Rechte schwächet. Nun giengs wieder an ein ängstliches, hitziges Sorgen auf etliche Tage, und war mir nicht so sehr zu thun um das we- nige Geld, was ich etwan im Macherlohn er- spahren konte, als vielmehr, daß ich den armen Mann betrüben, und seinen Bissen Brod kleiner machen solte; weil doch bey mir immer in der- gleichen Fällen bey vielen Jahren her was zu ver- dienen gewesen war. Wenn ich zu solcher Zeit wäre noch Prediger gewesen, und hätte im Beicht-Stuhl sitzen sollen, was würde ich vor Noth und Angst gehabt haben, wenn ich einen Pfuscher hätte absolviren sollen. Jch wünschte, daß iemand diese hier gemachten Scrupel mir recht auflösen möchte; Denn meine Morale, so groß, oder so klein auch dieselbe ist, langet bis diese Stunde noch nicht zu, hier die Dubia, und die Zweifel aufzuheben. Doch kam ich endlich zum Schluße, und machte der Sache ein kurtzes Ende; indem ich demselben seinen Abschied gab, und ihm sagte, daß ich ihn weiter nicht brauchen würde. Jch wolte ihm selbst aber wegen seiner Lebens-Art keinen Scrupel im Gemüthe ma- chen, weil ich meynte, GOtt könte bey solchen armen Leuten große Unerkänntniß mit großer Geduld ertragen, weil sie sonst in höchste Armuth gerathen würden.
Anno
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eines, ſo nicht Meiſter,
Rechte ſchwaͤchet. Nun giengs wieder an ein aͤngſtliches, hitziges Sorgen auf etliche Tage, und war mir nicht ſo ſehr zu thun um das we- nige Geld, was ich etwan im Macherlohn er- ſpahren konte, als vielmehr, daß ich den armen Mann betruͤben, und ſeinen Biſſen Brod kleiner machen ſolte; weil doch bey mir immer in der- gleichen Faͤllen bey vielen Jahren her was zu ver- dienen geweſen war. Wenn ich zu ſolcher Zeit waͤre noch Prediger geweſen, und haͤtte im Beicht-Stuhl ſitzen ſollen, was wuͤrde ich vor Noth und Angſt gehabt haben, wenn ich einen Pfuſcher haͤtte abſolviren ſollen. Jch wuͤnſchte, daß iemand dieſe hier gemachten Scrupel mir recht aufloͤſen moͤchte; Denn meine Morale, ſo groß, oder ſo klein auch dieſelbe iſt, langet bis dieſe Stunde noch nicht zu, hier die Dubia, und die Zweifel aufzuheben. Doch kam ich endlich zum Schluße, und machte der Sache ein kurtzes Ende; indem ich demſelben ſeinen Abſchied gab, und ihm ſagte, daß ich ihn weiter nicht brauchen wuͤrde. Jch wolte ihm ſelbſt aber wegen ſeiner Lebens-Art keinen Scrupel im Gemuͤthe ma- chen, weil ich meynte, GOtt koͤnte bey ſolchen armen Leuten große Unerkaͤnntniß mit großer Geduld ertragen, weil ſie ſonſt in hoͤchſte Armuth gerathen wuͤrden.
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eines, ſo nicht Meiſter,
Rechte ſchwaͤchet. Nun giengs wieder an ein
aͤngſtliches, hitziges Sorgen auf etliche Tage,
und war mir nicht ſo ſehr zu thun um das we-
nige Geld, was ich etwan im Macherlohn er-
ſpahren konte, als vielmehr, daß ich den armen
Mann betruͤben, und ſeinen Biſſen Brod kleiner
machen ſolte; weil doch bey mir immer in der-
gleichen Faͤllen bey vielen Jahren her was zu ver-
dienen geweſen war. Wenn ich zu ſolcher Zeit
waͤre noch Prediger geweſen, und haͤtte im
Beicht-Stuhl ſitzen ſollen, was wuͤrde ich vor
Noth und Angſt gehabt haben, wenn ich einen
Pfuſcher haͤtte abſolviren ſollen. Jch wuͤnſchte,
daß iemand dieſe hier gemachten Scrupel mir
recht aufloͤſen moͤchte; Denn meine Morale, ſo
groß, oder ſo klein auch dieſelbe iſt, langet bis dieſe
Stunde noch nicht zu, hier die Dubia, und die
Zweifel aufzuheben. Doch kam ich endlich zum
Schluße, und machte der Sache ein kurtzes
Ende; indem ich demſelben ſeinen Abſchied gab,
und ihm ſagte, daß ich ihn weiter nicht brauchen
wuͤrde. Jch wolte ihm ſelbſt aber wegen ſeiner
Lebens-Art keinen Scrupel im Gemuͤthe ma-
chen, weil ich meynte, GOtt koͤnte bey ſolchen
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 729. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/775>, abgerufen am 24.11.2024.
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