Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Zuchthausstrafe erkannt worden war. g) Doch fand diese ganze Anord-
nung, welche von Seiten der Regierung als Sicherungsmaaßregel gegen
die gefährlichen Bestrebungen der Angeschuldigten vertheidigt wurde,
namentlich auf einigen Provinziallandtagen lebhaften Widerspruch. Die
Westphälischen Stände hielten die Einleitung der Kuratel vor ergange-
nem Urtheil für unzulässig, die Preußischen Stände wünschten, daß die
Einleitung der Kuratel von dem Ermessen des Untersuchungsrichters
abhängen möge; der Rheinische Ausschuß fand die Vorschrift überhaupt
bedenklich und überflüssig. h) Dieselbe ward indessen in dem Entwurf
von 1847. §. 96. wiederholt, statt der Anordnung einer Kuratel jedoch
die vorläufige Beschlagnahme des Vermögens vorgeschrieben; der ver-
einigte ständische Ausschuß nahm dagegen den Antrag an, daß die Ku-
ratel vom Untersuchungsrichter anzuordnen sei, wenn er es für nöthig
erachte. i) Der Entwurf von 1850. §. 63. behielt aber die Beschlag-
nahme als eine allgemeine und nothwendige Maaßregel bei, und auch
die Kommission der zweiten Kammer erklärte sich dafür, obgleich ein-
gewandt wurde, daß solche Anordnungen auf die Verhältnisse der Ge-
genwart nicht mehr paßten, und nachdem die Strafe der Vermögens-
konfiskation weggefallen, auch ihren Hauptzweck, die Beseitigung des zu
confiscirenden Vermögens zu verhindern, verloren hätten k)

a. Die Beschlagnahme soll mit der Eröffnung der Untersuchung
verhängt werden. Darüber, wann dieser Zeitpunkt eintritt, haben die
oben zu §. 53. gemachten Bemerkungen auch hier ihre Geltung. Ein
Antrag, statt "Eröffnung der Untersuchung" zu sagen: "Versetzung in
den Anklagestand," erhielt in der Kommission der zweiten Kammer nicht
die Mehrheit der Stimmen.

b. Wegen des weiteren Verfahrens, welches bei der Beschlagnahme
besonders auch mit Rücksicht auf die Vermögensverwaltung einzuleiten
ist, kommen außer der Bestimmung der Verordnung vom 3. Jan. 1849.
§. 7. (G.-S. S. 15.) für das Gebiet des Allgemeinen Landrechts die
Vorschriften der Kriminalordnung §. 53. und 568. zur Anwendung,
womit noch die Bestimmung wegen flüchtiger Verbrecher in §. 237. zu
vergleichen ist. Von Seiten der zu den Berathungen der Staatsraths-
Kommission hinzugezogenen Rheinischen Juristen wurde jedoch in dieser
Beziehung bemerkt:

"Nach der Rheinischen Gesetzgebung haben die Gerichte keine Art
der Verwaltung fremden Guts, dürfen sie nicht haben. Es müssen

g) Berathungs- Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 9.
h) Revision von 1845. II. S. 10-12.
i) Verhandlungen a. a. O. S. 491-95.
k) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 63. 73.).

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Zuchthausſtrafe erkannt worden war. g) Doch fand dieſe ganze Anord-
nung, welche von Seiten der Regierung als Sicherungsmaaßregel gegen
die gefährlichen Beſtrebungen der Angeſchuldigten vertheidigt wurde,
namentlich auf einigen Provinziallandtagen lebhaften Widerſpruch. Die
Weſtphäliſchen Stände hielten die Einleitung der Kuratel vor ergange-
nem Urtheil für unzuläſſig, die Preußiſchen Stände wünſchten, daß die
Einleitung der Kuratel von dem Ermeſſen des Unterſuchungsrichters
abhängen möge; der Rheiniſche Ausſchuß fand die Vorſchrift überhaupt
bedenklich und überflüſſig. h) Dieſelbe ward indeſſen in dem Entwurf
von 1847. §. 96. wiederholt, ſtatt der Anordnung einer Kuratel jedoch
die vorläufige Beſchlagnahme des Vermögens vorgeſchrieben; der ver-
einigte ſtändiſche Ausſchuß nahm dagegen den Antrag an, daß die Ku-
ratel vom Unterſuchungsrichter anzuordnen ſei, wenn er es für nöthig
erachte. i) Der Entwurf von 1850. §. 63. behielt aber die Beſchlag-
nahme als eine allgemeine und nothwendige Maaßregel bei, und auch
die Kommiſſion der zweiten Kammer erklärte ſich dafür, obgleich ein-
gewandt wurde, daß ſolche Anordnungen auf die Verhältniſſe der Ge-
genwart nicht mehr paßten, und nachdem die Strafe der Vermögens-
konfiskation weggefallen, auch ihren Hauptzweck, die Beſeitigung des zu
confiscirenden Vermögens zu verhindern, verloren hätten k)

a. Die Beſchlagnahme ſoll mit der Eröffnung der Unterſuchung
verhängt werden. Darüber, wann dieſer Zeitpunkt eintritt, haben die
oben zu §. 53. gemachten Bemerkungen auch hier ihre Geltung. Ein
Antrag, ſtatt „Eröffnung der Unterſuchung“ zu ſagen: „Verſetzung in
den Anklageſtand,“ erhielt in der Kommiſſion der zweiten Kammer nicht
die Mehrheit der Stimmen.

b. Wegen des weiteren Verfahrens, welches bei der Beſchlagnahme
beſonders auch mit Rückſicht auf die Vermögensverwaltung einzuleiten
iſt, kommen außer der Beſtimmung der Verordnung vom 3. Jan. 1849.
§. 7. (G.-S. S. 15.) für das Gebiet des Allgemeinen Landrechts die
Vorſchriften der Kriminalordnung §. 53. und 568. zur Anwendung,
womit noch die Beſtimmung wegen flüchtiger Verbrecher in §. 237. zu
vergleichen iſt. Von Seiten der zu den Berathungen der Staatsraths-
Kommiſſion hinzugezogenen Rheiniſchen Juriſten wurde jedoch in dieſer
Beziehung bemerkt:

„Nach der Rheiniſchen Geſetzgebung haben die Gerichte keine Art
der Verwaltung fremden Guts, dürfen ſie nicht haben. Es müſſen

g) Berathungs- Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 9.
h) Reviſion von 1845. II. S. 10-12.
i) Verhandlungen a. a. O. S. 491-95.
k) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 63. 73.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0250" n="240"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u.          Landesverrath.</fw><lb/>
Zuchthaus&#x017F;trafe erkannt worden war. <note place="foot" n="g)"><hi rendition="#g">Berathungs- Protokolle der           Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion</hi>. II. S. 9.</note> Doch fand         die&#x017F;e ganze Anord-<lb/>
nung, welche von Seiten der Regierung als         Sicherungsmaaßregel gegen<lb/>
die gefährlichen Be&#x017F;trebungen der         Ange&#x017F;chuldigten vertheidigt wurde,<lb/>
namentlich auf einigen Provinziallandtagen         lebhaften Wider&#x017F;pruch. Die<lb/>
We&#x017F;tphäli&#x017F;chen Stände         hielten die Einleitung der Kuratel vor ergange-<lb/>
nem Urtheil für         unzulä&#x017F;&#x017F;ig, die Preußi&#x017F;chen Stände wün&#x017F;chten,         daß die<lb/>
Einleitung der Kuratel von dem Erme&#x017F;&#x017F;en des         Unter&#x017F;uchungsrichters<lb/>
abhängen möge; der Rheini&#x017F;che         Aus&#x017F;chuß fand die Vor&#x017F;chrift überhaupt<lb/>
bedenklich und         überflü&#x017F;&#x017F;ig. <note place="foot" n="h)"><hi rendition="#g">Revi&#x017F;ion von</hi> 1845. II. S. 10-12.</note> Die&#x017F;elbe ward         inde&#x017F;&#x017F;en in dem Entwurf<lb/>
von 1847. §. 96. wiederholt,         &#x017F;tatt der Anordnung einer Kuratel jedoch<lb/>
die vorläufige         Be&#x017F;chlagnahme des Vermögens vorge&#x017F;chrieben; der ver-<lb/>
einigte         &#x017F;tändi&#x017F;che Aus&#x017F;chuß nahm dagegen den Antrag an, daß die         Ku-<lb/>
ratel vom Unter&#x017F;uchungsrichter anzuordnen &#x017F;ei, wenn er es für         nöthig<lb/>
erachte. <note place="foot" n="i)"><hi rendition="#g">Verhandlungen</hi> a. a. O.          S. 491-95.</note> Der Entwurf von 1850. §. 63. behielt aber die         Be&#x017F;chlag-<lb/>
nahme als eine allgemeine und nothwendige Maaßregel bei, und         auch<lb/>
die Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten Kammer erklärte &#x017F;ich         dafür, obgleich ein-<lb/>
gewandt wurde, daß &#x017F;olche Anordnungen auf die         Verhältni&#x017F;&#x017F;e der Ge-<lb/>
genwart nicht mehr paßten, und nachdem die         Strafe der Vermögens-<lb/>
konfiskation weggefallen, auch ihren Hauptzweck, die         Be&#x017F;eitigung des zu<lb/>
confiscirenden Vermögens zu verhindern, verloren hätten          <note place="foot" n="k)"><hi rendition="#g">Bericht der Kommi&#x017F;&#x017F;ion           der zweiten Kammer</hi> zu §. 63. 73.).<lb/></note>        </p>
              <p><hi rendition="#aq">a.</hi> Die Be&#x017F;chlagnahme &#x017F;oll mit der Eröffnung         der Unter&#x017F;uchung<lb/>
verhängt werden. Darüber, wann die&#x017F;er Zeitpunkt         eintritt, haben die<lb/>
oben zu §. 53. gemachten Bemerkungen auch hier ihre Geltung.         Ein<lb/>
Antrag, &#x017F;tatt &#x201E;Eröffnung der         Unter&#x017F;uchung&#x201C; zu &#x017F;agen: &#x201E;Ver&#x017F;etzung         in<lb/>
den Anklage&#x017F;tand,&#x201C; erhielt in der         Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten Kammer nicht<lb/>
die Mehrheit der Stimmen.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">b.</hi> Wegen des weiteren Verfahrens, welches bei der         Be&#x017F;chlagnahme<lb/>
be&#x017F;onders auch mit Rück&#x017F;icht auf die         Vermögensverwaltung einzuleiten<lb/>
i&#x017F;t, kommen außer der Be&#x017F;timmung         der Verordnung vom 3. Jan. 1849.<lb/>
§. 7. (G.-S. S. 15.) für das Gebiet des Allgemeinen         Landrechts die<lb/>
Vor&#x017F;chriften der Kriminalordnung §. 53. und 568. zur         Anwendung,<lb/>
womit noch die Be&#x017F;timmung wegen flüchtiger Verbrecher in §. 237.         zu<lb/>
vergleichen i&#x017F;t. Von Seiten der zu den Berathungen der         Staatsraths-<lb/>
Kommi&#x017F;&#x017F;ion hinzugezogenen Rheini&#x017F;chen         Juri&#x017F;ten wurde jedoch in die&#x017F;er<lb/>
Beziehung bemerkt:</p><lb/>
              <p>&#x201E;Nach der Rheini&#x017F;chen Ge&#x017F;etzgebung haben die Gerichte         keine Art<lb/>
der Verwaltung fremden Guts, dürfen &#x017F;ie nicht haben. Es          mü&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0250] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath. Zuchthausſtrafe erkannt worden war. g) Doch fand dieſe ganze Anord- nung, welche von Seiten der Regierung als Sicherungsmaaßregel gegen die gefährlichen Beſtrebungen der Angeſchuldigten vertheidigt wurde, namentlich auf einigen Provinziallandtagen lebhaften Widerſpruch. Die Weſtphäliſchen Stände hielten die Einleitung der Kuratel vor ergange- nem Urtheil für unzuläſſig, die Preußiſchen Stände wünſchten, daß die Einleitung der Kuratel von dem Ermeſſen des Unterſuchungsrichters abhängen möge; der Rheiniſche Ausſchuß fand die Vorſchrift überhaupt bedenklich und überflüſſig. h) Dieſelbe ward indeſſen in dem Entwurf von 1847. §. 96. wiederholt, ſtatt der Anordnung einer Kuratel jedoch die vorläufige Beſchlagnahme des Vermögens vorgeſchrieben; der ver- einigte ſtändiſche Ausſchuß nahm dagegen den Antrag an, daß die Ku- ratel vom Unterſuchungsrichter anzuordnen ſei, wenn er es für nöthig erachte. i) Der Entwurf von 1850. §. 63. behielt aber die Beſchlag- nahme als eine allgemeine und nothwendige Maaßregel bei, und auch die Kommiſſion der zweiten Kammer erklärte ſich dafür, obgleich ein- gewandt wurde, daß ſolche Anordnungen auf die Verhältniſſe der Ge- genwart nicht mehr paßten, und nachdem die Strafe der Vermögens- konfiskation weggefallen, auch ihren Hauptzweck, die Beſeitigung des zu confiscirenden Vermögens zu verhindern, verloren hätten k) a. Die Beſchlagnahme ſoll mit der Eröffnung der Unterſuchung verhängt werden. Darüber, wann dieſer Zeitpunkt eintritt, haben die oben zu §. 53. gemachten Bemerkungen auch hier ihre Geltung. Ein Antrag, ſtatt „Eröffnung der Unterſuchung“ zu ſagen: „Verſetzung in den Anklageſtand,“ erhielt in der Kommiſſion der zweiten Kammer nicht die Mehrheit der Stimmen. b. Wegen des weiteren Verfahrens, welches bei der Beſchlagnahme beſonders auch mit Rückſicht auf die Vermögensverwaltung einzuleiten iſt, kommen außer der Beſtimmung der Verordnung vom 3. Jan. 1849. §. 7. (G.-S. S. 15.) für das Gebiet des Allgemeinen Landrechts die Vorſchriften der Kriminalordnung §. 53. und 568. zur Anwendung, womit noch die Beſtimmung wegen flüchtiger Verbrecher in §. 237. zu vergleichen iſt. Von Seiten der zu den Berathungen der Staatsraths- Kommiſſion hinzugezogenen Rheiniſchen Juriſten wurde jedoch in dieſer Beziehung bemerkt: „Nach der Rheiniſchen Geſetzgebung haben die Gerichte keine Art der Verwaltung fremden Guts, dürfen ſie nicht haben. Es müſſen g) Berathungs- Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 9. h) Reviſion von 1845. II. S. 10-12. i) Verhandlungen a. a. O. S. 491-95. k) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 63. 73.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/250
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/250>, abgerufen am 21.11.2024.