Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§§. 23. 24. Gemeinsame Bestimmungen über die Ehrenstrafen.

§. 30. "Der Verlust von Pensionen, welche aus der Staats-
kasse an entlassene Staatsdiener gezahlt werden, tritt ein, wenn
der Pensionair vor oder nach seiner Entlassung eines Verbrechens
sich schuldig gemacht hat, welches, wenn er noch im Dienste
gewesen wäre, die Kassation oder Amtsentsetzung zur Folge ge-
habt haben würde. -- Auf den Verlust anderer Pensionen ist
nur dann zu erkennen, wenn solches durch besondere Vorschriften
bestimmt ist."

Der Entwurf von 1850. dehnte diese Bestimmung in der Art aus,
daß er das, was früher als Folge der Kassation und Amtsentziehung
vorgeschrieben war, mit den beiden Arten der Ehrenstrafen in Verbin-
dung brachte, es nicht bloß auf Staatsbeamte, sondern auch auf Ge-
meindebeamte anwandte, und den beschränkenden Zusatz wegen anderer
Pensionen wegließ. Dagegen war bloß auf die aus der Staatskasse
zu zahlenden Pensionen oder Gnadengehalte Bezug genommen, was in
der Kommission der zweiten Kammer mit Zustimmung des Kommissars
des Justizministers, welcher erklärte, es liege hier bloß eine Omission
vor, -- durch den Zusatz: "oder einer Gemeindekasse" abgeändert
wurde. y)

Die Vorschriften des §. 23. beziehen sich daher

1) auf entlassene Staats- und Gemeindebeamten; Personen, die in
einer anderen amtlichen Wirksamkeit gestanden haben, werden
dadurch nicht betroffen;
2) auf alle Pensionen und Gnadengehalte, die aus der Staats-
kasse oder einer Gemeindekasse gezahlt werden; Zahlungen, die
aus anderen Mitteln beschafft werden, z. B. aus denen eines
geistlichen Stiftes, fallen nicht unter diese Bestimmung.

Gegen die allgemeine Fassung der gesetzlichen Vorschrift und die
Gleichstellung der zeitigen Untersagung mit dem Verluste der bürgerlichen
Ehre lassen sich manche Bedenken erheben; z) doch ist mit den Motiven
zum Entwurf von 1850. anzuerkennen, daß §. 23. aus dem in §. 22.
aufgestellten Princip hergeleitet werden kann. Wo dieß im einzelnen
Fall zu einer übertriebenen Härte führen würde, wird auf eine milde
Ausgleichung im Wege der Gnade zu hoffen sein.

II. Dagegen ist die Bestimmung in §. 24. principiell nicht zu
rechtfertigen; sie steht mit dem Rechtsgrundsatz: ne bis in idem in
Widerspruch, und ist auch mit der §. 4. Nr. 3. aufgestellten Regel nicht

y) Protokolle der Kommission der zweiten Kammer, Sitzung vom
15. Jan. 1851.
z) Vgl. Abegg, der Entwurf des Strafgesetzbuchs von 1850. S. 22-24.
9 *
§§. 23. 24. Gemeinſame Beſtimmungen über die Ehrenſtrafen.

§. 30. „Der Verluſt von Penſionen, welche aus der Staats-
kaſſe an entlaſſene Staatsdiener gezahlt werden, tritt ein, wenn
der Penſionair vor oder nach ſeiner Entlaſſung eines Verbrechens
ſich ſchuldig gemacht hat, welches, wenn er noch im Dienſte
geweſen wäre, die Kaſſation oder Amtsentſetzung zur Folge ge-
habt haben würde. — Auf den Verluſt anderer Penſionen iſt
nur dann zu erkennen, wenn ſolches durch beſondere Vorſchriften
beſtimmt iſt.“

Der Entwurf von 1850. dehnte dieſe Beſtimmung in der Art aus,
daß er das, was früher als Folge der Kaſſation und Amtsentziehung
vorgeſchrieben war, mit den beiden Arten der Ehrenſtrafen in Verbin-
dung brachte, es nicht bloß auf Staatsbeamte, ſondern auch auf Ge-
meindebeamte anwandte, und den beſchränkenden Zuſatz wegen anderer
Penſionen wegließ. Dagegen war bloß auf die aus der Staatskaſſe
zu zahlenden Penſionen oder Gnadengehalte Bezug genommen, was in
der Kommiſſion der zweiten Kammer mit Zuſtimmung des Kommiſſars
des Juſtizminiſters, welcher erklärte, es liege hier bloß eine Omiſſion
vor, — durch den Zuſatz: „oder einer Gemeindekaſſe“ abgeändert
wurde. y)

Die Vorſchriften des §. 23. beziehen ſich daher

1) auf entlaſſene Staats- und Gemeindebeamten; Perſonen, die in
einer anderen amtlichen Wirkſamkeit geſtanden haben, werden
dadurch nicht betroffen;
2) auf alle Penſionen und Gnadengehalte, die aus der Staats-
kaſſe oder einer Gemeindekaſſe gezahlt werden; Zahlungen, die
aus anderen Mitteln beſchafft werden, z. B. aus denen eines
geiſtlichen Stiftes, fallen nicht unter dieſe Beſtimmung.

Gegen die allgemeine Faſſung der geſetzlichen Vorſchrift und die
Gleichſtellung der zeitigen Unterſagung mit dem Verluſte der bürgerlichen
Ehre laſſen ſich manche Bedenken erheben; z) doch iſt mit den Motiven
zum Entwurf von 1850. anzuerkennen, daß §. 23. aus dem in §. 22.
aufgeſtellten Princip hergeleitet werden kann. Wo dieß im einzelnen
Fall zu einer übertriebenen Härte führen würde, wird auf eine milde
Ausgleichung im Wege der Gnade zu hoffen ſein.

II. Dagegen iſt die Beſtimmung in §. 24. principiell nicht zu
rechtfertigen; ſie ſteht mit dem Rechtsgrundſatz: ne bis in idem in
Widerſpruch, und iſt auch mit der §. 4. Nr. 3. aufgeſtellten Regel nicht

y) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer, Sitzung vom
15. Jan. 1851.
z) Vgl. Abegg, der Entwurf des Strafgeſetzbuchs von 1850. S. 22-24.
9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0141" n="131"/>
                <fw place="top" type="header">§§. 23. 24. Gemein&#x017F;ame Be&#x017F;timmungen über          die Ehren&#x017F;trafen.</fw><lb/>
                <p>§. 30. &#x201E;Der Verlu&#x017F;t von Pen&#x017F;ionen, welche aus der          Staats-<lb/>
ka&#x017F;&#x017F;e an entla&#x017F;&#x017F;ene Staatsdiener          gezahlt werden, tritt ein, wenn<lb/>
der Pen&#x017F;ionair vor oder nach          &#x017F;einer Entla&#x017F;&#x017F;ung eines Verbrechens<lb/>
&#x017F;ich          &#x017F;chuldig gemacht hat, welches, wenn er noch im          Dien&#x017F;te<lb/>
gewe&#x017F;en wäre, die Ka&#x017F;&#x017F;ation oder          Amtsent&#x017F;etzung zur Folge ge-<lb/>
habt haben würde. &#x2014; Auf den          Verlu&#x017F;t anderer Pen&#x017F;ionen i&#x017F;t<lb/>
nur dann zu erkennen,          wenn &#x017F;olches durch be&#x017F;ondere          Vor&#x017F;chriften<lb/>
be&#x017F;timmt i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
                <p>Der Entwurf von 1850. dehnte die&#x017F;e Be&#x017F;timmung in der Art          aus,<lb/>
daß er das, was früher als Folge der Ka&#x017F;&#x017F;ation und          Amtsentziehung<lb/>
vorge&#x017F;chrieben war, mit den beiden Arten der          Ehren&#x017F;trafen in Verbin-<lb/>
dung brachte, es nicht bloß auf Staatsbeamte,          &#x017F;ondern auch auf Ge-<lb/>
meindebeamte anwandte, und den          be&#x017F;chränkenden Zu&#x017F;atz wegen anderer<lb/>
Pen&#x017F;ionen wegließ.          Dagegen war bloß auf die aus der Staatska&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu zahlenden          Pen&#x017F;ionen oder Gnadengehalte Bezug genommen, was in<lb/>
der          Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten Kammer mit Zu&#x017F;timmung des          Kommi&#x017F;&#x017F;ars<lb/>
des Ju&#x017F;tizmini&#x017F;ters, welcher          erklärte, es liege hier bloß eine Omi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
vor, &#x2014;          durch den Zu&#x017F;atz: &#x201E;oder einer          Gemeindeka&#x017F;&#x017F;e&#x201C; abgeändert<lb/>
wurde. <note place="foot" n="y)"><hi rendition="#g">Protokolle der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten            Kammer</hi>, Sitzung vom<lb/>
15. Jan. 1851.</note>         </p><lb/>
                <p>Die Vor&#x017F;chriften des §. 23. beziehen &#x017F;ich daher</p><lb/>
                <list>
                  <item>1) auf entla&#x017F;&#x017F;ene Staats- und Gemeindebeamten;           Per&#x017F;onen, die in<lb/>
einer anderen amtlichen Wirk&#x017F;amkeit           ge&#x017F;tanden haben, werden<lb/>
dadurch nicht betroffen;</item><lb/>
                  <item>2) auf alle Pen&#x017F;ionen und Gnadengehalte, die aus der           Staats-<lb/>
ka&#x017F;&#x017F;e oder einer Gemeindeka&#x017F;&#x017F;e           gezahlt werden; Zahlungen, die<lb/>
aus anderen Mitteln be&#x017F;chafft werden, z. B.           aus denen eines<lb/>
gei&#x017F;tlichen Stiftes, fallen nicht unter die&#x017F;e           Be&#x017F;timmung.</item>
                </list><lb/>
                <p>Gegen die allgemeine Fa&#x017F;&#x017F;ung der ge&#x017F;etzlichen          Vor&#x017F;chrift und die<lb/>
Gleich&#x017F;tellung der zeitigen          Unter&#x017F;agung mit dem Verlu&#x017F;te der bürgerlichen<lb/>
Ehre          la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich manche Bedenken erheben; <note place="foot" n="z)">Vgl. <hi rendition="#g">Abegg</hi>, der Entwurf des Strafge&#x017F;etzbuchs von           1850. S. 22-24.</note> doch i&#x017F;t mit den Motiven<lb/>
zum Entwurf von 1850.          anzuerkennen, daß §. 23. aus dem in §. 22.<lb/>
aufge&#x017F;tellten Princip hergeleitet          werden kann. Wo dieß im einzelnen<lb/>
Fall zu einer übertriebenen Härte führen würde, wird          auf eine milde<lb/>
Ausgleichung im Wege der Gnade zu hoffen &#x017F;ein.</p><lb/>
                <p>II. Dagegen i&#x017F;t die Be&#x017F;timmung in §. 24. principiell nicht          zu<lb/>
rechtfertigen; &#x017F;ie &#x017F;teht mit dem Rechtsgrund&#x017F;atz: <hi rendition="#aq">ne bis in idem in</hi><lb/>
Wider&#x017F;pruch, und i&#x017F;t          auch mit der §. 4. Nr. 3. aufge&#x017F;tellten Regel nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0141] §§. 23. 24. Gemeinſame Beſtimmungen über die Ehrenſtrafen. §. 30. „Der Verluſt von Penſionen, welche aus der Staats- kaſſe an entlaſſene Staatsdiener gezahlt werden, tritt ein, wenn der Penſionair vor oder nach ſeiner Entlaſſung eines Verbrechens ſich ſchuldig gemacht hat, welches, wenn er noch im Dienſte geweſen wäre, die Kaſſation oder Amtsentſetzung zur Folge ge- habt haben würde. — Auf den Verluſt anderer Penſionen iſt nur dann zu erkennen, wenn ſolches durch beſondere Vorſchriften beſtimmt iſt.“ Der Entwurf von 1850. dehnte dieſe Beſtimmung in der Art aus, daß er das, was früher als Folge der Kaſſation und Amtsentziehung vorgeſchrieben war, mit den beiden Arten der Ehrenſtrafen in Verbin- dung brachte, es nicht bloß auf Staatsbeamte, ſondern auch auf Ge- meindebeamte anwandte, und den beſchränkenden Zuſatz wegen anderer Penſionen wegließ. Dagegen war bloß auf die aus der Staatskaſſe zu zahlenden Penſionen oder Gnadengehalte Bezug genommen, was in der Kommiſſion der zweiten Kammer mit Zuſtimmung des Kommiſſars des Juſtizminiſters, welcher erklärte, es liege hier bloß eine Omiſſion vor, — durch den Zuſatz: „oder einer Gemeindekaſſe“ abgeändert wurde. y) Die Vorſchriften des §. 23. beziehen ſich daher 1) auf entlaſſene Staats- und Gemeindebeamten; Perſonen, die in einer anderen amtlichen Wirkſamkeit geſtanden haben, werden dadurch nicht betroffen; 2) auf alle Penſionen und Gnadengehalte, die aus der Staats- kaſſe oder einer Gemeindekaſſe gezahlt werden; Zahlungen, die aus anderen Mitteln beſchafft werden, z. B. aus denen eines geiſtlichen Stiftes, fallen nicht unter dieſe Beſtimmung. Gegen die allgemeine Faſſung der geſetzlichen Vorſchrift und die Gleichſtellung der zeitigen Unterſagung mit dem Verluſte der bürgerlichen Ehre laſſen ſich manche Bedenken erheben; z) doch iſt mit den Motiven zum Entwurf von 1850. anzuerkennen, daß §. 23. aus dem in §. 22. aufgeſtellten Princip hergeleitet werden kann. Wo dieß im einzelnen Fall zu einer übertriebenen Härte führen würde, wird auf eine milde Ausgleichung im Wege der Gnade zu hoffen ſein. II. Dagegen iſt die Beſtimmung in §. 24. principiell nicht zu rechtfertigen; ſie ſteht mit dem Rechtsgrundſatz: ne bis in idem in Widerſpruch, und iſt auch mit der §. 4. Nr. 3. aufgeſtellten Regel nicht y) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer, Sitzung vom 15. Jan. 1851. z) Vgl. Abegg, der Entwurf des Strafgeſetzbuchs von 1850. S. 22-24. 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/141
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/141>, abgerufen am 04.12.2024.