verlacht worden, deren keiner wol gewust, was vor eine seltsame Begebenheit mich dazu veran- laßet.
Nemlich die Sache verhielt sich also. Sonn- tags nach Tische meditirte ich noch ein wenig auf die Predigt, wie gewöhnlich, bis um 2. Uhr, da der Gottesdienstangehet. Jch weiß nicht mehr, ob ich zu Hause, ehe ich ausgieng, vergessen, noch einmahl auf den Pot de Cham- bre zu gehen, oder ob bey dem langen Liede: Jst GOtt für mich, so trete etc. sich schon so viel Wasser wiederum gesammlet; gewiß ist es, daß ich nicht durch unmäßiges Essen und Trin- cken daran Ursache gewesen, weil ich mein or- dentliches Maaß hatte, so offt ich predigte. Jch hatte kaum das Capitel zu erklären ange- fangen, so konte ich mich auf etwas, das ich sagen wolte, nicht bald besinnen; und indem ich mich starck anstrenge, und das Gedächtniß for- cire, so mercke ich, daß das Wasser unten fort will; und diß mit solchem starcken Nisu und Treiben, daß ich den Augenblick in die gröste Furcht gesetzet wurde. Und ie mehr ich fürch- tete, daß es geschehen möchte, das ich besorgte: ie mehr wuchs die Noth, und ie mehr plagte mich der Urin. Jch kunte nicht länger auf der Cantzel stehen, sondern suchte mir durch Nie- dersetzen zu helffen; aber auch dieses halff nicht,
sondern
die hoͤchſte Staffel erreichte,
verlacht worden, deren keiner wol gewuſt, was vor eine ſeltſame Begebenheit mich dazu veran- laßet.
Nemlich die Sache verhielt ſich alſo. Sonn- tags nach Tiſche meditirte ich noch ein wenig auf die Predigt, wie gewoͤhnlich, bis um 2. Uhr, da der Gottesdienſtangehet. Jch weiß nicht mehr, ob ich zu Hauſe, ehe ich ausgieng, vergeſſen, noch einmahl auf den Pot de Cham- bre zu gehen, oder ob bey dem langen Liede: Jſt GOtt fuͤr mich, ſo trete ꝛc. ſich ſchon ſo viel Waſſer wiederum geſammlet; gewiß iſt es, daß ich nicht durch unmaͤßiges Eſſen und Trin- cken daran Urſache geweſen, weil ich mein or- dentliches Maaß hatte, ſo offt ich predigte. Jch hatte kaum das Capitel zu erklaͤren ange- fangen, ſo konte ich mich auf etwas, das ich ſagen wolte, nicht bald beſinnen; und indem ich mich ſtarck anſtrenge, und das Gedaͤchtniß for- cire, ſo mercke ich, daß das Waſſer unten fort will; und diß mit ſolchem ſtarcken Niſu und Treiben, daß ich den Augenblick in die groͤſte Furcht geſetzet wurde. Und ie mehr ich fuͤrch- tete, daß es geſchehen moͤchte, das ich beſorgte: ie mehr wuchs die Noth, und ie mehr plagte mich der Urin. Jch kunte nicht laͤnger auf der Cantzel ſtehen, ſondern ſuchte mir durch Nie- derſetzen zu helffen; aber auch dieſes halff nicht,
ſondern
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die hoͤchſte Staffel erreichte,
verlacht worden, deren keiner wol gewuſt, was
vor eine ſeltſame Begebenheit mich dazu veran-
laßet.
Nemlich die Sache verhielt ſich alſo. Sonn-
tags nach Tiſche meditirte ich noch ein wenig
auf die Predigt, wie gewoͤhnlich, bis um 2.
Uhr, da der Gottesdienſtangehet. Jch weiß
nicht mehr, ob ich zu Hauſe, ehe ich ausgieng,
vergeſſen, noch einmahl auf den Pot de Cham-
bre zu gehen, oder ob bey dem langen Liede:
Jſt GOtt fuͤr mich, ſo trete ꝛc. ſich ſchon ſo
viel Waſſer wiederum geſammlet; gewiß iſt es,
daß ich nicht durch unmaͤßiges Eſſen und Trin-
cken daran Urſache geweſen, weil ich mein or-
dentliches Maaß hatte, ſo offt ich predigte.
Jch hatte kaum das Capitel zu erklaͤren ange-
fangen, ſo konte ich mich auf etwas, das ich
ſagen wolte, nicht bald beſinnen; und indem ich
mich ſtarck anſtrenge, und das Gedaͤchtniß for-
cire, ſo mercke ich, daß das Waſſer unten fort
will; und diß mit ſolchem ſtarcken Niſu und
Treiben, daß ich den Augenblick in die groͤſte
Furcht geſetzet wurde. Und ie mehr ich fuͤrch-
tete, daß es geſchehen moͤchte, das ich beſorgte:
ie mehr wuchs die Noth, und ie mehr plagte
mich der Urin. Jch kunte nicht laͤnger auf
der Cantzel ſtehen, ſondern ſuchte mir durch Nie-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/670>, abgerufen am 21.11.2024.
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