dunckeler Abends-Zeit zu Fuße davon lieff, und wo mir recht ist, ohnweit Eulenburg von dem ehemahligen hiesigen Catecheten, Avenario, auf dem Wege angetroffen, und von demselben, da er keinen Verstand, sondern lauter Verwirrung bey ihm vermercket, in sein Pfarr-Haus mit genommen, und den andern Tag wiederum nach Leipzig geschickt wurde. Er verdiente also wohl, daß man ein Urtheil der Liebe von ihm fällte, und das Beste hoffte, so daß viel mit den scharf- fen Predigten nicht in allem zufrieden waren, die damahls über ihn gehalten worden. Es kam auch eine Predigt zum Vorschein eines Nieder- Sächsischen Theologi, die hitzig weggekaufft wurde, und war doch nichts sonderliches darin- nen zu finden. Die Melancholici, wenn sie sich selbst Schaden thun, wurden zwar darinnen entschuldiget, aber mit keinem Worte gedacht, was Melancholici wären, und durch was vor Mittel, Weg und Weise sie denn eben dazu kommen, daß sie Hand an sich selbst legen, und nicht vielmehr auf andere Thaten gerathen.
Jch kan mich nicht genug wundern, daß die Gelehrten, und unter denselben die Welt-Wei- sen es nur blos bey dem dunckeln Satze, den die Erfahrung beweiset, daß die Melancholici sich selbst umbringen, meistens bewenden lassen, und nicht mehr medice und philosophice, und mora-
liter
ſchrecklichen Todes-Faͤlle
dunckeler Abends-Zeit zu Fuße davon lieff, und wo mir recht iſt, ohnweit Eulenburg von dem ehemahligen hieſigen Catecheten, Avenario, auf dem Wege angetroffen, und von demſelben, da er keinen Verſtand, ſondern lauter Verwirrung bey ihm vermercket, in ſein Pfarr-Haus mit genommen, und den andern Tag wiederum nach Leipzig geſchickt wurde. Er verdiente alſo wohl, daß man ein Urtheil der Liebe von ihm faͤllte, und das Beſte hoffte, ſo daß viel mit den ſcharf- fen Predigten nicht in allem zufrieden waren, die damahls uͤber ihn gehalten worden. Es kam auch eine Predigt zum Vorſchein eines Nieder- Saͤchſiſchen Theologi, die hitzig weggekaufft wurde, und war doch nichts ſonderliches darin- nen zu finden. Die Melancholici, wenn ſie ſich ſelbſt Schaden thun, wurden zwar darinnen entſchuldiget, aber mit keinem Worte gedacht, was Melancholici waͤren, und durch was vor Mittel, Weg und Weiſe ſie denn eben dazu kommen, daß ſie Hand an ſich ſelbſt legen, und nicht vielmehr auf andere Thaten gerathen.
Jch kan mich nicht genug wundern, daß die Gelehrten, und unter denſelben die Welt-Wei- ſen es nur blos bey dem dunckeln Satze, den die Erfahrung beweiſet, daß die Melancholici ſich ſelbſt umbringen, meiſtens bewenden laſſen, und nicht mehr medice und philoſophice, und mora-
liter
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ſchrecklichen Todes-Faͤlle
dunckeler Abends-Zeit zu Fuße davon lieff, und
wo mir recht iſt, ohnweit Eulenburg von dem
ehemahligen hieſigen Catecheten, Avenario, auf
dem Wege angetroffen, und von demſelben, da
er keinen Verſtand, ſondern lauter Verwirrung
bey ihm vermercket, in ſein Pfarr-Haus mit
genommen, und den andern Tag wiederum nach
Leipzig geſchickt wurde. Er verdiente alſo wohl,
daß man ein Urtheil der Liebe von ihm faͤllte,
und das Beſte hoffte, ſo daß viel mit den ſcharf-
fen Predigten nicht in allem zufrieden waren, die
damahls uͤber ihn gehalten worden. Es kam
auch eine Predigt zum Vorſchein eines Nieder-
Saͤchſiſchen Theologi, die hitzig weggekaufft
wurde, und war doch nichts ſonderliches darin-
nen zu finden. Die Melancholici, wenn ſie
ſich ſelbſt Schaden thun, wurden zwar darinnen
entſchuldiget, aber mit keinem Worte gedacht,
was Melancholici waͤren, und durch was vor
Mittel, Weg und Weiſe ſie denn eben dazu
kommen, daß ſie Hand an ſich ſelbſt legen, und
nicht vielmehr auf andere Thaten gerathen.
Jch kan mich nicht genug wundern, daß die
Gelehrten, und unter denſelben die Welt-Wei-
ſen es nur blos bey dem dunckeln Satze, den die
Erfahrung beweiſet, daß die Melancholici ſich
ſelbſt umbringen, meiſtens bewenden laſſen, und
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/756>, abgerufen am 24.11.2024.
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