Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergeh. Tit. IX. Falsche Anschuldigung.
Neunter Titel. Falsche Anschuldigung.
§. 133.
Wer bei einer öffentlichen Behörde eine Anzeige macht, durch welche er Jemanden wider besseres Wissen der Verübung einer gesetzlich strafbaren Hand- lung oder der Verletzung der Amtspflichten beschuldigt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft; auch kann gegen denselben auf zeitige Un- tersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren an- hängig ist, soll mit dem Verfahren und mit dem Erkenntniß über die falsche Anschuldigung inne gehalten werden.
§. 134.
In allen Fällen, in denen wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt wird, ist dem Verletzten auf Kosten des Verurtheilten eine Ausferti- gung des Erkenntnisses zu ertheilen. Auch soll dem Verletzten in dem Erkenntnisse die Befugniß ertheilt werden, die Verurtheilung öffentlich bekannt zu machen.
Die Art und Weise dieser Bekanntmachung, welche stets auf Kosten des Verurtheilten erfolgt, sowie die Frist zu derselben, ist vom Richter in dem Erkenntnisse zu bestimmen.
Der Entwurf von 1850. hatte den Inhalt dieses Titels als §. 149. zu den Ehrverletzungen gestellt; zunächst formelle Bedenken, welche mit den Bestimmungen über die Privatstrafanträge wegen Ehrverletzung zusammen hingen, veranlaßten die Kommission der zweiten Kammer, die Ordnung des Entwurfs von 1847. wieder herzustellen. Demselben wurde dann auch die in §. 134. enthaltene Vorschrift über die Aus- fertigung und die Bekanntmachung des Straferkenntnisses entlehnt. -- Der Thatbestand der Kalumnie ist gegenwärtig im Vergleich mit den früheren Entwürfen vereinfacht und genauer gefaßt; die Anzeige bei der öffentlichen Behörde unterscheidet dieselbe namentlich von der Verleum- dung. p) Bei der Feststellung der Strafe ist die bedingte Talion des Allgem. Landrechts aufgegeben worden. q)
p) Der Code penal, welcher Art. 367-74. die Verleumdung (calomnie) behandelt, enthält Art. 373. Bestimmungen über die falsche Anschuldigung (denon- ciation calomnieuse), -- eine Anordnung, welcher die meisten neueren Strafgesetz- bücher gefolgt sind.
q) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1431-34. -- Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 111. 112. -- Revision von 1845. II. S. 107.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergeh. Tit. IX. Falſche Anſchuldigung.
Neunter Titel. Falſche Anſchuldigung.
§. 133.
Wer bei einer öffentlichen Behörde eine Anzeige macht, durch welche er Jemanden wider beſſeres Wiſſen der Verübung einer geſetzlich ſtrafbaren Hand- lung oder der Verletzung der Amtspflichten beſchuldigt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft; auch kann gegen denſelben auf zeitige Un- terſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren an- hängig iſt, ſoll mit dem Verfahren und mit dem Erkenntniß über die falſche Anſchuldigung inne gehalten werden.
§. 134.
In allen Fällen, in denen wegen falſcher Anſchuldigung auf Strafe erkannt wird, iſt dem Verletzten auf Koſten des Verurtheilten eine Ausferti- gung des Erkenntniſſes zu ertheilen. Auch ſoll dem Verletzten in dem Erkenntniſſe die Befugniß ertheilt werden, die Verurtheilung öffentlich bekannt zu machen.
Die Art und Weiſe dieſer Bekanntmachung, welche ſtets auf Koſten des Verurtheilten erfolgt, ſowie die Friſt zu derſelben, iſt vom Richter in dem Erkenntniſſe zu beſtimmen.
Der Entwurf von 1850. hatte den Inhalt dieſes Titels als §. 149. zu den Ehrverletzungen geſtellt; zunächſt formelle Bedenken, welche mit den Beſtimmungen über die Privatſtrafanträge wegen Ehrverletzung zuſammen hingen, veranlaßten die Kommiſſion der zweiten Kammer, die Ordnung des Entwurfs von 1847. wieder herzuſtellen. Demſelben wurde dann auch die in §. 134. enthaltene Vorſchrift über die Aus- fertigung und die Bekanntmachung des Straferkenntniſſes entlehnt. — Der Thatbeſtand der Kalumnie iſt gegenwärtig im Vergleich mit den früheren Entwürfen vereinfacht und genauer gefaßt; die Anzeige bei der öffentlichen Behörde unterſcheidet dieſelbe namentlich von der Verleum- dung. p) Bei der Feſtſtellung der Strafe iſt die bedingte Talion des Allgem. Landrechts aufgegeben worden. q)
p) Der Code pénal, welcher Art. 367-74. die Verleumdung (calomnie) behandelt, enthält Art. 373. Beſtimmungen über die falſche Anſchuldigung (dénon- ciation calomnieuse), — eine Anordnung, welcher die meiſten neueren Strafgeſetz- bücher gefolgt ſind.
q) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1431-34. — Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 111. 112. — Reviſion von 1845. II. S. 107.
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Neunter Titel.
Falſche Anſchuldigung.
§. 133.
Wer bei einer öffentlichen Behörde eine Anzeige macht, durch welche er
Jemanden wider beſſeres Wiſſen der Verübung einer geſetzlich ſtrafbaren Hand-
lung oder der Verletzung der Amtspflichten beſchuldigt, wird mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten beſtraft; auch kann gegen denſelben auf zeitige Un-
terſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren an-
hängig iſt, ſoll mit dem Verfahren und mit dem Erkenntniß über die falſche
Anſchuldigung inne gehalten werden.
§. 134.
In allen Fällen, in denen wegen falſcher Anſchuldigung auf Strafe
erkannt wird, iſt dem Verletzten auf Koſten des Verurtheilten eine Ausferti-
gung des Erkenntniſſes zu ertheilen. Auch ſoll dem Verletzten in dem
Erkenntniſſe die Befugniß ertheilt werden, die Verurtheilung öffentlich bekannt
zu machen.
Die Art und Weiſe dieſer Bekanntmachung, welche ſtets auf Koſten des
Verurtheilten erfolgt, ſowie die Friſt zu derſelben, iſt vom Richter in dem
Erkenntniſſe zu beſtimmen.
Der Entwurf von 1850. hatte den Inhalt dieſes Titels als §. 149.
zu den Ehrverletzungen geſtellt; zunächſt formelle Bedenken, welche mit
den Beſtimmungen über die Privatſtrafanträge wegen Ehrverletzung
zuſammen hingen, veranlaßten die Kommiſſion der zweiten Kammer,
die Ordnung des Entwurfs von 1847. wieder herzuſtellen. Demſelben
wurde dann auch die in §. 134. enthaltene Vorſchrift über die Aus-
fertigung und die Bekanntmachung des Straferkenntniſſes entlehnt. —
Der Thatbeſtand der Kalumnie iſt gegenwärtig im Vergleich mit den
früheren Entwürfen vereinfacht und genauer gefaßt; die Anzeige bei der
öffentlichen Behörde unterſcheidet dieſelbe namentlich von der Verleum-
dung. p) Bei der Feſtſtellung der Strafe iſt die bedingte Talion des
Allgem. Landrechts aufgegeben worden. q)
p) Der Code pénal, welcher Art. 367-74. die Verleumdung (calomnie)
behandelt, enthält Art. 373. Beſtimmungen über die falſche Anſchuldigung (dénon-
ciation calomnieuse), — eine Anordnung, welcher die meiſten neueren Strafgeſetz-
bücher gefolgt ſind.
q) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1431-34. — Berathungs-Protokolle
der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 111. 112. — Reviſion von 1845.
II. S. 107.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/308>, abgerufen am 26.06.2024.
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