauſe hatte, ſo haͤtte ich mich doch lie-<lb/>
ber auf der Gaſſe an einem ieden Eckſtein nieder-<lb/>
geſetzet, um Kraͤffte zum gehen zuſchoͤpffen. Vor<lb/>
Angſt ließ ich den Hut aus Verſehen in Koth<lb/>
auf der Gaſſe fallen; und, wie <hirendition="#aq">Melancholici</hi><lb/>
voller <hirendition="#aq">Superſtition</hi>ſind, ſo machte ich daraus<lb/>
ein <hirendition="#aq">Omen,</hi> daß dieſes meinen Tod bedeutete.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[607/0653]
gewiſſen Kranckheit zu rechnen,
einſprechen moͤchte. So ſchwach ich war, ſo
erachtete ich es doch meiner Schuldigkeit zu ſeyn,
ihr Begehren zu erfuͤllen. Jch kam zu derſel-
ben, verſahe mich nichts boͤſes. Wie wir eine
kleine Weile diſcouriret, ſo faͤnget ſie an, und
ſpricht: Jhr Herr waͤre zum Schlag, und an-
dern Zufaͤllen geneigt, die ſie nicht gerne vor der Welt
bekannt machen wolte: und gleichwol ſteige er immer
auf der Leiter nach Buͤchern, und andern Dingen,
und ſie muͤſte fuͤrchten, daß er nicht einmahl ein
Ungluͤck nehme: ich moͤchte ihm doch bey Ge-
legenheit ein wenig zureden. Dieſesmahl ließe
es zwar ein gewiſſer Umſtand nicht zu; ich moͤchte
aber ſo gut ſeyn, und zu einer andern Zeit mich
wieder melden. Wer war daruͤber im Ge-
muͤthe verwirrter, als ich, als der gar leicht
mercken kunte, was dieß zu ſagen? Jch machte
meinen Abſchied, ſo bald ich kunte: ſo ge-
ſchwinde, als oben Herr D. Stahl; wuſte aber
kaum, wie ich vor Furcht, und Bangigkeit nach
Hauſe kommen ſolte. So einen kurtzen Weg
ich nach Hauſe hatte, ſo haͤtte ich mich doch lie-
ber auf der Gaſſe an einem ieden Eckſtein nieder-
geſetzet, um Kraͤffte zum gehen zuſchoͤpffen. Vor
Angſt ließ ich den Hut aus Verſehen in Koth
auf der Gaſſe fallen; und, wie Melancholici
voller Superſtition ſind, ſo machte ich daraus
ein Omen, daß dieſes meinen Tod bedeutete.
Es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/653>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.