und ich die Billigkeit meines Thuns und meines Gebets in Zweifel zu ziehen anfleng. Denn es schien, als ob ich der Gnade GOttes Gräntzen setzen wolte, da doch GOtt auch wohl noch fer- ner Gnade vor Recht könte ergehen laßen, ge- setzt auch, daß ich es da und dort etwan wieder versehen, und von der Welt und meinem Flei- sche mich zu einer Sünde solte verleiten laßen, als der ich im Hertzen ohnedem feind war, wider derselben Anfälle stritte, und nichts auf Erden so sehr, als dieselbe, und die erschrecklichen Fol- gen, so sie nach sich ziehet, fürchtete. Jch hörte also auf diese Bitte ferner zu thun, und ließ ab GOtte zuzumuthen, oder beynahe vorzu- schreiben, daß er mich lieber tödten, als zulaßen möchte, daß ich von neuem wider ihn sündigte. Und siehe, ich hatte nicht unrecht von der über- schwenglichen Größe der Gnade GOttes bey dieser Gelegenheit geurtheilet; indem mich nach der Zeit die Erfahrung gelehret, daß GOTT nicht nur ein, und zweymahl, sondern noch mehr- mahl aus grossen Nöthen, die uns betreffen, helf- fen könne, und auch zu helffen pflege; es mögen nun neue Sünden zu solchen Nöthen Gelegen- heit geben, oder GOtt mag durch dieselbe unsern Verderbnissen, und derselben Ausbrüchen zu steu- ren, solche über uns kommen lassen. Denn diese Gemüths-Plage, so ich An. 1704. und An. 1717.
vor
S s 4
Alß dieſelben ſchier
und ich die Billigkeit meines Thuns und meines Gebets in Zweifel zu ziehen anfleng. Denn es ſchien, als ob ich der Gnade GOttes Graͤntzen ſetzen wolte, da doch GOtt auch wohl noch fer- ner Gnade vor Recht koͤnte ergehen laßen, ge- ſetzt auch, daß ich es da und dort etwan wieder verſehen, und von der Welt und meinem Flei- ſche mich zu einer Suͤnde ſolte verleiten laßen, als der ich im Hertzen ohnedem feind war, wider derſelben Anfaͤlle ſtritte, und nichts auf Erden ſo ſehr, als dieſelbe, und die erſchrecklichen Fol- gen, ſo ſie nach ſich ziehet, fuͤrchtete. Jch hoͤrte alſo auf dieſe Bitte ferner zu thun, und ließ ab GOtte zuzumuthen, oder beynahe vorzu- ſchreiben, daß er mich lieber toͤdten, als zulaßen moͤchte, daß ich von neuem wider ihn ſuͤndigte. Und ſiehe, ich hatte nicht unrecht von der uͤber- ſchwenglichen Groͤße der Gnade GOttes bey dieſer Gelegenheit geurtheilet; indem mich nach der Zeit die Erfahrung gelehret, daß GOTT nicht nur ein, und zweymahl, ſondern noch mehr- mahl aus groſſen Noͤthen, die uns betreffen, helf- fen koͤnne, und auch zu helffen pflege; es moͤgen nun neue Suͤnden zu ſolchen Noͤthen Gelegen- heit geben, oder GOtt mag durch dieſelbe unſern Verderbniſſen, und derſelben Ausbruͤchen zu ſteu- ren, ſolche uͤber uns kommen laſſen. Denn dieſe Gemuͤths-Plage, ſo ich An. 1704. und An. 1717.
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Alß dieſelben ſchier
und ich die Billigkeit meines Thuns und meines
Gebets in Zweifel zu ziehen anfleng. Denn es
ſchien, als ob ich der Gnade GOttes Graͤntzen
ſetzen wolte, da doch GOtt auch wohl noch fer-
ner Gnade vor Recht koͤnte ergehen laßen, ge-
ſetzt auch, daß ich es da und dort etwan wieder
verſehen, und von der Welt und meinem Flei-
ſche mich zu einer Suͤnde ſolte verleiten laßen,
als der ich im Hertzen ohnedem feind war, wider
derſelben Anfaͤlle ſtritte, und nichts auf Erden
ſo ſehr, als dieſelbe, und die erſchrecklichen Fol-
gen, ſo ſie nach ſich ziehet, fuͤrchtete. Jch
hoͤrte alſo auf dieſe Bitte ferner zu thun, und
ließ ab GOtte zuzumuthen, oder beynahe vorzu-
ſchreiben, daß er mich lieber toͤdten, als zulaßen
moͤchte, daß ich von neuem wider ihn ſuͤndigte.
Und ſiehe, ich hatte nicht unrecht von der uͤber-
ſchwenglichen Groͤße der Gnade GOttes bey
dieſer Gelegenheit geurtheilet; indem mich nach
der Zeit die Erfahrung gelehret, daß GOTT
nicht nur ein, und zweymahl, ſondern noch mehr-
mahl aus groſſen Noͤthen, die uns betreffen, helf-
fen koͤnne, und auch zu helffen pflege; es moͤgen
nun neue Suͤnden zu ſolchen Noͤthen Gelegen-
heit geben, oder GOtt mag durch dieſelbe unſern
Verderbniſſen, und derſelben Ausbruͤchen zu ſteu-
ren, ſolche uͤber uns kommen laſſen. Denn dieſe
Gemuͤths-Plage, ſo ich An. 1704. und An. 1717.
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/693>, abgerufen am 22.11.2024.
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