Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 176-179. Todtschlag.

d. Der zur That Gereizte muß sie "auf der Stelle" begangen
haben, ohne daß er sich zur Ueberlegung Zeit ließ: denn nur für den
Todtschlag und nicht für den Mord soll hier ein Entschuldigungsgrund
geboten werden. Es darf also zwischen der Anreizung und dem Todt-
schlage kein solcher Zwischenraum liegen, daß die unmittelbare Wirkung
der ersteren auf die Handlung des Todtschlägers ihre Kraft verliert.
"Auf der Stelle" (illico) bezeichnet nicht so wohl denselben Ort, als die
Kontinuität der Handlungen.

e. Auf den an einem leiblichen Ascendenten verübten Todtschlag
bezieht sich die Bestimmung des §. 177. überhaupt nicht, wie sich schon
aus der Stellung des §. 179. und aus den Worten "so bleibt die
lebenslängliche Zuchthausstrafe ausgeschlossen" ergiebt; s. auch unten
§. 196.

f. Die Strafmilderung ist erheblich; statt der absoluten Strafe
des §. 176. tritt Gefängniß von zwei bis fünf Jahren ein. Auch ist
dabei die Bestimmung des §. 196. ins Auge zu fassen: ging die Ab-
sicht nicht auf Tödtung, sondern trat diese nur in Folge einer Miß-
handlung oder Körperverletzung ein, so findet noch eine weitere Ermäßi-
gung der Strafe statt.

III. Den Gegensatz zu dieser Strafmilderung bildet die Vorschrift
des §. 178., nach welcher statt der gewöhnlichen Strafe des lebens-
länglichen Zuchthauses die Todesstrafe eintreten soll, wenn der Todt-
schlag bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt
worden ist. Auch die Quelle dieser Bestimmung ist das Französische
Recht; doch ist die Härte desselben, welche auch nach der Milderung im
Gesetz vom 28. April 1832. nicht zu verkennen ist, in das Strafgesetz-
buch nicht übergegangen. c) Dieses hält nämlich allgemein an dem
Grundsatze fest, daß der Todtschlag, welcher gleichzeitig mit einem an-
deren Delikt verübt worden, noch nicht die Todesstrafe begründe, sondern
daß ein innerer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Handlun-
gen bestehen müsse, indem vorausgesetzt wird, daß der Todtschlag
bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt worden,
entweder


c) Code penal. Art. 304. Le meurtre emportera la peine de mort,
lorsqu'il aura precede, accompagne ou suivi un autre crime ou delit.
--
Loi 28 Avril 1832. Le meurtre emportera la peine de mort, lorsqu'il
aura precede, accompagne ou suivi un autre crime.
-- Le meurtre
emportera egalement la peine de mort, lorsqu'il aura eu pour objet, soit
de preparer, faciliter ou executer un delit, soit de favoriser la fuite ou
d'assurer l'impunite des auteurs ou complices de ce delit. cf. Chauveau
et Helie Faustin
. l. c. chap.
XLIII. §. VII. p. 112-16.
§. 176-179. Todtſchlag.

d. Der zur That Gereizte muß ſie „auf der Stelle“ begangen
haben, ohne daß er ſich zur Ueberlegung Zeit ließ: denn nur für den
Todtſchlag und nicht für den Mord ſoll hier ein Entſchuldigungsgrund
geboten werden. Es darf alſo zwiſchen der Anreizung und dem Todt-
ſchlage kein ſolcher Zwiſchenraum liegen, daß die unmittelbare Wirkung
der erſteren auf die Handlung des Todtſchlägers ihre Kraft verliert.
„Auf der Stelle“ (illico) bezeichnet nicht ſo wohl denſelben Ort, als die
Kontinuität der Handlungen.

e. Auf den an einem leiblichen Aſcendenten verübten Todtſchlag
bezieht ſich die Beſtimmung des §. 177. überhaupt nicht, wie ſich ſchon
aus der Stellung des §. 179. und aus den Worten „ſo bleibt die
lebenslängliche Zuchthausſtrafe ausgeſchloſſen“ ergiebt; ſ. auch unten
§. 196.

f. Die Strafmilderung iſt erheblich; ſtatt der abſoluten Strafe
des §. 176. tritt Gefängniß von zwei bis fünf Jahren ein. Auch iſt
dabei die Beſtimmung des §. 196. ins Auge zu faſſen: ging die Ab-
ſicht nicht auf Tödtung, ſondern trat dieſe nur in Folge einer Miß-
handlung oder Körperverletzung ein, ſo findet noch eine weitere Ermäßi-
gung der Strafe ſtatt.

III. Den Gegenſatz zu dieſer Strafmilderung bildet die Vorſchrift
des §. 178., nach welcher ſtatt der gewöhnlichen Strafe des lebens-
länglichen Zuchthauſes die Todesſtrafe eintreten ſoll, wenn der Todt-
ſchlag bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt
worden iſt. Auch die Quelle dieſer Beſtimmung iſt das Franzöſiſche
Recht; doch iſt die Härte deſſelben, welche auch nach der Milderung im
Geſetz vom 28. April 1832. nicht zu verkennen iſt, in das Strafgeſetz-
buch nicht übergegangen. c) Dieſes hält nämlich allgemein an dem
Grundſatze feſt, daß der Todtſchlag, welcher gleichzeitig mit einem an-
deren Delikt verübt worden, noch nicht die Todesſtrafe begründe, ſondern
daß ein innerer Zuſammenhang zwiſchen den verſchiedenen Handlun-
gen beſtehen müſſe, indem vorausgeſetzt wird, daß der Todtſchlag
bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt worden,
entweder


c) Code pénal. Art. 304. Le meurtre emportera la peine de mort,
lorsqu'il aura précédé, accompagné ou suivi un autre crime ou délit.

Loi 28 Avril 1832. Le meurtre emportera la peine de mort, lorsqu'il
aura précédé, accompagné ou suivi un autre crime.
Le meurtre
emportera également la peine de mort, lorsqu'il aura eu pour objet, soit
de préparer, faciliter ou exécuter un délit, soit de favoriser la fuite ou
d'assurer l'impunité des auteurs ou complices de ce délit. cf. Chauveau
et Hélie Faustin
. l. c. chap.
XLIII. §. VII. p. 112-16.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0363" n="353"/>
              <fw place="top" type="header">§. 176-179. Todt&#x017F;chlag.</fw><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">d.</hi> Der zur That Gereizte muß &#x017F;ie &#x201E;<hi rendition="#g">auf der Stelle</hi>&#x201C; begangen<lb/>
haben, ohne daß er         &#x017F;ich zur Ueberlegung Zeit ließ: denn nur für den<lb/>
Todt&#x017F;chlag und         nicht für den Mord &#x017F;oll hier ein Ent&#x017F;chuldigungsgrund<lb/>
geboten         werden. Es darf al&#x017F;o zwi&#x017F;chen der Anreizung und dem         Todt-<lb/>
&#x017F;chlage kein &#x017F;olcher Zwi&#x017F;chenraum liegen, daß die         unmittelbare Wirkung<lb/>
der er&#x017F;teren auf die Handlung des         Todt&#x017F;chlägers ihre Kraft verliert.<lb/>
&#x201E;Auf der Stelle&#x201C;          (<hi rendition="#aq">illico</hi>) bezeichnet nicht &#x017F;o wohl den&#x017F;elben         Ort, als die<lb/>
Kontinuität der Handlungen.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">e.</hi> Auf den an einem leiblichen A&#x017F;cendenten verübten         Todt&#x017F;chlag<lb/>
bezieht &#x017F;ich die Be&#x017F;timmung des §. 177.         überhaupt nicht, wie &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
aus der Stellung des §. 179. und         aus den Worten &#x201E;&#x017F;o bleibt die<lb/>
lebenslängliche         Zuchthaus&#x017F;trafe ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en&#x201C;         ergiebt; &#x017F;. auch unten<lb/>
§. 196.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">f.</hi> Die Strafmilderung i&#x017F;t erheblich; &#x017F;tatt         der ab&#x017F;oluten Strafe<lb/>
des §. 176. tritt Gefängniß von zwei bis fünf Jahren         ein. Auch i&#x017F;t<lb/>
dabei die Be&#x017F;timmung des §. 196. ins Auge zu         fa&#x017F;&#x017F;en: ging die Ab-<lb/>
&#x017F;icht nicht auf Tödtung,         &#x017F;ondern trat die&#x017F;e nur in Folge einer Miß-<lb/>
handlung oder         Körperverletzung ein, &#x017F;o findet noch eine weitere Ermäßi-<lb/>
gung der Strafe         &#x017F;tatt.</p><lb/>
              <p>III. Den Gegen&#x017F;atz zu die&#x017F;er Strafmilderung bildet die         Vor&#x017F;chrift<lb/>
des §. 178., nach welcher &#x017F;tatt der gewöhnlichen Strafe         des lebens-<lb/>
länglichen Zuchthau&#x017F;es die Todes&#x017F;trafe eintreten         &#x017F;oll, wenn der Todt-<lb/>
&#x017F;chlag bei Unternehmung eines Verbrechens         oder Vergehens verübt<lb/>
worden i&#x017F;t. Auch die Quelle die&#x017F;er         Be&#x017F;timmung i&#x017F;t das Franzö&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Recht; doch         i&#x017F;t die Härte de&#x017F;&#x017F;elben, welche auch nach der Milderung         im<lb/>
Ge&#x017F;etz vom 28. April 1832. nicht zu verkennen i&#x017F;t, in das         Strafge&#x017F;etz-<lb/>
buch nicht übergegangen. <note place="foot" n="c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Code pénal</hi>. Art.</hi> 304. <hi rendition="#aq">Le meurtre emportera la peine de mort,<lb/>
lorsqu'il aura           précédé, accompagné ou suivi un autre crime ou           délit.</hi> &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Loi</hi></hi> 28 <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Avril</hi></hi> 1832. <hi rendition="#aq">Le meurtre emportera la peine de mort, lorsqu'il<lb/>
aura           précédé, accompagné ou suivi <hi rendition="#g">un autre crime</hi>.</hi> &#x2014; <hi rendition="#aq">Le meurtre<lb/>
emportera également la peine de mort, lorsqu'il aura eu pour objet, soit<lb/>
de préparer, faciliter ou exécuter <hi rendition="#g">un            délit</hi>, soit de favoriser la fuite ou<lb/>
d'assurer l'impunité           des auteurs ou complices <hi rendition="#g">de ce délit</hi>. cf. <hi rendition="#g">Chauveau<lb/>
et Hélie Faustin</hi>. l. c. chap.</hi> XLIII. §. VII. <hi rendition="#aq">p.</hi> 112-16.</note> Die&#x017F;es hält nämlich         allgemein an dem<lb/>
Grund&#x017F;atze fe&#x017F;t, daß der Todt&#x017F;chlag,         welcher gleichzeitig mit einem an-<lb/>
deren Delikt verübt worden, noch nicht die         Todes&#x017F;trafe begründe, &#x017F;ondern<lb/>
daß ein innerer         Zu&#x017F;ammenhang zwi&#x017F;chen den ver&#x017F;chiedenen Handlun-<lb/>
gen         be&#x017F;tehen mü&#x017F;&#x017F;e, indem vorausge&#x017F;etzt wird, daß         der Todt&#x017F;chlag<lb/>
bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt         worden,<lb/>
entweder</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0363] §. 176-179. Todtſchlag. d. Der zur That Gereizte muß ſie „auf der Stelle“ begangen haben, ohne daß er ſich zur Ueberlegung Zeit ließ: denn nur für den Todtſchlag und nicht für den Mord ſoll hier ein Entſchuldigungsgrund geboten werden. Es darf alſo zwiſchen der Anreizung und dem Todt- ſchlage kein ſolcher Zwiſchenraum liegen, daß die unmittelbare Wirkung der erſteren auf die Handlung des Todtſchlägers ihre Kraft verliert. „Auf der Stelle“ (illico) bezeichnet nicht ſo wohl denſelben Ort, als die Kontinuität der Handlungen. e. Auf den an einem leiblichen Aſcendenten verübten Todtſchlag bezieht ſich die Beſtimmung des §. 177. überhaupt nicht, wie ſich ſchon aus der Stellung des §. 179. und aus den Worten „ſo bleibt die lebenslängliche Zuchthausſtrafe ausgeſchloſſen“ ergiebt; ſ. auch unten §. 196. f. Die Strafmilderung iſt erheblich; ſtatt der abſoluten Strafe des §. 176. tritt Gefängniß von zwei bis fünf Jahren ein. Auch iſt dabei die Beſtimmung des §. 196. ins Auge zu faſſen: ging die Ab- ſicht nicht auf Tödtung, ſondern trat dieſe nur in Folge einer Miß- handlung oder Körperverletzung ein, ſo findet noch eine weitere Ermäßi- gung der Strafe ſtatt. III. Den Gegenſatz zu dieſer Strafmilderung bildet die Vorſchrift des §. 178., nach welcher ſtatt der gewöhnlichen Strafe des lebens- länglichen Zuchthauſes die Todesſtrafe eintreten ſoll, wenn der Todt- ſchlag bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt worden iſt. Auch die Quelle dieſer Beſtimmung iſt das Franzöſiſche Recht; doch iſt die Härte deſſelben, welche auch nach der Milderung im Geſetz vom 28. April 1832. nicht zu verkennen iſt, in das Strafgeſetz- buch nicht übergegangen. c) Dieſes hält nämlich allgemein an dem Grundſatze feſt, daß der Todtſchlag, welcher gleichzeitig mit einem an- deren Delikt verübt worden, noch nicht die Todesſtrafe begründe, ſondern daß ein innerer Zuſammenhang zwiſchen den verſchiedenen Handlun- gen beſtehen müſſe, indem vorausgeſetzt wird, daß der Todtſchlag bei Unternehmung eines Verbrechens oder Vergehens verübt worden, entweder c) Code pénal. Art. 304. Le meurtre emportera la peine de mort, lorsqu'il aura précédé, accompagné ou suivi un autre crime ou délit. — Loi 28 Avril 1832. Le meurtre emportera la peine de mort, lorsqu'il aura précédé, accompagné ou suivi un autre crime. — Le meurtre emportera également la peine de mort, lorsqu'il aura eu pour objet, soit de préparer, faciliter ou exécuter un délit, soit de favoriser la fuite ou d'assurer l'impunité des auteurs ou complices de ce délit. cf. Chauveau et Hélie Faustin. l. c. chap. XLIII. §. VII. p. 112-16.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/363
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/363>, abgerufen am 24.11.2024.