Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXVII. Gemeingefährliche Verbr. etc.
von Lebensmitteln zur Abwendung oder Beseitigung eines Nothstandes, vor- sätzlich entweder nicht zur bestimmten Zeit, oder nicht in der vorbedungenen Weise erfüllt, soll mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft werden; auch kann gegen denselben auf zeitige Untersagung der Ausübung der bürger- lichen Ehrenrechte erkannt werden.
Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrlässigkeit zum Grunde, und ist ein Schaden dadurch wirklich entstanden, so ist auf Gefängniß bis zu zwei Jahren zu erkennen.
Dieselben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Agenten und Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zwecks der Lieferung das Unterbleiben derselben vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit verursachen.
Die Strafvorschriften wegen unterlassener Lieferung, welche nach dem Vorgange des Rheinischen Rechts t) aufgestellt worden, sind nicht ohne mehrfachen Widerspruch in das Gesetzbuch aufgenommen. Man hat dieselben im Widerspruch mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen gefun- den, weil die Nichterfüllung von Privatverträgen (und solche schließe auch der Staat, wenn er Lieferungen bedinge) im Allgemeinen keine Kriminalstrafe begründen könne; es liege auch kein Bedürfniß vor, so anomale Bestimmungen aufzustellen, da die Exekutivgewalt die Mittel zur Beitreibung der Lieferungen darbiete, und man sich vor der Nicht- erfüllung des Vertrags durch Kautionen und Konventionalstrafen sichern könne. Jedenfalls fehle es an einem Rechtsgrunde, auch die Fahrläs- sigkeit in diesem Falle zu bestrafen, und die Unterlieferanten, so wie die Agenten und Bevollmächtigten des Lieferanten wie diesen selbst zu be- handeln. Eine solche Ausdehnung der Strafbestimmung werde auch, anstatt eine gemeine Gefahr abzuwenden, gerade das öffentliche Interesse gefährden; denn von solchen Gesetzen bedroht, würden die Lieferanten nur um größerer Vortheile willen sich überhaupt auf Lieferungsgeschäfte einlassen.
Diesen Einwendungen gegenüber sind aber die Strafbestimmun- gen in ihrem ganzen Umfange doch aufrecht erhalten worden. Es handle sich nur, wurde erwiedert, um Lieferungsverträge über Bedürfnisse des Heeres zur Zeit eines Krieges oder über die Zufuhr von Lebens- mitteln zur Abwendung oder Beseitigung eines Nothstandes. Wer in Fällen dieser Art seine Verpflichtungen vorsätzlich nicht erfülle, der handle nicht bloß kontraktwidrig im gewöhnlichen Sinne, sondern mache sich auch eines strafbaren Vergehens schuldig. Es liege aber auch ein Be- dürfniß vor, die Staatsregierung mit allen Mitteln auszurüsten, welche sie in den Stand setzen, auf die sichere Erfüllung der bedungenen Lie-
t)Code penal. Art. 430-33.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVII. Gemeingefährliche Verbr. ꝛc.
von Lebensmitteln zur Abwendung oder Beſeitigung eines Nothſtandes, vor- ſätzlich entweder nicht zur beſtimmten Zeit, oder nicht in der vorbedungenen Weiſe erfüllt, ſoll mit Gefängniß nicht unter ſechs Monaten beſtraft werden; auch kann gegen denſelben auf zeitige Unterſagung der Ausübung der bürger- lichen Ehrenrechte erkannt werden.
Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrläſſigkeit zum Grunde, und iſt ein Schaden dadurch wirklich entſtanden, ſo iſt auf Gefängniß bis zu zwei Jahren zu erkennen.
Dieſelben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Agenten und Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zwecks der Lieferung das Unterbleiben derſelben vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit verurſachen.
Die Strafvorſchriften wegen unterlaſſener Lieferung, welche nach dem Vorgange des Rheiniſchen Rechts t) aufgeſtellt worden, ſind nicht ohne mehrfachen Widerſpruch in das Geſetzbuch aufgenommen. Man hat dieſelben im Widerſpruch mit allgemeinen Rechtsgrundſätzen gefun- den, weil die Nichterfüllung von Privatverträgen (und ſolche ſchließe auch der Staat, wenn er Lieferungen bedinge) im Allgemeinen keine Kriminalſtrafe begründen könne; es liege auch kein Bedürfniß vor, ſo anomale Beſtimmungen aufzuſtellen, da die Exekutivgewalt die Mittel zur Beitreibung der Lieferungen darbiete, und man ſich vor der Nicht- erfüllung des Vertrags durch Kautionen und Konventionalſtrafen ſichern könne. Jedenfalls fehle es an einem Rechtsgrunde, auch die Fahrläſ- ſigkeit in dieſem Falle zu beſtrafen, und die Unterlieferanten, ſo wie die Agenten und Bevollmächtigten des Lieferanten wie dieſen ſelbſt zu be- handeln. Eine ſolche Ausdehnung der Strafbeſtimmung werde auch, anſtatt eine gemeine Gefahr abzuwenden, gerade das öffentliche Intereſſe gefährden; denn von ſolchen Geſetzen bedroht, würden die Lieferanten nur um größerer Vortheile willen ſich überhaupt auf Lieferungsgeſchäfte einlaſſen.
Dieſen Einwendungen gegenüber ſind aber die Strafbeſtimmun- gen in ihrem ganzen Umfange doch aufrecht erhalten worden. Es handle ſich nur, wurde erwiedert, um Lieferungsverträge über Bedürfniſſe des Heeres zur Zeit eines Krieges oder über die Zufuhr von Lebens- mitteln zur Abwendung oder Beſeitigung eines Nothſtandes. Wer in Fällen dieſer Art ſeine Verpflichtungen vorſätzlich nicht erfülle, der handle nicht bloß kontraktwidrig im gewöhnlichen Sinne, ſondern mache ſich auch eines ſtrafbaren Vergehens ſchuldig. Es liege aber auch ein Be- dürfniß vor, die Staatsregierung mit allen Mitteln auszurüſten, welche ſie in den Stand ſetzen, auf die ſichere Erfüllung der bedungenen Lie-
t)Code pénal. Art. 430-33.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVII. Gemeingefährliche Verbr. ꝛc.
von Lebensmitteln zur Abwendung oder Beſeitigung eines Nothſtandes, vor-
ſätzlich entweder nicht zur beſtimmten Zeit, oder nicht in der vorbedungenen
Weiſe erfüllt, ſoll mit Gefängniß nicht unter ſechs Monaten beſtraft werden;
auch kann gegen denſelben auf zeitige Unterſagung der Ausübung der bürger-
lichen Ehrenrechte erkannt werden.
Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrläſſigkeit zum Grunde, und iſt
ein Schaden dadurch wirklich entſtanden, ſo iſt auf Gefängniß bis zu zwei
Jahren zu erkennen.
Dieſelben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Agenten und
Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zwecks
der Lieferung das Unterbleiben derſelben vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit
verurſachen.
Die Strafvorſchriften wegen unterlaſſener Lieferung, welche nach
dem Vorgange des Rheiniſchen Rechts t) aufgeſtellt worden, ſind nicht
ohne mehrfachen Widerſpruch in das Geſetzbuch aufgenommen. Man
hat dieſelben im Widerſpruch mit allgemeinen Rechtsgrundſätzen gefun-
den, weil die Nichterfüllung von Privatverträgen (und ſolche ſchließe
auch der Staat, wenn er Lieferungen bedinge) im Allgemeinen keine
Kriminalſtrafe begründen könne; es liege auch kein Bedürfniß vor, ſo
anomale Beſtimmungen aufzuſtellen, da die Exekutivgewalt die Mittel
zur Beitreibung der Lieferungen darbiete, und man ſich vor der Nicht-
erfüllung des Vertrags durch Kautionen und Konventionalſtrafen ſichern
könne. Jedenfalls fehle es an einem Rechtsgrunde, auch die Fahrläſ-
ſigkeit in dieſem Falle zu beſtrafen, und die Unterlieferanten, ſo wie die
Agenten und Bevollmächtigten des Lieferanten wie dieſen ſelbſt zu be-
handeln. Eine ſolche Ausdehnung der Strafbeſtimmung werde auch,
anſtatt eine gemeine Gefahr abzuwenden, gerade das öffentliche Intereſſe
gefährden; denn von ſolchen Geſetzen bedroht, würden die Lieferanten
nur um größerer Vortheile willen ſich überhaupt auf Lieferungsgeſchäfte
einlaſſen.
Dieſen Einwendungen gegenüber ſind aber die Strafbeſtimmun-
gen in ihrem ganzen Umfange doch aufrecht erhalten worden. Es
handle ſich nur, wurde erwiedert, um Lieferungsverträge über Bedürfniſſe
des Heeres zur Zeit eines Krieges oder über die Zufuhr von Lebens-
mitteln zur Abwendung oder Beſeitigung eines Nothſtandes. Wer in
Fällen dieſer Art ſeine Verpflichtungen vorſätzlich nicht erfülle, der handle
nicht bloß kontraktwidrig im gewöhnlichen Sinne, ſondern mache ſich
auch eines ſtrafbaren Vergehens ſchuldig. Es liege aber auch ein Be-
dürfniß vor, die Staatsregierung mit allen Mitteln auszurüſten, welche
ſie in den Stand ſetzen, auf die ſichere Erfüllung der bedungenen Lie-
t) Code pénal. Art. 430-33.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/550>, abgerufen am 29.11.2024.
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