herrlichen Reali anfienge, oder beschlöße. Jch gab ihm recht, ich sagte: Er hat allerdinges nicht seines gleichen; ich freue mich selbst, wenn ich ihn nur einmahl kan predigen hö- ren. Es ist auch nicht Wunder, denn dafür ist er auch viel höher, als ich gesetzt. Wenn die obern Prediger uns niedrigen nicht an der Beredtsamkeit, und Gabe zu predigen überträffen, so würden wir uns kaum manchmahl wegen des Ranges zu- frieden stellen können; sintemahl die Er- fahrung lehret, daß sonst offters, was die Eruditionanbetrifft, hier und da in Städ- ten zwischen einem hohen, und niedrigen Prediger wenig oder gar kein Unterscheid ist, und mancher niedriger Prediger seine 7. Sprachen, seinePhilosophieundTheolo- gieso gut als ein ander, ja wohl noch besser verstehet; bey solchen Fällen aber muß man nun hernach gegen niedrige Prediger kein Mißfallen bezeugen, wenn bey Ankunfft besserer ihrApplaususnicht mehr so groß, als zuvor ist.
Anno 1729. §. 149.
So sehr als ich auch sonst von Natur zur Lust und Freude geneigt bin, wie diejenigen wis-
sen,
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ein anderer bekam,
herrlichen Reali anfienge, oder beſchloͤße. Jch gab ihm recht, ich ſagte: Er hat allerdinges nicht ſeines gleichen; ich freue mich ſelbſt, wenn ich ihn nur einmahl kan predigen hoͤ- ren. Es iſt auch nicht Wunder, denn dafuͤr iſt er auch viel hoͤher, als ich geſetzt. Wenn die obern Prediger uns niedrigen nicht an der Beredtſamkeit, und Gabe zu predigen uͤbertraͤffen, ſo wuͤrden wir uns kaum manchmahl wegen des Ranges zu- frieden ſtellen koͤnnen; ſintemahl die Er- fahrung lehret, daß ſonſt offters, was die Eruditionanbetrifft, hier und da in Staͤd- ten zwiſchen einem hohen, und niedrigen Prediger wenig oder gar kein Unterſcheid iſt, und mancher niedriger Prediger ſeine 7. Sprachen, ſeinePhiloſophieundTheolo- gieſo gut als ein ander, ja wohl noch beſſer verſtehet; bey ſolchen Faͤllen aber muß man nun hernach gegen niedrige Prediger kein Mißfallen bezeugen, wenn bey Ankunfft beſſerer ihrApplauſusnicht mehr ſo groß, als zuvor iſt.
Anno 1729. §. 149.
So ſehr als ich auch ſonſt von Natur zur Luſt und Freude geneigt bin, wie diejenigen wiſ-
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ein anderer bekam,
herrlichen Reali anfienge, oder beſchloͤße. Jch
gab ihm recht, ich ſagte: Er hat allerdinges
nicht ſeines gleichen; ich freue mich ſelbſt,
wenn ich ihn nur einmahl kan predigen hoͤ-
ren. Es iſt auch nicht Wunder, denn
dafuͤr iſt er auch viel hoͤher, als ich geſetzt.
Wenn die obern Prediger uns niedrigen
nicht an der Beredtſamkeit, und Gabe zu
predigen uͤbertraͤffen, ſo wuͤrden wir uns
kaum manchmahl wegen des Ranges zu-
frieden ſtellen koͤnnen; ſintemahl die Er-
fahrung lehret, daß ſonſt offters, was die
Erudition anbetrifft, hier und da in Staͤd-
ten zwiſchen einem hohen, und niedrigen
Prediger wenig oder gar kein Unterſcheid
iſt, und mancher niedriger Prediger ſeine
7. Sprachen, ſeine Philoſophie und Theolo-
gie ſo gut als ein ander, ja wohl noch beſſer
verſtehet; bey ſolchen Faͤllen aber muß
man nun hernach gegen niedrige Prediger
kein Mißfallen bezeugen, wenn bey Ankunfft
beſſerer ihr Applauſus nicht mehr ſo groß,
als zuvor iſt.
Anno 1729.
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So ſehr als ich auch ſonſt von Natur zur
Luſt und Freude geneigt bin, wie diejenigen wiſ-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/739>, abgerufen am 25.11.2024.
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