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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
Charakterisirung der Anreizung das erstere Requisit allerdings noth-
wendig, um nicht Fälle, welche für die öffentliche Ordnung ganz gleich-
gültig sind, und die lediglich in das Gebiet der Beleidigungen und
Verleumdungen gehören, mit Fällen ganz anderer Bedeutung zusam-
men zu werfen. Was der Preßverordnung von 1849. hier vorschwebte,
ist offenbar jene Aufhetzung einer Klasse des Volkes gegen die andere,
wie sie, seit die sogenannten sozialen Fragen in den Vordergrund ge-
treten, so häufig vorkommen. Es mag bedenklich erscheinen, diesen
Hauptfall als den einzigen anzunehmen, und auf ihn die ganze Straf-
bestimmung zu beschränken; aber durchaus erforderlich hielt die Kom-
mission eine Begrenzung des Thatbestandes, welche die Aufreizung
einzelner Individuen als solcher gegen einzelne Andere, ohne alle Ge-
fahr für die öffentliche Ordnung, von diesem Gebiete der öffentlichen
Verbrechen fern hält." t)

Auf diesen Erwägungen beruht die gegenwärtige Fassung des Pa-
ragraphen: "Wer den öffentlichen Frieden dadurch gefährdet" u. s. w.

B. Die Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der
Obrigkeit werden dem Hasse oder der Verachtung ausgesetzt (§.101.).
Dieß geschieht dadurch, daß entweder

1) erdichtete oder entstellte Thatsachen öffentlich behauptet oder ver-
breitet, oder

2) öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen angewandt werden.

Auch hierüber kam es in der Kommission der zweiten Kammer zu
umfassenden Erörterungen, worüber der Bericht Folgendes mittheilt:

"Dass zweite Mittel, öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen,
befindet sich nicht in dem §. 18. der Preßverordnung von 1849., aus
welcher der §. 90. des Entwurfs entnommen ist, sondern es ist ein
ebenfalls von der vorigjährigen Preßkommission der zweiten Kammer
vorgeschlagener Zusatz. -- In der Kommission (für das Strafgesetz-
buch) wurde der Antrag gestellt, diesen Zusatz wegzulassen, und sodann
den übrigbleibenden ersten Fall dahin zu präzisiren, daß gesagt werde:

Wer dadurch, daß er erdichtete oder entstellte Thatsachen, wis-
send, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet
oder verbreitet, die Einrichtungen u. s. w. dem Hasse und der
Verachtung aussetzt.

Der erstere Antrag wurde darauf gestützt, daß es nicht nothwendig
erscheine, Einrichtungen oder Anordnungen, bei denen von persönlicher
Ehre nicht die Rede sein könne, gegen bloße Urtheile, mögen sie eine
Form annehmen, welche sie wollen, durch Strafe zu schützen, und daß

t) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §.89. (100.)

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
Charakteriſirung der Anreizung das erſtere Requiſit allerdings noth-
wendig, um nicht Fälle, welche für die öffentliche Ordnung ganz gleich-
gültig ſind, und die lediglich in das Gebiet der Beleidigungen und
Verleumdungen gehören, mit Fällen ganz anderer Bedeutung zuſam-
men zu werfen. Was der Preßverordnung von 1849. hier vorſchwebte,
iſt offenbar jene Aufhetzung einer Klaſſe des Volkes gegen die andere,
wie ſie, ſeit die ſogenannten ſozialen Fragen in den Vordergrund ge-
treten, ſo häufig vorkommen. Es mag bedenklich erſcheinen, dieſen
Hauptfall als den einzigen anzunehmen, und auf ihn die ganze Straf-
beſtimmung zu beſchränken; aber durchaus erforderlich hielt die Kom-
miſſion eine Begrenzung des Thatbeſtandes, welche die Aufreizung
einzelner Individuen als ſolcher gegen einzelne Andere, ohne alle Ge-
fahr für die öffentliche Ordnung, von dieſem Gebiete der öffentlichen
Verbrechen fern hält.“ t)

Auf dieſen Erwägungen beruht die gegenwärtige Faſſung des Pa-
ragraphen: „Wer den öffentlichen Frieden dadurch gefährdet“ u. ſ. w.

B. Die Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der
Obrigkeit werden dem Haſſe oder der Verachtung ausgeſetzt (§.101.).
Dieß geſchieht dadurch, daß entweder

1) erdichtete oder entſtellte Thatſachen öffentlich behauptet oder ver-
breitet, oder

2) öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen angewandt werden.

Auch hierüber kam es in der Kommiſſion der zweiten Kammer zu
umfaſſenden Erörterungen, worüber der Bericht Folgendes mittheilt:

„Daſs zweite Mittel, öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen,
befindet ſich nicht in dem §. 18. der Preßverordnung von 1849., aus
welcher der §. 90. des Entwurfs entnommen iſt, ſondern es iſt ein
ebenfalls von der vorigjährigen Preßkommiſſion der zweiten Kammer
vorgeſchlagener Zuſatz. — In der Kommiſſion (für das Strafgeſetz-
buch) wurde der Antrag geſtellt, dieſen Zuſatz wegzulaſſen, und ſodann
den übrigbleibenden erſten Fall dahin zu präziſiren, daß geſagt werde:

Wer dadurch, daß er erdichtete oder entſtellte Thatſachen, wiſ-
ſend, daß ſie erdichtet oder entſtellt ſind, öffentlich behauptet
oder verbreitet, die Einrichtungen u. ſ. w. dem Haſſe und der
Verachtung ausſetzt.

Der erſtere Antrag wurde darauf geſtützt, daß es nicht nothwendig
erſcheine, Einrichtungen oder Anordnungen, bei denen von perſönlicher
Ehre nicht die Rede ſein könne, gegen bloße Urtheile, mögen ſie eine
Form annehmen, welche ſie wollen, durch Strafe zu ſchützen, und daß

t) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §.89. (100.)
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[268/0278] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung. Charakteriſirung der Anreizung das erſtere Requiſit allerdings noth- wendig, um nicht Fälle, welche für die öffentliche Ordnung ganz gleich- gültig ſind, und die lediglich in das Gebiet der Beleidigungen und Verleumdungen gehören, mit Fällen ganz anderer Bedeutung zuſam- men zu werfen. Was der Preßverordnung von 1849. hier vorſchwebte, iſt offenbar jene Aufhetzung einer Klaſſe des Volkes gegen die andere, wie ſie, ſeit die ſogenannten ſozialen Fragen in den Vordergrund ge- treten, ſo häufig vorkommen. Es mag bedenklich erſcheinen, dieſen Hauptfall als den einzigen anzunehmen, und auf ihn die ganze Straf- beſtimmung zu beſchränken; aber durchaus erforderlich hielt die Kom- miſſion eine Begrenzung des Thatbeſtandes, welche die Aufreizung einzelner Individuen als ſolcher gegen einzelne Andere, ohne alle Ge- fahr für die öffentliche Ordnung, von dieſem Gebiete der öffentlichen Verbrechen fern hält.“ t) Auf dieſen Erwägungen beruht die gegenwärtige Faſſung des Pa- ragraphen: „Wer den öffentlichen Frieden dadurch gefährdet“ u. ſ. w. B. Die Einrichtungen des Staates oder die Anordnungen der Obrigkeit werden dem Haſſe oder der Verachtung ausgeſetzt (§.101.). Dieß geſchieht dadurch, daß entweder 1) erdichtete oder entſtellte Thatſachen öffentlich behauptet oder ver- breitet, oder 2) öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen angewandt werden. Auch hierüber kam es in der Kommiſſion der zweiten Kammer zu umfaſſenden Erörterungen, worüber der Bericht Folgendes mittheilt: „Daſs zweite Mittel, öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen, befindet ſich nicht in dem §. 18. der Preßverordnung von 1849., aus welcher der §. 90. des Entwurfs entnommen iſt, ſondern es iſt ein ebenfalls von der vorigjährigen Preßkommiſſion der zweiten Kammer vorgeſchlagener Zuſatz. — In der Kommiſſion (für das Strafgeſetz- buch) wurde der Antrag geſtellt, dieſen Zuſatz wegzulaſſen, und ſodann den übrigbleibenden erſten Fall dahin zu präziſiren, daß geſagt werde: Wer dadurch, daß er erdichtete oder entſtellte Thatſachen, wiſ- ſend, daß ſie erdichtet oder entſtellt ſind, öffentlich behauptet oder verbreitet, die Einrichtungen u. ſ. w. dem Haſſe und der Verachtung ausſetzt. Der erſtere Antrag wurde darauf geſtützt, daß es nicht nothwendig erſcheine, Einrichtungen oder Anordnungen, bei denen von perſönlicher Ehre nicht die Rede ſein könne, gegen bloße Urtheile, mögen ſie eine Form annehmen, welche ſie wollen, durch Strafe zu ſchützen, und daß t) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §.89. (100.)

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/278>, abgerufen am 24.11.2024.