Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.großer Herr unter den Zuhörern gewesen sein. Lange noch that der Herr Pfarrer sich viel auf diesen Umstand zu Gute, und als er einige Monate nachher in eine Stadt versetzt ward, behauptete er, ein Prinz des regierenden Hauses habe ihn damals gehört und den Beifall über sein Rednertalent durch die reiche Gabe für die Armen an den Tag legen wollen, weßhalb denn auch seine Versetzung zu einer größeren Heerde, von der man so lange vergeblich gesprochen, so plötzlich bewirkt worden. Einige Zeit darauf aber erscholl ein anderes Gerücht im Dorf, welches noch größeres Aussehen machte. Fritz, hieß es, Unterberg's Fritz, Irrwisch-Fritze, heirathe Fiedler's Gertrud, die ihn in seiner Krankheit, bei einem Stickfluß, der ihn in ihrem Hause überfallen, gepflegt, und die Hochzeit werde an Einem Tage mit Lieschen's Hochzeit sein. Diesen Umstand überlegte sich der rothe Töffel mit seiner Braut, und er meinte, es sei äußerst bequem, sich auch auf Martenstag trauen zu lassen, weil drei Paare auf einmal zu trauen weniger koste, als wenn ein einzelnes Paar getraut würde, da der Herr Pastor doch nur eine Rede zu halten und den Segen nur einmal zu sprechen brauche. Er theilte seine Gedanken dem Klaus Bartels mit, seinem Freunde, der zu Weihnachten des Tischlers Else heirathen sollte, und Klaus und Else sagten, wenn die Andern sich auf Martenstag wohlfeil trauen ließen, so wären sie doch wohl rechte großer Herr unter den Zuhörern gewesen sein. Lange noch that der Herr Pfarrer sich viel auf diesen Umstand zu Gute, und als er einige Monate nachher in eine Stadt versetzt ward, behauptete er, ein Prinz des regierenden Hauses habe ihn damals gehört und den Beifall über sein Rednertalent durch die reiche Gabe für die Armen an den Tag legen wollen, weßhalb denn auch seine Versetzung zu einer größeren Heerde, von der man so lange vergeblich gesprochen, so plötzlich bewirkt worden. Einige Zeit darauf aber erscholl ein anderes Gerücht im Dorf, welches noch größeres Aussehen machte. Fritz, hieß es, Unterberg's Fritz, Irrwisch-Fritze, heirathe Fiedler's Gertrud, die ihn in seiner Krankheit, bei einem Stickfluß, der ihn in ihrem Hause überfallen, gepflegt, und die Hochzeit werde an Einem Tage mit Lieschen's Hochzeit sein. Diesen Umstand überlegte sich der rothe Töffel mit seiner Braut, und er meinte, es sei äußerst bequem, sich auch auf Martenstag trauen zu lassen, weil drei Paare auf einmal zu trauen weniger koste, als wenn ein einzelnes Paar getraut würde, da der Herr Pastor doch nur eine Rede zu halten und den Segen nur einmal zu sprechen brauche. Er theilte seine Gedanken dem Klaus Bartels mit, seinem Freunde, der zu Weihnachten des Tischlers Else heirathen sollte, und Klaus und Else sagten, wenn die Andern sich auf Martenstag wohlfeil trauen ließen, so wären sie doch wohl rechte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093"/> großer Herr unter den Zuhörern gewesen sein. Lange noch that der Herr Pfarrer sich viel auf diesen Umstand zu Gute, und als er einige Monate nachher in eine Stadt versetzt ward, behauptete er, ein Prinz des regierenden Hauses habe ihn damals gehört und den Beifall über sein Rednertalent durch die reiche Gabe für die Armen an den Tag legen wollen, weßhalb denn auch seine Versetzung zu einer größeren Heerde, von der man so lange vergeblich gesprochen, so plötzlich bewirkt worden.</p><lb/> <p>Einige Zeit darauf aber erscholl ein anderes Gerücht im Dorf, welches noch größeres Aussehen machte. Fritz, hieß es, Unterberg's Fritz, Irrwisch-Fritze, heirathe Fiedler's Gertrud, die ihn in seiner Krankheit, bei einem Stickfluß, der ihn in ihrem Hause überfallen, gepflegt, und die Hochzeit werde an Einem Tage mit Lieschen's Hochzeit sein.</p><lb/> <p>Diesen Umstand überlegte sich der rothe Töffel mit seiner Braut, und er meinte, es sei äußerst bequem, sich auch auf Martenstag trauen zu lassen, weil drei Paare auf einmal zu trauen weniger koste, als wenn ein einzelnes Paar getraut würde, da der Herr Pastor doch nur eine Rede zu halten und den Segen nur einmal zu sprechen brauche. Er theilte seine Gedanken dem Klaus Bartels mit, seinem Freunde, der zu Weihnachten des Tischlers Else heirathen sollte, und Klaus und Else sagten, wenn die Andern sich auf Martenstag wohlfeil trauen ließen, so wären sie doch wohl rechte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
großer Herr unter den Zuhörern gewesen sein. Lange noch that der Herr Pfarrer sich viel auf diesen Umstand zu Gute, und als er einige Monate nachher in eine Stadt versetzt ward, behauptete er, ein Prinz des regierenden Hauses habe ihn damals gehört und den Beifall über sein Rednertalent durch die reiche Gabe für die Armen an den Tag legen wollen, weßhalb denn auch seine Versetzung zu einer größeren Heerde, von der man so lange vergeblich gesprochen, so plötzlich bewirkt worden.
Einige Zeit darauf aber erscholl ein anderes Gerücht im Dorf, welches noch größeres Aussehen machte. Fritz, hieß es, Unterberg's Fritz, Irrwisch-Fritze, heirathe Fiedler's Gertrud, die ihn in seiner Krankheit, bei einem Stickfluß, der ihn in ihrem Hause überfallen, gepflegt, und die Hochzeit werde an Einem Tage mit Lieschen's Hochzeit sein.
Diesen Umstand überlegte sich der rothe Töffel mit seiner Braut, und er meinte, es sei äußerst bequem, sich auch auf Martenstag trauen zu lassen, weil drei Paare auf einmal zu trauen weniger koste, als wenn ein einzelnes Paar getraut würde, da der Herr Pastor doch nur eine Rede zu halten und den Segen nur einmal zu sprechen brauche. Er theilte seine Gedanken dem Klaus Bartels mit, seinem Freunde, der zu Weihnachten des Tischlers Else heirathen sollte, und Klaus und Else sagten, wenn die Andern sich auf Martenstag wohlfeil trauen ließen, so wären sie doch wohl rechte
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/93>, abgerufen am 20.07.2024. |