Madihn, v. Ammon und Grimm reichten unter dem 13. Oktober 1847. ein Promemoria ein, in welchem sie vorschlugen, die zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte in das Gesetz- buch als Ehrenstrafe aufzunehmen, und derselben die zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern hinzuzufügen, dafür aber die Strafe der Kassa- tion und der Amtsentsetzung ganz aufzugeben. Es wurde durch diese Aenderungen zunächst beabsichtigt, das Princip des Rheinischen Rechts aufrecht zu erhalten, daß der dauernde Verlust der Ehre nur von Schwurgerichtshöfen ausgesprochen werden kann; aber auch noch in anderer Hinsicht hatten sie ihre selbständige Bedeutung. Die Denkschrift äußert sich darüber in folgender Weise:
"Diese hinsichtlich der Kassation in manchen Fällen nothwendige, in andern wenigstens unnachtheilige und auch in Ansehung der Amts- entsetzung unschädlichen Aenderungen werden durch andere Rücksichten dringend geboten. Durch sie wird eine sichere, unverkennbare und zu- gleich rationelle Grenzlinie zwischen dem Gebiete des gemeinen Straf- rechts, welches die gemeinen Verbrechen und die Amtsverbrechen umfaßt, und dem Gebiete des Disziplinarrechts gezogen. Daß gemeine Strafrecht droht Strafen an, welche den Bürger treffen, Geldstrafen, Freiheits- strafen, Verlust oder Suspension der Ehrenrechte, oder der gesetzlichen Fähigkeit, öffentliche Aemter zu bekleiden, und nur als nothwendige Folge dieser Strafen tritt die Amtsentsetzung ein; das Disziplinarrecht beschäftigt sich mit dem mehr civilrechtlichen Verhältnisse der Beam- ten als solchen zum Staate, und seine höchste Strafe ist die Amts- entsetzung."
"In allen Fällen also, wo diese nicht ausreicht, wo eine Strafe, welche den Bürger trifft, verhängt werden soll, muß die That im Strafgesetzbuche vorgesehen werden und das gemeine Strafrecht eintreten. Dagegen gehören in das Disziplinarverfahren alle tadelnswerthen Handlungen eines Beamten, welche entweder mit einer Strafe des gemeinen Strafrechts nicht bedroht sind, oder welche, obgleich eine solche Strafe auf sie gesetzt ist, von dem Standpunkte aus zu prüfen sind, ob dem Beamten als solchen ein Verschulden zur Last falle, welches seine Dienstentlassung oder eine sonstige Disziplinarahndung nothwendig mache. Diese in der Natur der Sache begründete völlige Unabhängigkeit beider Gebiete wird aber verkannt, wenn man in dem Strafgesetzbuche die Amtsentsetzung, sei es allein, sei es, wie bei der Kassation, in Ver- bindung mit der Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern androht, obgleich die nämliche Strafe, wenn auch unter einem anderen Namen, nämlich dem der Dienstentlassung, im Disziplinarwege ausgesprochen werden
Verbrechen und Vergehen im Amte.
Madihn, v. Ammon und Grimm reichten unter dem 13. Oktober 1847. ein Promemoria ein, in welchem ſie vorſchlugen, die zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte in das Geſetz- buch als Ehrenſtrafe aufzunehmen, und derſelben die zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern hinzuzufügen, dafür aber die Strafe der Kaſſa- tion und der Amtsentſetzung ganz aufzugeben. Es wurde durch dieſe Aenderungen zunächſt beabſichtigt, das Princip des Rheiniſchen Rechts aufrecht zu erhalten, daß der dauernde Verluſt der Ehre nur von Schwurgerichtshöfen ausgeſprochen werden kann; aber auch noch in anderer Hinſicht hatten ſie ihre ſelbſtändige Bedeutung. Die Denkſchrift äußert ſich darüber in folgender Weiſe:
„Dieſe hinſichtlich der Kaſſation in manchen Fällen nothwendige, in andern wenigſtens unnachtheilige und auch in Anſehung der Amts- entſetzung unſchädlichen Aenderungen werden durch andere Rückſichten dringend geboten. Durch ſie wird eine ſichere, unverkennbare und zu- gleich rationelle Grenzlinie zwiſchen dem Gebiete des gemeinen Straf- rechts, welches die gemeinen Verbrechen und die Amtsverbrechen umfaßt, und dem Gebiete des Disziplinarrechts gezogen. Daß gemeine Strafrecht droht Strafen an, welche den Bürger treffen, Geldſtrafen, Freiheits- ſtrafen, Verluſt oder Suspenſion der Ehrenrechte, oder der geſetzlichen Fähigkeit, öffentliche Aemter zu bekleiden, und nur als nothwendige Folge dieſer Strafen tritt die Amtsentſetzung ein; das Disziplinarrecht beſchäftigt ſich mit dem mehr civilrechtlichen Verhältniſſe der Beam- ten als ſolchen zum Staate, und ſeine höchſte Strafe iſt die Amts- entſetzung.“
„In allen Fällen alſo, wo dieſe nicht ausreicht, wo eine Strafe, welche den Bürger trifft, verhängt werden ſoll, muß die That im Strafgeſetzbuche vorgeſehen werden und das gemeine Strafrecht eintreten. Dagegen gehören in das Disziplinarverfahren alle tadelnswerthen Handlungen eines Beamten, welche entweder mit einer Strafe des gemeinen Strafrechts nicht bedroht ſind, oder welche, obgleich eine ſolche Strafe auf ſie geſetzt iſt, von dem Standpunkte aus zu prüfen ſind, ob dem Beamten als ſolchen ein Verſchulden zur Laſt falle, welches ſeine Dienſtentlaſſung oder eine ſonſtige Disziplinarahndung nothwendig mache. Dieſe in der Natur der Sache begründete völlige Unabhängigkeit beider Gebiete wird aber verkannt, wenn man in dem Strafgeſetzbuche die Amtsentſetzung, ſei es allein, ſei es, wie bei der Kaſſation, in Ver- bindung mit der Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern androht, obgleich die nämliche Strafe, wenn auch unter einem anderen Namen, nämlich dem der Dienſtentlaſſung, im Disziplinarwege ausgeſprochen werden
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Verbrechen und Vergehen im Amte.
Madihn, v. Ammon und Grimm reichten unter dem 13. Oktober
1847. ein Promemoria ein, in welchem ſie vorſchlugen, die zeitige
Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte in das Geſetz-
buch als Ehrenſtrafe aufzunehmen, und derſelben die zeitige Unfähigkeit
zu öffentlichen Aemtern hinzuzufügen, dafür aber die Strafe der Kaſſa-
tion und der Amtsentſetzung ganz aufzugeben. Es wurde durch dieſe
Aenderungen zunächſt beabſichtigt, das Princip des Rheiniſchen Rechts
aufrecht zu erhalten, daß der dauernde Verluſt der Ehre nur von
Schwurgerichtshöfen ausgeſprochen werden kann; aber auch noch in
anderer Hinſicht hatten ſie ihre ſelbſtändige Bedeutung. Die Denkſchrift
äußert ſich darüber in folgender Weiſe:
„Dieſe hinſichtlich der Kaſſation in manchen Fällen nothwendige,
in andern wenigſtens unnachtheilige und auch in Anſehung der Amts-
entſetzung unſchädlichen Aenderungen werden durch andere Rückſichten
dringend geboten. Durch ſie wird eine ſichere, unverkennbare und zu-
gleich rationelle Grenzlinie zwiſchen dem Gebiete des gemeinen Straf-
rechts, welches die gemeinen Verbrechen und die Amtsverbrechen umfaßt,
und dem Gebiete des Disziplinarrechts gezogen. Daß gemeine Strafrecht
droht Strafen an, welche den Bürger treffen, Geldſtrafen, Freiheits-
ſtrafen, Verluſt oder Suspenſion der Ehrenrechte, oder der geſetzlichen
Fähigkeit, öffentliche Aemter zu bekleiden, und nur als nothwendige
Folge dieſer Strafen tritt die Amtsentſetzung ein; das Disziplinarrecht
beſchäftigt ſich mit dem mehr civilrechtlichen Verhältniſſe der Beam-
ten als ſolchen zum Staate, und ſeine höchſte Strafe iſt die Amts-
entſetzung.“
„In allen Fällen alſo, wo dieſe nicht ausreicht, wo eine Strafe,
welche den Bürger trifft, verhängt werden ſoll, muß die That im
Strafgeſetzbuche vorgeſehen werden und das gemeine Strafrecht eintreten.
Dagegen gehören in das Disziplinarverfahren alle tadelnswerthen
Handlungen eines Beamten, welche entweder mit einer Strafe des
gemeinen Strafrechts nicht bedroht ſind, oder welche, obgleich eine ſolche
Strafe auf ſie geſetzt iſt, von dem Standpunkte aus zu prüfen ſind,
ob dem Beamten als ſolchen ein Verſchulden zur Laſt falle, welches
ſeine Dienſtentlaſſung oder eine ſonſtige Disziplinarahndung nothwendig
mache. Dieſe in der Natur der Sache begründete völlige Unabhängigkeit
beider Gebiete wird aber verkannt, wenn man in dem Strafgeſetzbuche
die Amtsentſetzung, ſei es allein, ſei es, wie bei der Kaſſation, in Ver-
bindung mit der Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern androht, obgleich
die nämliche Strafe, wenn auch unter einem anderen Namen, nämlich
dem der Dienſtentlaſſung, im Disziplinarwege ausgeſprochen werden
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/557>, abgerufen am 28.11.2024.
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