Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Betrachtung ihrem Vater, der schon seine eigenen Absichten mit der Tochter hatte. Sein Wort sank schwer in ihre Seele, sie dachte den ganzen Abend daran, am andern Morgen war ihr etwas heiterer zu Muth; die Nacht lag dazwischen, sie meinte: Es fällt manches Wort zur Erde, das nicht aufgeht. Aber es kam ihr doch nicht aus dem Sinn, und da sie Fritz seitdem nicht gesehen hatte, wollte sie sich an seinem Stellvertreter, der neuen Nadel, darüber trösten und steckte sie, wie einen schützenden Zauber, die Namen zu unterst, in die Flechten, nachdem sie sie zuvor sorgfältig mit Kaffeesatz eingerieben hatte, daß das blanke Buchsbaumholz nicht so gelb und frisch scheinen sollte. Dennoch war ihr, als sehe die Mutter scharf darauf hin. Das machte sie verlegen, sie beschloß, die alte Nadel lieber wieder zu tragen. So steckte sie denn die neue in ein Paar Strümpfe, zog es über einander und legte es zwischen die übrigen in ihren Kasten; dann ging sie aufs Feld, die Kartoffeln zu behacken, die schon in der Blüthe standen. Als sie Mittags nach Hause kam, eilte sie an ihre Lade, die süße Bestätigung ihrer Verbindung, die ihr unter den häuslichen Geschäften immer ein Traum schien, in den beiden Namen zu lesen, die hier von seiner Hand verschlungen standen. Aber in den Strümpfen, in welche sie die Nadel gesteckt zu haben glaubte, war sie nicht. Sie meinte sich zu irren, öffnete ein anderes Betrachtung ihrem Vater, der schon seine eigenen Absichten mit der Tochter hatte. Sein Wort sank schwer in ihre Seele, sie dachte den ganzen Abend daran, am andern Morgen war ihr etwas heiterer zu Muth; die Nacht lag dazwischen, sie meinte: Es fällt manches Wort zur Erde, das nicht aufgeht. Aber es kam ihr doch nicht aus dem Sinn, und da sie Fritz seitdem nicht gesehen hatte, wollte sie sich an seinem Stellvertreter, der neuen Nadel, darüber trösten und steckte sie, wie einen schützenden Zauber, die Namen zu unterst, in die Flechten, nachdem sie sie zuvor sorgfältig mit Kaffeesatz eingerieben hatte, daß das blanke Buchsbaumholz nicht so gelb und frisch scheinen sollte. Dennoch war ihr, als sehe die Mutter scharf darauf hin. Das machte sie verlegen, sie beschloß, die alte Nadel lieber wieder zu tragen. So steckte sie denn die neue in ein Paar Strümpfe, zog es über einander und legte es zwischen die übrigen in ihren Kasten; dann ging sie aufs Feld, die Kartoffeln zu behacken, die schon in der Blüthe standen. Als sie Mittags nach Hause kam, eilte sie an ihre Lade, die süße Bestätigung ihrer Verbindung, die ihr unter den häuslichen Geschäften immer ein Traum schien, in den beiden Namen zu lesen, die hier von seiner Hand verschlungen standen. Aber in den Strümpfen, in welche sie die Nadel gesteckt zu haben glaubte, war sie nicht. Sie meinte sich zu irren, öffnete ein anderes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027"/> Betrachtung ihrem Vater, der schon seine eigenen Absichten mit der Tochter hatte.</p><lb/> <p>Sein Wort sank schwer in ihre Seele, sie dachte den ganzen Abend daran, am andern Morgen war ihr etwas heiterer zu Muth; die Nacht lag dazwischen, sie meinte: Es fällt manches Wort zur Erde, das nicht aufgeht. Aber es kam ihr doch nicht aus dem Sinn, und da sie Fritz seitdem nicht gesehen hatte, wollte sie sich an seinem Stellvertreter, der neuen Nadel, darüber trösten und steckte sie, wie einen schützenden Zauber, die Namen zu unterst, in die Flechten, nachdem sie sie zuvor sorgfältig mit Kaffeesatz eingerieben hatte, daß das blanke Buchsbaumholz nicht so gelb und frisch scheinen sollte. Dennoch war ihr, als sehe die Mutter scharf darauf hin. Das machte sie verlegen, sie beschloß, die alte Nadel lieber wieder zu tragen. So steckte sie denn die neue in ein Paar Strümpfe, zog es über einander und legte es zwischen die übrigen in ihren Kasten; dann ging sie aufs Feld, die Kartoffeln zu behacken, die schon in der Blüthe standen.</p><lb/> <p>Als sie Mittags nach Hause kam, eilte sie an ihre Lade, die süße Bestätigung ihrer Verbindung, die ihr unter den häuslichen Geschäften immer ein Traum schien, in den beiden Namen zu lesen, die hier von seiner Hand verschlungen standen. Aber in den Strümpfen, in welche sie die Nadel gesteckt zu haben glaubte, war sie nicht. Sie meinte sich zu irren, öffnete ein anderes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
Betrachtung ihrem Vater, der schon seine eigenen Absichten mit der Tochter hatte.
Sein Wort sank schwer in ihre Seele, sie dachte den ganzen Abend daran, am andern Morgen war ihr etwas heiterer zu Muth; die Nacht lag dazwischen, sie meinte: Es fällt manches Wort zur Erde, das nicht aufgeht. Aber es kam ihr doch nicht aus dem Sinn, und da sie Fritz seitdem nicht gesehen hatte, wollte sie sich an seinem Stellvertreter, der neuen Nadel, darüber trösten und steckte sie, wie einen schützenden Zauber, die Namen zu unterst, in die Flechten, nachdem sie sie zuvor sorgfältig mit Kaffeesatz eingerieben hatte, daß das blanke Buchsbaumholz nicht so gelb und frisch scheinen sollte. Dennoch war ihr, als sehe die Mutter scharf darauf hin. Das machte sie verlegen, sie beschloß, die alte Nadel lieber wieder zu tragen. So steckte sie denn die neue in ein Paar Strümpfe, zog es über einander und legte es zwischen die übrigen in ihren Kasten; dann ging sie aufs Feld, die Kartoffeln zu behacken, die schon in der Blüthe standen.
Als sie Mittags nach Hause kam, eilte sie an ihre Lade, die süße Bestätigung ihrer Verbindung, die ihr unter den häuslichen Geschäften immer ein Traum schien, in den beiden Namen zu lesen, die hier von seiner Hand verschlungen standen. Aber in den Strümpfen, in welche sie die Nadel gesteckt zu haben glaubte, war sie nicht. Sie meinte sich zu irren, öffnete ein anderes
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/27>, abgerufen am 16.02.2025. |