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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. B.d. einzelnen Verbr.etc. Tit. VI. Vergehen wider die öffentl. Ordnung.
gefangen hat, dann der Antrag zurückgenommen werden, von dem Be-
leidigten jedoch nur mit Genehmigung der Dienstbehörde, und von der
Dienstbehörde nur mit Genehmigung des Beleidigten."

"Ist eine solche Beleidigung gegen eine oberste Staatsbehörde verübt
worden, so haben die Gerichte von Amtswegen einzuschreiten, jedoch
zuvörderst bei dem Chef des betreffenden Departements anzufragen, ob
derselbe gegen die Einleitung der Untersuchung seine Einwendung habe.
Auch dann, so lange die Strafvollstreckung noch nicht angefangen hat,
der Departements-Chef darauf antragen, der Untersuchung keine weitere
Folge zu geben."

In dem vereinigten ständischen Ausschuß wurde der zweite Absatz
gestrichen; y) die Fassung des Paragraphen auch in seinen ersten Absatze
zeigt aber, daß man sich die Ehrverletzung in diesen Fall als ein ge-
mischtes Vergehen dachte, bei welchen das Interesse des Staates und
des Verletzten zur Berücksichtigung kommen müsse. Gegenwärtig tritt
bei dem Verfahren von Amtswegen allein das Erstere hervor. Dieß
ist in zwiefacher Beziehung von Bedeutung. Für die Behörde nämlich,
welche von Amtswegen einzuschreiten hat, liegt darin die Anweisung,
nur im Interesse des Staates und des öffentlichen Dienstes von ihrer
Machtvollkommenheit Gebrauch zu machen, ohne auf die Fälle Rücksicht
zu nehmen, wo die Ehrverletzung nur den Charakter der Privatbeleidi-
gung an sich trägt. Es hängt also von ihren Ermessen ab, zu ent-
scheiden, wann die Einleitung der Verfolgung von Amtswegen statt
finden soll, und der Antrag des Verletzten kann sie nicht dazu nöthigen.
Auf der anderen Seite kann diejenige öffentliche Person, welche sich
für beleidigt hält, durch die Weigerung der Staatsanwaltschaft, ein
Verfahren von Amtswegen einzuleiten, nicht schlechter gestellt werden,
as jede Privatperson. So gut, wie es einer solchen freisteht, den Weg
der Privatklage zu betreten, muß es auch den im §. 102. genannten
Person gestattet sein, was auch der Vorschrift des Gesetzes vom
11. März 1850. §. 5. (G.-S. S. 174.) entspricht. In Beziehung auf das
Verfahren ist dann die Vorschrift des §. 160. maaßgebend; was aber
die Strafe anbetrifft, so fragt es sich, ob es dem erkennenden Gerichte
noch freisteht, je nach dem vorliegenden Thatbestande die höheren Stra-
fen des §. 102. oder die Strafen der Privatbeleidigung anzuwenden,
oder ob nur die letzteren in diesem Fall eintreten können. Nimmt man
das Letztere an, so läßt man die Anwendung der Strafen des §. 102.
von der Einleitung einer Verfolgung von Amtswegen bedingt sein, so
daß es von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft abhängt, ob eine

y) Verhandlungen. III. S. 624

Th. II. B.d. einzelnen Verbr.ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider die öffentl. Ordnung.
gefangen hat, dann der Antrag zurückgenommen werden, von dem Be-
leidigten jedoch nur mit Genehmigung der Dienſtbehörde, und von der
Dienſtbehörde nur mit Genehmigung des Beleidigten.“

„Iſt eine ſolche Beleidigung gegen eine oberſte Staatsbehörde verübt
worden, ſo haben die Gerichte von Amtswegen einzuſchreiten, jedoch
zuvörderſt bei dem Chef des betreffenden Departements anzufragen, ob
derſelbe gegen die Einleitung der Unterſuchung ſeine Einwendung habe.
Auch dann, ſo lange die Strafvollſtreckung noch nicht angefangen hat,
der Departements-Chef darauf antragen, der Unterſuchung keine weitere
Folge zu geben.“

In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß wurde der zweite Abſatz
geſtrichen; y) die Faſſung des Paragraphen auch in ſeinen erſten Abſatze
zeigt aber, daß man ſich die Ehrverletzung in dieſen Fall als ein ge-
miſchtes Vergehen dachte, bei welchen das Intereſſe des Staates und
des Verletzten zur Berückſichtigung kommen müſſe. Gegenwärtig tritt
bei dem Verfahren von Amtswegen allein das Erſtere hervor. Dieß
iſt in zwiefacher Beziehung von Bedeutung. Für die Behörde nämlich,
welche von Amtswegen einzuſchreiten hat, liegt darin die Anweiſung,
nur im Intereſſe des Staates und des öffentlichen Dienſtes von ihrer
Machtvollkommenheit Gebrauch zu machen, ohne auf die Fälle Rückſicht
zu nehmen, wo die Ehrverletzung nur den Charakter der Privatbeleidi-
gung an ſich trägt. Es hängt alſo von ihren Ermeſſen ab, zu ent-
ſcheiden, wann die Einleitung der Verfolgung von Amtswegen ſtatt
finden ſoll, und der Antrag des Verletzten kann ſie nicht dazu nöthigen.
Auf der anderen Seite kann diejenige öffentliche Perſon, welche ſich
für beleidigt hält, durch die Weigerung der Staatsanwaltſchaft, ein
Verfahren von Amtswegen einzuleiten, nicht ſchlechter geſtellt werden,
as jede Privatperſon. So gut, wie es einer ſolchen freiſteht, den Weg
der Privatklage zu betreten, muß es auch den im §. 102. genannten
Perſon geſtattet ſein, was auch der Vorſchrift des Geſetzes vom
11. März 1850. §. 5. (G.-S. S. 174.) entſpricht. In Beziehung auf das
Verfahren iſt dann die Vorſchrift des §. 160. maaßgebend; was aber
die Strafe anbetrifft, ſo fragt es ſich, ob es dem erkennenden Gerichte
noch freiſteht, je nach dem vorliegenden Thatbeſtande die höheren Stra-
fen des §. 102. oder die Strafen der Privatbeleidigung anzuwenden,
oder ob nur die letzteren in dieſem Fall eintreten können. Nimmt man
das Letztere an, ſo läßt man die Anwendung der Strafen des §. 102.
von der Einleitung einer Verfolgung von Amtswegen bedingt ſein, ſo
daß es von der Entſcheidung der Staatsanwaltſchaft abhängt, ob eine

y) Verhandlungen. III. S. 624
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[272/0282] Th. II. B.d. einzelnen Verbr.ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider die öffentl. Ordnung. gefangen hat, dann der Antrag zurückgenommen werden, von dem Be- leidigten jedoch nur mit Genehmigung der Dienſtbehörde, und von der Dienſtbehörde nur mit Genehmigung des Beleidigten.“ „Iſt eine ſolche Beleidigung gegen eine oberſte Staatsbehörde verübt worden, ſo haben die Gerichte von Amtswegen einzuſchreiten, jedoch zuvörderſt bei dem Chef des betreffenden Departements anzufragen, ob derſelbe gegen die Einleitung der Unterſuchung ſeine Einwendung habe. Auch dann, ſo lange die Strafvollſtreckung noch nicht angefangen hat, der Departements-Chef darauf antragen, der Unterſuchung keine weitere Folge zu geben.“ In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß wurde der zweite Abſatz geſtrichen; y) die Faſſung des Paragraphen auch in ſeinen erſten Abſatze zeigt aber, daß man ſich die Ehrverletzung in dieſen Fall als ein ge- miſchtes Vergehen dachte, bei welchen das Intereſſe des Staates und des Verletzten zur Berückſichtigung kommen müſſe. Gegenwärtig tritt bei dem Verfahren von Amtswegen allein das Erſtere hervor. Dieß iſt in zwiefacher Beziehung von Bedeutung. Für die Behörde nämlich, welche von Amtswegen einzuſchreiten hat, liegt darin die Anweiſung, nur im Intereſſe des Staates und des öffentlichen Dienſtes von ihrer Machtvollkommenheit Gebrauch zu machen, ohne auf die Fälle Rückſicht zu nehmen, wo die Ehrverletzung nur den Charakter der Privatbeleidi- gung an ſich trägt. Es hängt alſo von ihren Ermeſſen ab, zu ent- ſcheiden, wann die Einleitung der Verfolgung von Amtswegen ſtatt finden ſoll, und der Antrag des Verletzten kann ſie nicht dazu nöthigen. Auf der anderen Seite kann diejenige öffentliche Perſon, welche ſich für beleidigt hält, durch die Weigerung der Staatsanwaltſchaft, ein Verfahren von Amtswegen einzuleiten, nicht ſchlechter geſtellt werden, as jede Privatperſon. So gut, wie es einer ſolchen freiſteht, den Weg der Privatklage zu betreten, muß es auch den im §. 102. genannten Perſon geſtattet ſein, was auch der Vorſchrift des Geſetzes vom 11. März 1850. §. 5. (G.-S. S. 174.) entſpricht. In Beziehung auf das Verfahren iſt dann die Vorſchrift des §. 160. maaßgebend; was aber die Strafe anbetrifft, ſo fragt es ſich, ob es dem erkennenden Gerichte noch freiſteht, je nach dem vorliegenden Thatbeſtande die höheren Stra- fen des §. 102. oder die Strafen der Privatbeleidigung anzuwenden, oder ob nur die letzteren in dieſem Fall eintreten können. Nimmt man das Letztere an, ſo läßt man die Anwendung der Strafen des §. 102. von der Einleitung einer Verfolgung von Amtswegen bedingt ſein, ſo daß es von der Entſcheidung der Staatsanwaltſchaft abhängt, ob eine y) Verhandlungen. III. S. 624

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/282>, abgerufen am 24.11.2024.