Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
I. Ein Preuße tritt mit einer fremden Regierung in Verbindung, um dieselbe zu einem Kriege mit Preußen zu veranlassen (§. 67.). Die Strafe dieses Verbrechens besteht in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren; ist aber der Krieg wirklich ausgebrochen, so soll der Thäter mit dem Tode und dem Verluste der bürgerlichen Ehre bestraft werden.
II. Ein Preuße trägt während eines gegen den Preußischen Staat ausgebrochenen Krieges die Waffen gegen Preußen oder dessen Bundes- genossen. Hier werden zwei Fälle unterschieden:
a. Der Thäter nimmt erst während des Krieges Dienste im feind- lichen Heere. Dann wird er als Landesverräther mit dem Tode be- straft (§. 68. Abs. 1.).
b. Der Thäter stand schon früher in fremden Kriegsdiensten und verbleibt nach Ausbruch des Krieges in denselben. Dann soll er mit Zuchthaus von drei bis zu zehn Jahren, oder, wenn das Vorhanden- sein mildernder Umstände festgestellt wird, mit Einschließung von der- selben Dauer bestraft werden (§. 68. Abs. 2. 3.). -- Es leuchtet übrigens ein, wie viel weniger strafbar dieser zweite Fall sich darstellt, als der erste, was auch in der Strafbestimmung des Gesetzbuchs berück- sichtigt worden ist, und namentlich die Zulassung mildernder Umstände, welche sonst bei dem Landesverrath nicht anerkannt werden, herbeigeführt hat. Aber auch abgesehen von dem Strafmaaße, sind zu verschiedenen Zeiten Bedenken gegen die wegen des zweiten Falls erlassenen Straf- bestimmungen erhoben worden, denen aber entgegengesetzt wurde, daß bei dem Ausbruch eines Kriegs öffentliche Avokatorien erlassen würden, denen die in fremden Diensten befindlichen Preußen Folge zu leisten hätten. Wer sich bei seinem Eintritt in fremden Kriegsdienst einer sol- chen Abberufung nicht aussetzen wolle, der müsse nach den Vorschriften des Gesetzes vom 31. December 1842. sein Unterthanenverhältniß zum Preußischen Staate lösen. b)
Für beide Fälle gemeinsam gilt aber die Bemerkung, daß immer vorausgesetzt wird, es sei ein Krieg gegen Preußen ausgebrochen, und in diesem Kriege trage der Landesverräther die Waffen gegen Preußen oder seine Bundesgenossen. Der im Abs. 2. gebrauchte Ausdruck: "nach Ausbruch des Krieges" kann in dieser Hinsicht nicht mißverstan- den werden, da er sich offenbar nur auf die früher gebrauchte vollstän- digere Bezeichnung: "eines gegen den Preußischen Staat ausgebrochenen Krieges" -- bezieht. Führt also ein Bundesgenosse Preußens einen Krieg, an welchem Preußen selbst keinen unmittelbaren Antheil nimmt,
b)Motive zum ersten Entwurf. II. S. 19. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 24. Febr. 1841. -- Verhandlungen des ver- einigten ständ. Ausschusses. III. S. 73 ff.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
I. Ein Preuße tritt mit einer fremden Regierung in Verbindung, um dieſelbe zu einem Kriege mit Preußen zu veranlaſſen (§. 67.). Die Strafe dieſes Verbrechens beſteht in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren; iſt aber der Krieg wirklich ausgebrochen, ſo ſoll der Thäter mit dem Tode und dem Verluſte der bürgerlichen Ehre beſtraft werden.
II. Ein Preuße trägt während eines gegen den Preußiſchen Staat ausgebrochenen Krieges die Waffen gegen Preußen oder deſſen Bundes- genoſſen. Hier werden zwei Fälle unterſchieden:
a. Der Thäter nimmt erſt während des Krieges Dienſte im feind- lichen Heere. Dann wird er als Landesverräther mit dem Tode be- ſtraft (§. 68. Abſ. 1.).
b. Der Thäter ſtand ſchon früher in fremden Kriegsdienſten und verbleibt nach Ausbruch des Krieges in denſelben. Dann ſoll er mit Zuchthaus von drei bis zu zehn Jahren, oder, wenn das Vorhanden- ſein mildernder Umſtände feſtgeſtellt wird, mit Einſchließung von der- ſelben Dauer beſtraft werden (§. 68. Abſ. 2. 3.). — Es leuchtet übrigens ein, wie viel weniger ſtrafbar dieſer zweite Fall ſich darſtellt, als der erſte, was auch in der Strafbeſtimmung des Geſetzbuchs berück- ſichtigt worden iſt, und namentlich die Zulaſſung mildernder Umſtände, welche ſonſt bei dem Landesverrath nicht anerkannt werden, herbeigeführt hat. Aber auch abgeſehen von dem Strafmaaße, ſind zu verſchiedenen Zeiten Bedenken gegen die wegen des zweiten Falls erlaſſenen Straf- beſtimmungen erhoben worden, denen aber entgegengeſetzt wurde, daß bei dem Ausbruch eines Kriegs öffentliche Avokatorien erlaſſen würden, denen die in fremden Dienſten befindlichen Preußen Folge zu leiſten hätten. Wer ſich bei ſeinem Eintritt in fremden Kriegsdienſt einer ſol- chen Abberufung nicht ausſetzen wolle, der müſſe nach den Vorſchriften des Geſetzes vom 31. December 1842. ſein Unterthanenverhältniß zum Preußiſchen Staate löſen. b)
Für beide Fälle gemeinſam gilt aber die Bemerkung, daß immer vorausgeſetzt wird, es ſei ein Krieg gegen Preußen ausgebrochen, und in dieſem Kriege trage der Landesverräther die Waffen gegen Preußen oder ſeine Bundesgenoſſen. Der im Abſ. 2. gebrauchte Ausdruck: „nach Ausbruch des Krieges“ kann in dieſer Hinſicht nicht mißverſtan- den werden, da er ſich offenbar nur auf die früher gebrauchte vollſtän- digere Bezeichnung: „eines gegen den Preußiſchen Staat ausgebrochenen Krieges“ — bezieht. Führt alſo ein Bundesgenoſſe Preußens einen Krieg, an welchem Preußen ſelbſt keinen unmittelbaren Antheil nimmt,
b)Motive zum erſten Entwurf. II. S. 19. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 24. Febr. 1841. — Verhandlungen des ver- einigten ſtänd. Ausſchuſſes. III. S. 73 ff.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
I. Ein Preuße tritt mit einer fremden Regierung in Verbindung,
um dieſelbe zu einem Kriege mit Preußen zu veranlaſſen (§. 67.). Die
Strafe dieſes Verbrechens beſteht in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig
Jahren; iſt aber der Krieg wirklich ausgebrochen, ſo ſoll der Thäter
mit dem Tode und dem Verluſte der bürgerlichen Ehre beſtraft werden.
II. Ein Preuße trägt während eines gegen den Preußiſchen Staat
ausgebrochenen Krieges die Waffen gegen Preußen oder deſſen Bundes-
genoſſen. Hier werden zwei Fälle unterſchieden:
a. Der Thäter nimmt erſt während des Krieges Dienſte im feind-
lichen Heere. Dann wird er als Landesverräther mit dem Tode be-
ſtraft (§. 68. Abſ. 1.).
b. Der Thäter ſtand ſchon früher in fremden Kriegsdienſten und
verbleibt nach Ausbruch des Krieges in denſelben. Dann ſoll er mit
Zuchthaus von drei bis zu zehn Jahren, oder, wenn das Vorhanden-
ſein mildernder Umſtände feſtgeſtellt wird, mit Einſchließung von der-
ſelben Dauer beſtraft werden (§. 68. Abſ. 2. 3.). — Es leuchtet
übrigens ein, wie viel weniger ſtrafbar dieſer zweite Fall ſich darſtellt,
als der erſte, was auch in der Strafbeſtimmung des Geſetzbuchs berück-
ſichtigt worden iſt, und namentlich die Zulaſſung mildernder Umſtände,
welche ſonſt bei dem Landesverrath nicht anerkannt werden, herbeigeführt
hat. Aber auch abgeſehen von dem Strafmaaße, ſind zu verſchiedenen
Zeiten Bedenken gegen die wegen des zweiten Falls erlaſſenen Straf-
beſtimmungen erhoben worden, denen aber entgegengeſetzt wurde, daß
bei dem Ausbruch eines Kriegs öffentliche Avokatorien erlaſſen würden,
denen die in fremden Dienſten befindlichen Preußen Folge zu leiſten
hätten. Wer ſich bei ſeinem Eintritt in fremden Kriegsdienſt einer ſol-
chen Abberufung nicht ausſetzen wolle, der müſſe nach den Vorſchriften
des Geſetzes vom 31. December 1842. ſein Unterthanenverhältniß zum
Preußiſchen Staate löſen. b)
Für beide Fälle gemeinſam gilt aber die Bemerkung, daß immer
vorausgeſetzt wird, es ſei ein Krieg gegen Preußen ausgebrochen, und
in dieſem Kriege trage der Landesverräther die Waffen gegen Preußen
oder ſeine Bundesgenoſſen. Der im Abſ. 2. gebrauchte Ausdruck:
„nach Ausbruch des Krieges“ kann in dieſer Hinſicht nicht mißverſtan-
den werden, da er ſich offenbar nur auf die früher gebrauchte vollſtän-
digere Bezeichnung: „eines gegen den Preußiſchen Staat ausgebrochenen
Krieges“ — bezieht. Führt alſo ein Bundesgenoſſe Preußens einen
Krieg, an welchem Preußen ſelbſt keinen unmittelbaren Antheil nimmt,
b) Motive zum erſten Entwurf. II. S. 19. — Protokolle des
Staatsraths, Sitzung vom 24. Febr. 1841. — Verhandlungen des ver-
einigten ſtänd. Ausſchuſſes. III. S. 73 ff.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/246>, abgerufen am 21.11.2024.
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