Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. V. Widerstand gegen d. Staatsgewalt.
Gefahr kommt es hier an, c) nicht aber auf Aeußerungen, die vielleicht als ungeziemende zu betrachten sind, und eine strafbare Beleidigung enthalten können, aber das Vergehen der Widersetzlichkeit nicht be- gründen.
Auch die Gewalt muß hier nach allgemeinen strafrechtlichen Be- griffen aufgefaßt werden, und es würde z. B. geradezu absurd sein, von einer Person, die sich bei der Verhaftung zur Erde wirft oder einen Baum umklammert, im Allgemeinen zu behaupten, sie hätte dem Voll- ziehungs-Beamten Gewalt entgegengesetzt. In der vorberathenden Ab- theilung des vereinigten ständischen Ausschusses wurde bemerkt, daß indirekte thätliche Widersetzlichkeiten fast nur in die Kategorie des pas- siven Widerstandes fielen, und daß es gewöhnlich nur unbedeutende Schikanen seien, die man ignoriren oder durch polizeiliche Maaßregeln beseitigen könne, ohne mit Strafen entgegen zu treten. d) Diese Ansicht erhielt damals freilich nicht die Mehrheit der Stimmen; dagegen aber bestätigt der Umstand, daß statt der Geldbuße von höchstens funfzig Thalern, welche der Entwurf von 1847. noch als die niedrigste Strafe aufgestellt hat, gegenwärtig nur auf Gefängniß, und zwar nicht unter vierzehn Tagen soll erkannt werden können, -- die Annahme, daß die unbedeutenderen Fälle des Widerstandes, in denen es nicht zu einem Angriff oder zu Gewalt und Drohungen in dem vorher entwickelten Sinn gekommen, der Strafbestimmung des §. 89. nicht unterliegen sollen.
IV. Beleidigungen, welche gegen die Vollziehungsbeamten began- gen werden, gehören nicht hierher, sondern sind nach den Vorschriften des §. 102. zu beurtheilen.
V. Die Strafe ist Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren: die hohe Strafe, welche der Entwurf von 1847. §. 118. auf- stellte, erklärt sich daraus, daß auch die Nöthigung von Behörden oder Beamten unter die Strafbestimmung jenes Paragraphen fiel.
§. 90.
Wer eine Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohungen zwingt oder zu zwingen versucht, eine Amtshandlung vorzunehmen oder zu unterlassen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.
Die Vorschrift dieser Paragraphen war noch in dem Entwurf von 1843. §. 202. von der Widersetzlichkeit getrennt gehalten, jedoch unter
c)Revision von 1845. II. S. 52.
d)Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. III. S. 214.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.
Gefahr kommt es hier an, c) nicht aber auf Aeußerungen, die vielleicht als ungeziemende zu betrachten ſind, und eine ſtrafbare Beleidigung enthalten können, aber das Vergehen der Widerſetzlichkeit nicht be- gründen.
Auch die Gewalt muß hier nach allgemeinen ſtrafrechtlichen Be- griffen aufgefaßt werden, und es würde z. B. geradezu abſurd ſein, von einer Perſon, die ſich bei der Verhaftung zur Erde wirft oder einen Baum umklammert, im Allgemeinen zu behaupten, ſie hätte dem Voll- ziehungs-Beamten Gewalt entgegengeſetzt. In der vorberathenden Ab- theilung des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes wurde bemerkt, daß indirekte thätliche Widerſetzlichkeiten faſt nur in die Kategorie des paſ- ſiven Widerſtandes fielen, und daß es gewöhnlich nur unbedeutende Schikanen ſeien, die man ignoriren oder durch polizeiliche Maaßregeln beſeitigen könne, ohne mit Strafen entgegen zu treten. d) Dieſe Anſicht erhielt damals freilich nicht die Mehrheit der Stimmen; dagegen aber beſtätigt der Umſtand, daß ſtatt der Geldbuße von höchſtens funfzig Thalern, welche der Entwurf von 1847. noch als die niedrigſte Strafe aufgeſtellt hat, gegenwärtig nur auf Gefängniß, und zwar nicht unter vierzehn Tagen ſoll erkannt werden können, — die Annahme, daß die unbedeutenderen Fälle des Widerſtandes, in denen es nicht zu einem Angriff oder zu Gewalt und Drohungen in dem vorher entwickelten Sinn gekommen, der Strafbeſtimmung des §. 89. nicht unterliegen ſollen.
IV. Beleidigungen, welche gegen die Vollziehungsbeamten began- gen werden, gehören nicht hierher, ſondern ſind nach den Vorſchriften des §. 102. zu beurtheilen.
V. Die Strafe iſt Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren: die hohe Strafe, welche der Entwurf von 1847. §. 118. auf- ſtellte, erklärt ſich daraus, daß auch die Nöthigung von Behörden oder Beamten unter die Strafbeſtimmung jenes Paragraphen fiel.
§. 90.
Wer eine Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohungen zwingt oder zu zwingen verſucht, eine Amtshandlung vorzunehmen oder zu unterlaſſen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.
Die Vorſchrift dieſer Paragraphen war noch in dem Entwurf von 1843. §. 202. von der Widerſetzlichkeit getrennt gehalten, jedoch unter
c)Reviſion von 1845. II. S. 52.
d)Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. III. S. 214.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0268"n="258"/><fwplace="top"type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.</fw><lb/>
Gefahr kommt es hier an, <noteplace="foot"n="c)"><hirendition="#g">Reviſion von</hi> 1845. II. S. 52.</note> nicht aber auf Aeußerungen, die vielleicht<lb/>
als ungeziemende zu betrachten ſind, und eine ſtrafbare Beleidigung<lb/>
enthalten können, aber das Vergehen der Widerſetzlichkeit nicht be-<lb/>
gründen.</p><lb/><p>Auch die Gewalt muß hier nach allgemeinen ſtrafrechtlichen Be-<lb/>
griffen aufgefaßt werden, und es würde z. B. geradezu abſurd ſein, von<lb/>
einer Perſon, die ſich bei der Verhaftung zur Erde wirft oder einen<lb/>
Baum umklammert, im Allgemeinen zu behaupten, ſie hätte dem Voll-<lb/>
ziehungs-Beamten Gewalt entgegengeſetzt. In der vorberathenden Ab-<lb/>
theilung des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes wurde bemerkt, daß<lb/>
indirekte thätliche Widerſetzlichkeiten faſt nur in die Kategorie des paſ-<lb/>ſiven Widerſtandes fielen, und daß es gewöhnlich nur unbedeutende<lb/>
Schikanen ſeien, die man ignoriren oder durch polizeiliche Maaßregeln<lb/>
beſeitigen könne, ohne mit Strafen entgegen zu treten. <noteplace="foot"n="d)"><hirendition="#g">Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes</hi>. III.<lb/>
S. 214.</note> Dieſe Anſicht<lb/>
erhielt damals freilich nicht die Mehrheit der Stimmen; dagegen aber<lb/>
beſtätigt der Umſtand, daß ſtatt der Geldbuße von höchſtens funfzig<lb/>
Thalern, welche der Entwurf von 1847. noch als die niedrigſte Strafe<lb/>
aufgeſtellt hat, gegenwärtig nur auf Gefängniß, und zwar nicht unter<lb/>
vierzehn Tagen ſoll erkannt werden können, — die Annahme, daß die<lb/>
unbedeutenderen Fälle des Widerſtandes, in denen es nicht zu einem<lb/>
Angriff oder zu Gewalt und Drohungen in dem vorher entwickelten<lb/>
Sinn gekommen, der Strafbeſtimmung des §. 89. nicht unterliegen<lb/>ſollen.</p><lb/><p>IV. Beleidigungen, welche gegen die Vollziehungsbeamten began-<lb/>
gen werden, gehören nicht hierher, ſondern ſind nach den Vorſchriften<lb/>
des §. 102. zu beurtheilen.</p><lb/><p>V. Die Strafe iſt Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu zwei<lb/>
Jahren: die hohe Strafe, welche der Entwurf von 1847. §. 118. auf-<lb/>ſtellte, erklärt ſich daraus, daß auch die Nöthigung von Behörden oder<lb/>
Beamten unter die Strafbeſtimmung jenes Paragraphen fiel.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>§. 90.</head><lb/><divn="4"><head/><p>Wer eine Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohungen<lb/>
zwingt oder zu zwingen verſucht, eine Amtshandlung vorzunehmen oder zu<lb/>
unterlaſſen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head/><p>Die Vorſchrift dieſer Paragraphen war noch in dem Entwurf von<lb/>
1843. §. 202. von der Widerſetzlichkeit getrennt gehalten, jedoch unter<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[258/0268]
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.
Gefahr kommt es hier an, c) nicht aber auf Aeußerungen, die vielleicht
als ungeziemende zu betrachten ſind, und eine ſtrafbare Beleidigung
enthalten können, aber das Vergehen der Widerſetzlichkeit nicht be-
gründen.
Auch die Gewalt muß hier nach allgemeinen ſtrafrechtlichen Be-
griffen aufgefaßt werden, und es würde z. B. geradezu abſurd ſein, von
einer Perſon, die ſich bei der Verhaftung zur Erde wirft oder einen
Baum umklammert, im Allgemeinen zu behaupten, ſie hätte dem Voll-
ziehungs-Beamten Gewalt entgegengeſetzt. In der vorberathenden Ab-
theilung des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes wurde bemerkt, daß
indirekte thätliche Widerſetzlichkeiten faſt nur in die Kategorie des paſ-
ſiven Widerſtandes fielen, und daß es gewöhnlich nur unbedeutende
Schikanen ſeien, die man ignoriren oder durch polizeiliche Maaßregeln
beſeitigen könne, ohne mit Strafen entgegen zu treten. d) Dieſe Anſicht
erhielt damals freilich nicht die Mehrheit der Stimmen; dagegen aber
beſtätigt der Umſtand, daß ſtatt der Geldbuße von höchſtens funfzig
Thalern, welche der Entwurf von 1847. noch als die niedrigſte Strafe
aufgeſtellt hat, gegenwärtig nur auf Gefängniß, und zwar nicht unter
vierzehn Tagen ſoll erkannt werden können, — die Annahme, daß die
unbedeutenderen Fälle des Widerſtandes, in denen es nicht zu einem
Angriff oder zu Gewalt und Drohungen in dem vorher entwickelten
Sinn gekommen, der Strafbeſtimmung des §. 89. nicht unterliegen
ſollen.
IV. Beleidigungen, welche gegen die Vollziehungsbeamten began-
gen werden, gehören nicht hierher, ſondern ſind nach den Vorſchriften
des §. 102. zu beurtheilen.
V. Die Strafe iſt Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu zwei
Jahren: die hohe Strafe, welche der Entwurf von 1847. §. 118. auf-
ſtellte, erklärt ſich daraus, daß auch die Nöthigung von Behörden oder
Beamten unter die Strafbeſtimmung jenes Paragraphen fiel.
§. 90.
Wer eine Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohungen
zwingt oder zu zwingen verſucht, eine Amtshandlung vorzunehmen oder zu
unterlaſſen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.
Die Vorſchrift dieſer Paragraphen war noch in dem Entwurf von
1843. §. 202. von der Widerſetzlichkeit getrennt gehalten, jedoch unter
c) Reviſion von 1845. II. S. 52.
d) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. III.
S. 214.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/268>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.