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Bernoulli, Jakob I.: Neu-erfundene Anleitung / Wie man den Lauff der Comet- oder Schwantzsternen in gewisse grundmässige Gesätze einrichten und ihre Erscheinung vorhersagen könne. Basel, 1681.

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Von dem jüngst erschienenen Cometen
Im Jahr 1680. und 81.

Als mir kurtz-verwichener tagen ein zu Dijon getrucktes Franzö-
sisches Tractätlein ohngefehr in die hände geriethe von dem jüngst-entstandenen/
nunmehr aber auß unserem Gesicht fast verschwundenen Comet- oder Schwantz-
sternen, in welchem der Author den damals noch zukünfftigen Lauff desselben auß
den vorhergehenden angemerckten Erscheinungen außzurechnen sich bemühet;
und ich aber merckte, daß der Außgang nicht gäntzlich damit eingetroffen, angese-
hen er den Stillstand des Cometens den 6. Mertzen St.N. an die Grundseiten des Nordlichen Drey-
eckes hinverleget, da er doch schon 6. 16. Hornung bey die 9 Stuffen fürtergeloffen ware, und nun-
mehr zwischen dem Medusenhaupt und der Bienen sich befindet: Als fienge ich an der Ursach die-
ses Irrthums nachzusinnen, und obs nicht möglich seye, den ungewissen Lauff dieser Wundersternen
endlich in gewisse Schrancken und grundmäßige Gesätze einzufassen, und also eine Theoriam Co-
metarum
anzuordnen, vermittelst welcher man dieselbe einiger maßen möchte vorherwissen und ver
kündigen, nicht anders als die Finsternissen der beyden Himmels-Liechteren. Ehe ich aber dem Stern
liebenden Leser meine Gedancken hierüber offenbahre, muß ich ein und das andere berühren von der
Cometen Herkunfft oder Ursprung, von ihrem Lauff, ihrem Ort, und endlich von ihrem
Schweiff.

1. Belangend ihren Ursprung, solte allhier nicht gedacht werden des alten Wahns, welchem
nach die Cometen müßten entstehen auß schwefelichten, auß der Erden in den oberen Lufftstrich ge-
zogenen, und allda angezündten Dünsten; dann wann deme also, daß die Cometen ein eigenes Liecht
hetten, und nicht vielmehr ein von der Sonnen entlehntes und in unser Aug zuruckgepreltes Liecht,
so könte man keine natürliche Ursach geben, warumb solches eben allezeit der Sonnen gerad müsse
entgegen gesetzt seyn, es seye dann sach, daß man eine heimliche Verständtniß zwischen beyden dich-
ten wolle. Neben deme, daß wann auch der gantze Erdboden solte außdünsten, wurde es
schwerlich genug seyn, einen so ungeheuren Schweiff hervorzubringen. Cartesij des sonst tieffsinni-
gen Naturforschers Meinung von dem Ursprung des Cometen ist eben auch seltzam genug. Er sagt,
daß wann sich umb ein Gestirn nach und nach eine dicke Rinde oder Kuche samle, verhindere sie, daß
das Gestirn seinen Würbel nicht mehr mit solcher Geschwindigkeit herumb treiben könne, und weil
alsdann dieser Weltwürbel dem Gewalt und der Bewegung anderer benachbarten Würbeln nicht
mehr widerstehen könne, werde er nach und nach von denselben, so zu reden abgemeyet und verschlun-
gen, und endlich das Gestirn selbst in einen dergleichen frembden Würbel hingezucket, da es dann zu

Von dem juͤngst erschienenen Cometen
Im Jahr 1680. und 81.

Als mir kurtz-verwichener tagen ein zu Dijon getrucktes Franzoͤ-
sisches Tractaͤtlein ohngefehr in die haͤnde geriethe von dem juͤngst-entstandenen/
nunmehr aber auß unserem Gesicht fast verschwundenen Comet- oder Schwantz-
sternen, in welchem der Author den damals noch zukuͤnfftigen Lauff desselben auß
den vorhergehenden angemerckten Erscheinungen außzurechnen sich bemuͤhet;
und ich aber merckte, daß der Außgang nicht gaͤntzlich damit eingetroffen, angese-
hen er den Stillstand des Cometens den 6. Mertzen St.N. an die Grundseiten des Nordlichen Drey-
eckes hinverleget, da er doch schon 6. 16. Hornung bey die 9 Stuffen fuͤrtergeloffen ware, und nun-
mehr zwischen dem Medusenhaupt und der Bienen sich befindet: Als fienge ich an der Ursach die-
ses Irrthums nachzusinnen, und obs nicht moͤglich seye, den ungewissen Lauff dieser Wundersternen
endlich in gewisse Schrancken und grundmaͤßige Gesaͤtze einzufassen, und also eine Theoriam Co-
metarum
anzuordnen, vermittelst welcher man dieselbe einiger maßen moͤchte vorherwissen und ver
kuͤndigen, nicht anders als die Finsternissen der beyden Himmels-Liechteren. Ehe ich aber dem Stern
liebenden Leser meine Gedancken hieruͤber offenbahre, muß ich ein und das andere beruͤhren von der
Cometen Herkunfft oder Ursprung, von ihrem Lauff, ihrem Ort, und endlich von ihrem
Schweiff.

1. Belangend ihren Ursprung, solte allhier nicht gedacht werden des alten Wahns, welchem
nach die Cometen muͤßten entstehen auß schwefelichten, auß der Erden in den oberen Lufftstrich ge-
zogenen, und allda angezuͤndten Duͤnsten; dann wann deme also, daß die Cometen ein eigenes Liecht
hetten, und nicht vielmehr ein von der Sonnen entlehntes und in unser Aug zuruckgepreltes Liecht,
so koͤnte man keine natuͤrliche Ursach geben, warumb solches eben allezeit der Sonnen gerad muͤsse
entgegen gesetzt seyn, es seye dann sach, daß man eine heimliche Verstaͤndtniß zwischen beyden dich-
ten wolle. Neben deme, daß wann auch der gantze Erdboden solte außduͤnsten, wurde es
schwerlich genug seyn, einen so ungeheuren Schweiff hervorzubringen. Cartesij des sonst tieffsinni-
gen Naturforschers Meinung von dem Ursprung des Cometen ist eben auch seltzam genug. Er sagt,
daß wann sich umb ein Gestirn nach und nach eine dicke Rinde oder Kuche samle, verhindere sie, daß
das Gestirn seinen Wuͤrbel nicht mehr mit solcher Geschwindigkeit herumb treiben koͤnne, und weil
alsdann dieser Weltwuͤrbel dem Gewalt und der Bewegung anderer benachbarten Wuͤrbeln nicht
mehr widerstehen koͤnne, werde er nach und nach von denselben, so zu reden abgemeyet und verschlun-
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[3/0003] Von dem juͤngst erschienenen Cometen Im Jahr 1680. und 81. Als mir kurtz-verwichener tagen ein zu Dijon getrucktes Franzoͤ- sisches Tractaͤtlein ohngefehr in die haͤnde geriethe von dem juͤngst-entstandenen/ nunmehr aber auß unserem Gesicht fast verschwundenen Comet- oder Schwantz- sternen, in welchem der Author den damals noch zukuͤnfftigen Lauff desselben auß den vorhergehenden angemerckten Erscheinungen außzurechnen sich bemuͤhet; und ich aber merckte, daß der Außgang nicht gaͤntzlich damit eingetroffen, angese- hen er den Stillstand des Cometens den 6. Mertzen St.N. an die Grundseiten des Nordlichen Drey- eckes hinverleget, da er doch schon 6. 16. Hornung bey die 9 Stuffen fuͤrtergeloffen ware, und nun- mehr zwischen dem Medusenhaupt und der Bienen sich befindet: Als fienge ich an der Ursach die- ses Irrthums nachzusinnen, und obs nicht moͤglich seye, den ungewissen Lauff dieser Wundersternen endlich in gewisse Schrancken und grundmaͤßige Gesaͤtze einzufassen, und also eine Theoriam Co- metarum anzuordnen, vermittelst welcher man dieselbe einiger maßen moͤchte vorherwissen und ver kuͤndigen, nicht anders als die Finsternissen der beyden Himmels-Liechteren. Ehe ich aber dem Stern liebenden Leser meine Gedancken hieruͤber offenbahre, muß ich ein und das andere beruͤhren von der Cometen Herkunfft oder Ursprung, von ihrem Lauff, ihrem Ort, und endlich von ihrem Schweiff. 1. Belangend ihren Ursprung, solte allhier nicht gedacht werden des alten Wahns, welchem nach die Cometen muͤßten entstehen auß schwefelichten, auß der Erden in den oberen Lufftstrich ge- zogenen, und allda angezuͤndten Duͤnsten; dann wann deme also, daß die Cometen ein eigenes Liecht hetten, und nicht vielmehr ein von der Sonnen entlehntes und in unser Aug zuruckgepreltes Liecht, so koͤnte man keine natuͤrliche Ursach geben, warumb solches eben allezeit der Sonnen gerad muͤsse entgegen gesetzt seyn, es seye dann sach, daß man eine heimliche Verstaͤndtniß zwischen beyden dich- ten wolle. Neben deme, daß wann auch der gantze Erdboden solte außduͤnsten, wurde es schwerlich genug seyn, einen so ungeheuren Schweiff hervorzubringen. Cartesij des sonst tieffsinni- gen Naturforschers Meinung von dem Ursprung des Cometen ist eben auch seltzam genug. Er sagt, daß wann sich umb ein Gestirn nach und nach eine dicke Rinde oder Kuche samle, verhindere sie, daß das Gestirn seinen Wuͤrbel nicht mehr mit solcher Geschwindigkeit herumb treiben koͤnne, und weil alsdann dieser Weltwuͤrbel dem Gewalt und der Bewegung anderer benachbarten Wuͤrbeln nicht mehr widerstehen koͤnne, werde er nach und nach von denselben, so zu reden abgemeyet und verschlun- gen, und endlich das Gestirn selbst in einen dergleichen frembden Wuͤrbel hingezucket, da es dann zu

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Service Commun de la Documentation de l'Université de Strasbourg: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2011-07-20T12:00:00Z)

Weitere Informationen:

  • Langes s wurde als rundes s transkribiert.
  • Kustoden und Bogensignaturen wurden nicht transkribiert.
  • Normalisierungen von ss zu ß wurden vorgenommen.
  • Auflösungen von Nasalstrichen oder Kürzungsstrichen wurden vorgenommen.



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Zitationshilfe: Bernoulli, Jakob I.: Neu-erfundene Anleitung / Wie man den Lauff der Comet- oder Schwantzsternen in gewisse grundmässige Gesätze einrichten und ihre Erscheinung vorhersagen könne. Basel, 1681, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernoulli_comet_1681/3>, abgerufen am 22.12.2024.