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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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chen's Haus war am anderen Ende. Sie trat auf den Flur mit dem erdigen Boden, legte Hut und Rechen ab und ging in die Küche, den Milchbrei zu bereiten. Als sie das Mehl einstreute, kam ihr Schwesterchen mit dem Kranze daher, den sie von ihrem Hute genommen; sie guckte in den Topf und sagte: Süßer Brei, Lieschen? -- Närrchen, antwortete diese, morgen ist Sonntag! -- Ach so mache ihn doch alle Tage süß, was geht mich der Sonntag an, ich gehe ja noch nicht mit in die Kirche und aufs Feld! entgegnete die Kleine, indem sie den Kranz zerpflückte und einzelne welke Blumen ins Feuer warf. Doch Lieschen ließ den Löffel im Topfe stehen, daß die Flamme seinen langen Stiel ergriff und ihn wie gemeines Holz behandelte, setzte den Topf mit Mehl hastig neben die brennenden Töpfe und fuhr mit der noch ganz weißen Hand nach dem Kranze, den sie der Kleinen entriß. Darüber erhob diese ein großes Geschrei. Lieschen erschrack, sie dachte, die Mutter möchte kommen und Red' und Antwort fordern, denn das Nestküchlein war ihr Liebling; sie konnte gezwungen werden, ihm den welken Kranz zu überlassen, oder man konnte wissen wollen -- sie wußte selbst nicht was. Sie wandte sich schnell ab, riß den Busch Vergißmeinnicht heraus, steckte ihn in den Eimer, der im Schatten stand, und gab der Kleinen den Kranz zurück, die nach Art verzogener Kinder zwar zu schreien aufhörte, doch nun ohne Unterlaß

chen's Haus war am anderen Ende. Sie trat auf den Flur mit dem erdigen Boden, legte Hut und Rechen ab und ging in die Küche, den Milchbrei zu bereiten. Als sie das Mehl einstreute, kam ihr Schwesterchen mit dem Kranze daher, den sie von ihrem Hute genommen; sie guckte in den Topf und sagte: Süßer Brei, Lieschen? — Närrchen, antwortete diese, morgen ist Sonntag! — Ach so mache ihn doch alle Tage süß, was geht mich der Sonntag an, ich gehe ja noch nicht mit in die Kirche und aufs Feld! entgegnete die Kleine, indem sie den Kranz zerpflückte und einzelne welke Blumen ins Feuer warf. Doch Lieschen ließ den Löffel im Topfe stehen, daß die Flamme seinen langen Stiel ergriff und ihn wie gemeines Holz behandelte, setzte den Topf mit Mehl hastig neben die brennenden Töpfe und fuhr mit der noch ganz weißen Hand nach dem Kranze, den sie der Kleinen entriß. Darüber erhob diese ein großes Geschrei. Lieschen erschrack, sie dachte, die Mutter möchte kommen und Red' und Antwort fordern, denn das Nestküchlein war ihr Liebling; sie konnte gezwungen werden, ihm den welken Kranz zu überlassen, oder man konnte wissen wollen — sie wußte selbst nicht was. Sie wandte sich schnell ab, riß den Busch Vergißmeinnicht heraus, steckte ihn in den Eimer, der im Schatten stand, und gab der Kleinen den Kranz zurück, die nach Art verzogener Kinder zwar zu schreien aufhörte, doch nun ohne Unterlaß

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[0016] chen's Haus war am anderen Ende. Sie trat auf den Flur mit dem erdigen Boden, legte Hut und Rechen ab und ging in die Küche, den Milchbrei zu bereiten. Als sie das Mehl einstreute, kam ihr Schwesterchen mit dem Kranze daher, den sie von ihrem Hute genommen; sie guckte in den Topf und sagte: Süßer Brei, Lieschen? — Närrchen, antwortete diese, morgen ist Sonntag! — Ach so mache ihn doch alle Tage süß, was geht mich der Sonntag an, ich gehe ja noch nicht mit in die Kirche und aufs Feld! entgegnete die Kleine, indem sie den Kranz zerpflückte und einzelne welke Blumen ins Feuer warf. Doch Lieschen ließ den Löffel im Topfe stehen, daß die Flamme seinen langen Stiel ergriff und ihn wie gemeines Holz behandelte, setzte den Topf mit Mehl hastig neben die brennenden Töpfe und fuhr mit der noch ganz weißen Hand nach dem Kranze, den sie der Kleinen entriß. Darüber erhob diese ein großes Geschrei. Lieschen erschrack, sie dachte, die Mutter möchte kommen und Red' und Antwort fordern, denn das Nestküchlein war ihr Liebling; sie konnte gezwungen werden, ihm den welken Kranz zu überlassen, oder man konnte wissen wollen — sie wußte selbst nicht was. Sie wandte sich schnell ab, riß den Busch Vergißmeinnicht heraus, steckte ihn in den Eimer, der im Schatten stand, und gab der Kleinen den Kranz zurück, die nach Art verzogener Kinder zwar zu schreien aufhörte, doch nun ohne Unterlaß

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/16>, abgerufen am 24.11.2024.